Im Interview: Johannes Wallner – ein Koch mit ehernen Prinzipien …

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Johannes Wallner

Johannes Wallner, Jahrgang 1988, geboren in Erfurt, ledig.

 

Nach seiner Lehre zum Koch ging er 2010 ins Hotel Zumnorde in Erfurt und arbeitete von 2011 in zwei Hotels in Zermatt in der Schweiz. 2014 übernahm er den Posten des Sous Chef im Restaurant „Clara“ im Kaisersaal Erfurt. Ab September 2015 übertrug man ihm nach dem Ausscheiden von Maria Groß die Stelle des Küchenchefs. Das Clara wurde unter seiner Leitung auch 2016 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Ab August 2018 ist er Küchenchef im Restaurant „AnnA“ im traditionsreichen Luxus-Hotel Elephant in Weimar.

Was ist für Sie Genuss im Allgemeinen, abseits von Essen und Trinken?

Das ist für mich vor allem Ruhe, Zeit für mich selbst, aber auch Zeit und Entspannung mit Freunden zu haben.


Und wie definieren Sie Genuss in kulinarischer Hinsicht?

Auch diesbezüglich genieße ich entspannte und gemütliche Atmosphäre mit gutem Essen. Dessen Palette bewegt sich von handwerklich guter, bodenständiger Küche bis zu aufwendigen Menüs im 3-Sterne-Restaurant.


Warum wechselt man aus einem Sternerestaurant ins AnnA, das sich kulinarisch neu orientiert hatte?

Vor allem reizte die neue Aufgabe in einem traditionsreichen Haus unter neuen Rahmenbedingungen zu arbeiten. Aber allgemein gilt der Spruch: „Die Manege ist eine andere, der Zirkus bleibt …“


Was nahmen Sie beruflich aus dem Clara mit ins AnnA?

Der Kochstil an sich ist ähnlich, aber an die neue Klientel angepasst. Das kam mir sehr entgegen. Trotzdem ist die Küche im AnnA ganz anders und vor allem auf absolute Frische ausgerichtet.

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Wie beschreiben Sie Ihre kulinarische "Philosophie"?

Wir schaffen Natur farbenfroh und geschmackvoll auf den Tisch. Was die Saison zu bieten hat, setzen wir geschmacklich-kombinatorisch kreativ um.


Beschreiben Sie Ihr kulinarisches Angebot in einem Satz?

Wir bieten authentische, unkomplizierte Küche, die mit frischen regionalen Thüringer Produkten spielt und für jede Geschmack etwas bietet. Den typischen Thüringer Kloß werden Sie allerdings im AnnA vermissen.

 

Über welche Werte definieren Sie Ihre Küche?

Priorität hat die Frische der Produkte. Und es soll ein interessanter Mix aus internationaler und deutscher Küche sein.


Verstehen Sie sich als Koch eher als Künstler oder als Handwerker?

Den neuen Gegebenheiten entsprechend habe ich wohl vom Künstler zum Handwerker gewechselt. Was nicht heißt, dass ich meine Kreativität verloren habe. Außerdem ist das Handwerk nach wie vor die Grundlage für alles Künstlerische, das man auf dem Teller umsetzt.

Wie wichtig ist Ihnen traditionelle Küche?

Das ist, auch mit dem Bezug auf das Handwerk, die Basis für alle. Daraus entwickle ich zeitgemäße Gerichte. Die sind aber keine kulinarischen Dekonstruktionen.

 

Worin wollen Sie sich im kulinarischen Umfeld bewusst unterscheiden?

Kurz und bündig: Man soll zu Wallner und ins AnnA kommen, weil seine Küche überzeugt.


Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Speisen?

Geschmacklich richte ich mich vor allem nach dem, was mir selber schmeckt bzw. womit ich mich kombinatorisch identifiziere. Es muss sich natürlich alles auch wirtschaftlich rechnen.

 

Wie leben Sie als Küchenchef Ihre kreative Ader als Koch aus?

Ich habe hier die Möglichkeit, mein Verständnis von geschmacklich-kombinatorischer Kreativität umzusetzen. Das ist die beste Motivation für einen Koch.

Wo setzen Sie gegebenenfalls mit Sparsamkeit/Beschränkung an?

Keinesfalls an der Kreativität und im Geschmack, aber im Detail im Anrichten. Artifiziell überhöht gestaltete Teller werden Sie im AnnA nicht finden. Preislich muss man immer wieder einen Spagat bestehen und mischkalkulieren, damit man den Gast auch in so einem renommierten Haus nicht überfordert oder abschreckt. Wir sind ja auch nicht nur ein Restaurant für Hotelgäste.


Kommt Ihre Küche ohne "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Was erwarten Sie für eine Antwort? Wir kommen selbstverständlich ohne beides aus du bereiten alles frisch zu. Geschmackliche Verstärker bietet die Natur ohnehin reichlich.

 

Woher beziehen Sie Ihre Produkte?

