Im Interview: Rolf Fliegauf – ein Koch, der sich immer wieder hinterfragt …

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Rolf Fliegauf

Rolf Fliegauf, Jahrgang 1980, geboren in Nördlingen, verheiratet.

Seine Ausbildung zum Koch absolvierte er ab 1997 im Dehner Blumenhotel im bayrischen Rain am Lech. Im Jahr 2000 wechselte er zu Harald Wohlfahrt in die "Traube Tonbach". Zu seinen späteren Lehrmeistern gehörten auch Heston Blumenthal und Juan Amador. Seit 2007 ist er Küchenchef im Restaurant "Ecco Ascona" im Schweizer Fünf-Sterne-Hotel Giardino Ascona am Lago Maggiore. Im Winter arbeitet er mit seinem Team im  Restaurant Ecco St. Moritz. Beide Restaurants wurden mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet.


Das Kurz-Intervew habe ich mit ihm im Ringhotel Friederikenhof in Lübeck-Oberbüssau geführt, wo er als Gastkoch am 35. Schleswig-Holstein Gourmet Festival teilnahm. Da wir schon lange virtuell bekannt sind, blieb es auch beim sehr persönlichen "Du". Die Bewertung im Rahmen des MGQ bezieht sich ausdrücklich nur auf die Menüfolge, nicht auf das gastgebende Haus an sich. Mehr zu der genussreichen Veranstaltung erfährt man in meiner nächsten Kolumne.

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War Koch schon immer dein Traumberuf?

Mein Berufswunsch stand eigentlich schon immer fest. Ich bin sozusagen im kleinen Restaurant meiner Eltern aufgewachsen. Dort habe ich es damals stets vorgezogen, viel Zeit in der Küche zu verbringen als woanders, zumal mich sehr fasziniert hat, was in der Küche so passiert. In diesem Zusammenhang stand nie ein anderer Berufswunsch zur Debatte als Koch.


Und was hat deine bisherige Laufbahn als Koch bzw. Küchenchef am meisten geprägt?

Geprägt hat mich vor allem nach meiner Lehre die Tätigkeit in der Traube Tonbach, wo ich das erste Mal mit der Hochküche in Berührung gekommen bin. Vor allem habe ich dort auch gesehen und erlebt, was es braucht, um in diesem Metier zu bestehen.


Was muss aus deiner Sicht ein Koch für Fähigkeiten haben, um auf höchstem Niveau anzukommen und sich dort weiterzuentwickeln?

Dazu gehört ganz viel Einsatz und auch ein dickes Fell. Man darf die viele Arbeit nicht scheuen, muss konsequent, ehrgeizig und im übertragenen Sinne hungrig sein. Es geht nicht nur darum, Sterne zu erkochen, sondern immer wachsam auf seine eigene Entwicklung sein und sie weiter vorantreiben. Und man braucht natürlich auch ein tolles Team, das hinter einem steht. Und man darf sich erst recht nicht zu schade sein, eigenes Research zu betreiben und die damit verbundene Zeit aufzuwenden, neue Produkte kennenzulernen und sie anzuschauen, damit man einen Bezug zu den Produkten hat.


Wie definierst du in diesem Zusammenhang den Begriff "Research"?

Ich würde diesen einfach mit Recherche übersetzen. Ich meine damit, dass ich einen Großteil meiner Zeit auch für wissensbildende Recherche in Sachen  neuer Produkte, Produzenten, Techniken usw. aufwende.


Dir wird "puristische Aromaküche" nachgesagt. Wie würdest du deine Küche selbst beschreiben?

Da ist schon was dran. Wir versuchen immer eine kräftige, geschmacklich starke Küche zu präsentieren, die von Säure, einer gewissen Schärfe und einem breiten Spektrum an Texturen geprägt ist. Wir bieten keine ausschließlich Regionalküche, sondern setzen kulinarische Weltoffenheit um. Die Küche hat eine ganz klare französische Basis, die wir, ich wiederhole mich, weltoffen, mit internationalen Einflüssen interpretieren.

Welchen Wert haben bei dir die Produkte und inwieweit setzt du diesbezüglich auf Regionalität?

Die Produkte haben oberste Priorität. Ich sage in diesem Zusammenhang immer: Wo man nichts gescheites hineinsteckt, kommt auch nichts gescheites heraus. Regonalität ist ntürlich auch ein wichtiger Punkt. Aber ich halte mich an das Prinzip Qualität vor Regionalität. Wir arbeiten aber sehr viel mit regionalen Produkten. Vor allem was Fleisch betrifft, sind wir vorwiegend in der Schweiz unterwegs. Gleiches gilt für Fische aus den vielen Seen. Und auch nachhaltige Zucht ist ein großes Thema. Und in Sachen Gemüse arbeiten wir nahezu ausschließlich mit regionalen Bauern zusammen und bereichern unsere Küche durch die wilden Kräuter aus den Tälern. Oder gerade im Tessin haben die Reisfelder der Terreni alla Maggia eine große Bedeutung.


Welche Möglichkeiten siehst du in deinem kulinarischen Segment für eine möglichst ganzheitliche Verwertung von Fleisch und anderen Produkten?

Nachhaltigkeit ist gerade in heutiger Zeit ein extrem wichtiges Thema. Wir haben ganzheitliche Verwertung eigentlich schon immer betrieben. Wegschmeißen ist immer die letzte Option. Gerade bei der Verwertung von Fleisch muss es das Ziel sein, nach dem Prinzip "Nose to Tail", also Verwertung des ganzen Tieres, zu arbeiten. Wir müssen auch den Transportweg für die Tiere so gering wie möglich halten. Das sind wir Köche auch den Tieren schuldig, die dafür ihr Leben lassen müssen, dass wir sie respektvoll und ganzheitlich verwerten.

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Womit verbindest du im kulinarischen Sinn das Wort "Avantgarde"? Was überwiegt für dich dabei: Produkt | Geschmackliche Kombination | Präsentation?

Das ist auch für mich eine schwierige Frage. Das Wort an sich wird ja immer auch stark mit Spanien assoziiert, die dort u.a. von Ferran Adrià geprägt wurde. Um ehrlich zu sein, für mich ist die Avantgarde gar nicht mehr so wichtig. Wir wollen unsere Küche über tolle Produkte mit geschmacklicher Vielfalt entwickeln und auch optisch enorm ansprechende Teller zu gestalten. Kurz und gut, wir wollen eine Küche bieten, die für uns und vor allem auch für unsere Gäste stimmig ist.


Kochst du in deinen beiden Restaurants für die sogenannte High Society anders als den "normalen" Gast? Damit im Zusammenhang: Welchen Gast schätzt du am meisten? Zur Erläuterung: Damit sind keine konkreten Personen gemeint, sondern ihre Einstellung zum Essen ...

Ja, wir haben natürlich sehr wohlhabende und anspruchsvolle Gäste. Aber wenn wir da differenzieren würden, schießen wir uns sozusagen ins eigene Bein. Egal für wen, wir kochen so perfekt und präsentieren so gut wie möglich. Wir kochen für jeden Gast, ob er einmal oder öfter bei uns isst, gleichrmaßen gut. Sonst haben wir etwas falsch gemacht, meine ich.


Wie siehst du die Zukunft der Sterneküche, sind diesbezüglich neue Wege angesagt/notwendig?

Die Bandbreite der Angebote ist gegenwärtig so groß wie nie. Es ist diesbezüglich in der unmittelbaren Vergangenheit viel passiert. Dazu gehören tolle Casual Fine Dining-Konzepte ebenso wie regional-akzenturierte, moderne Konzepte, klassische französische Küche oder vegane Restaurants und PopUps. Was wirklich ein großes Problem ist, hängt mit den MItarbeitern zusammen. Hier müssen sich faire Arbeitsbedingungen und Löhne durchsetzen. Nur so kann man auch den dringend nötigen Nachwuchs gewinnen, der mit Liebe zum Beruf arbeitet.


Was sind die Lieblingsgerichte von Rolf Fliegauf als Privatmann?

Zu meinen absoluten kulinarischen Highlights gehört vor allem das vorzügliche Gulasch, das meine Oma immer zubereitet hat. Das ist mir immer im Herzen und auf der Zunge geblieben. Ansonsten esse ich sehr stimmungsabhängig. Im Tessin beispeilweise im Grotto eine gute Pasta oder Pizza, also durchaus verleichbar einfache Produkte. Dazu gehört auch Käse und ein gutes Glas Rotwein ebenso wie ein Fine Dining-Besuch. Alles in allem, ich liebe die kulinarische Vielfalt, die durch gute Produkte mit handwerklich guter Zubereitung verbunden ist.

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Das Menü im Ringhotel Friederikenhof:

Amuse: Marinierte und gebratene Jakobsmuschel | Tomate | Ajo Blanco | Basilikum

Tatar vom Angus Rind | geeiste Gänseleber | Rote Bete | Sisho

Gebratener Kaisergranat | eingelegter Kürbis | Limette | Krustentiersud

Geflämmter Swiss Alpine Lachs | Bergkartoffel | Fencel | Sauerkraut Beurre Blanc

Rosa gebratener Rehrücken mit Purple Corry | gebackene Haxenpraline | Petersilie | Brombeere

Creme von Milchschokolade | Sauerampfer | schwarze Johannisbeere


Mein (vorläufiges) geschmackliches Fazit: Rolf Fliegauf beweist auch in fremden Gefilden und unter erschwerten Bedingungen seine hohe kochende Meisterschaft. Er präsentiert ein Menü, das ganz seinem Anspruch an geschmackliche Vielfalt und Harmonie entspricht. Er spielt mit Aromen und Texturen in exzellenter Weise und überrascht mit fein abgerundeten, geschmacklich changierenden Kombinationen, denen es im Detail an dezenter "Würze" nicht fehlt. Seine Präsentation fokussiert sich auf die erstklassigen Produkte, die er persönlich aus der Schweiz "eingeflogen" hat. Seine Teller sind unprätentiös, aber optisch sehr anspruchsvoll in Szene gesetzt und beweisen vom ersten bis zum letzten Gang eine gut durchdachte Abfolge von, wie man heutzutage oft inflationär sagt, geschmacklichen "Explosionen".  Das lässt nach oben nicht mehr viel "Luft". Ich bin mir aber sicher, dass Fliegauf sich immer wieder zu neuen kulinarischen Höhenflügen aufschwingen wird.

  • 97.6%
    Max’ Geschmacks Quotient (MGQ)

Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf 
Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept

Kategorie: Restaurants - Oktober 2021

  • Angebot 97%
  • Geschmack 98%
  • Präsentation 98%
  • Preis-Leistung %
  • Service %
  • Ambiente %
  • Konzept %

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