Größtenteils aus dem, Großhandel, aber immer mit dem Blick auf erstklassige Qualität.

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Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?

Darauf lege ich schon Wert, denn es ist mir wichtig, die Produzenten zu kennen. Aber das funktioniert meist wegen unzureichender Mengen nicht optimal. Wir beziehen aber beispielsweise Honig und Wild aus der Region.

 

Wie stehen Sie zu dem Grundsatz „Vom Einfachen das Beste“?

Dazu muss man auch die Leute haben. Dieses Motto ist deshalb im Detail nicht uneingeschränkt umsetzbar.

 

… und welchen Standpunkt vertreten Sie in Sachen ganzheitliche Verwertung?

Wie bereits gesagt: Dazu muss man die Kapazitäten haben. Und wir sind eben kein Spezialitäten-Restaurant, das solche Dinge ohne Aufwand umsetzen kann. Letztlich ist das auch eine Frage der Bereitschaft der Gäste, derartiges zu honorieren.

 

Wie holen Sie sich Inspirationen für Ihre Speisekarte? Wie oft wechseln Sie diese?

Es ist vor allem eine Mischung aus Erfahrung und Inspiration. Dazu schaue ich sehr gern über den kulinarischen Tellerrand, ohne zu kopieren. Die Karte wechselt allgemein monatlich.

Kochen Sie mehr nach Rezepten, oder nach geschmacklich-kombinatorischer Intuition?

Kochen ist für mich hauptsächlich Gefühlssache und geschmacklich-kombinatorische Eingebung. Nur in der Patisserie arbeiten wird vorwiegend nach Rezepten.

 

Wie viel Kreativität gönnen Sie sich bei der Präsentation Ihrer Gerichte?

Die Kalte Küche und die Patisserie lebt auch von aufwändigeren Kreationen. Die Hauptgänge dagegen richten wir eher unprätentiös an. Da ist, wie man oft sagt, das Produkt der Star.

 

Wie viel „Kunst“ auf dem Teller sollte man dem Gast überhaupt zumuten?

Das kommt auf die Gäste an. Die kann man sich aber allgemein nicht aussuchen. Also gilt der Grundsatz: So wenig wie möglich, und so viel wie nötig … Das Produkt an sich muss aber immer erkennbar sein.

 

Inwieweit fließen auch internationale Akzente in Ihre Speisekarte ein?

Wenig, aber im Detail schon. Ich koche das, was ich gut kann und kombiniere gern raffiniert. Aber asiatisch angehauchte Gerichte wird es nicht geben. Das passt auch nicht zur Ausrichtung unserer Küche.

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Bieten Sie das, was man unter Gourmet versteht?

Ich drücke das eher anders aus: Ich versuche, aus vermeintlich Einfachem kombinatorisch etwas Besonderes zu machen. Wie man das nennt, ist ziemlich egal.

 

Entspricht das für Sie dem klassischen Gourmet-Begriff, oder eher einer Art Mittelweg?

Klassisch Gourmet bietet das AnnA nicht mehr. Wir stehen für frische, geschmacksorientierte Küche und kochen für alle, die gut essen wollen.

 

Was ist für Sie ein Spitzenkoch? Ist ein Stern dafür das Muss?

Der Stern ist dafür weder ein Kriterium noch ein Muss. Die Leistung zählt. Und das nicht nur für einen Sommer …

 

Würden Sie auch im AnnA ganz gern mal nach den Sternen greifen?

Das ist nicht das Ziel und unter den aktuellen Bedingungen auch nicht realistisch. Ich koche für die Gäste. Und das mit und ohne Stern nicht anders.

Wie ordnen Sie die Bewertungen durch die Restaurant-Guides ein?

Ich koche nicht für Tester, sondern zufriedene Gäste sind unser Maßstab für den Erfolg. Auf den Sinn und Unsinn der Guides sollte sich jeder seinen Reim machen. Dem Gast dienen diese Bewertung höchstens als Anregung für einen Besuch. Oder eben auch nicht.


Welche Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?

Mich überzeugt diesbezüglich Sven Elverfeld am meisten. Vor auch was die Kontinuität seiner herausragenden Leistungen betrifft.

 

Wie viel bedeutet Ihnen der Erfahrungsaustausch mit Kollegen aus der Region?

Der findet wenig bis gar nicht statt. Jeder macht sein Ding nach dem Motto „Leben und leben lassen“. Bei gelegentlichen Treffen hat eher die Geselligkeit Vorrang.

 

Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Ich bin zufrieden, wie es ist. Aber ich möchte immer schön neugierig bleiben, viel ausprobieren und Erfahrungen sammeln und andere Küchen kennenlernen.

 

Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Wie das AnnA: Hell und freundlich. Man muss sich willkommen und wie bei Freunden fühlen. Dass das Essen gut sein muss, versteht sich von selbst.

 

Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik für Sie auch in der Freizeit eine Rolle?

Mein Beruf ist das Hobby und macht mein Leben aus. Das ändert sich auch in der Freizeit nicht.

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