Kreativer Genuss mit Tradition

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Restaurant "Genussbar" by Ronny Löser

Mönchsstraße 1 - 09599 Freiberg

www.genussbar-freiberg.de

Wenn ich noch vor einigen Jahren durch Freiberg gefahren bin, habe ich stets im „Le Bambou“ Halt gemacht. Denn über dieses, von Ronny Löser exzellent geführte, Restaurant habe ich auch in meinem Bildband „Kulinarische Entdeckungsreise durch Sachsen“ geschrieben. Heute gibt es das „Le Bambou“ nicht mehr. Die gute Nachricht aber ist: Es gibt ein Restaurant namens „Genussbar“, das den hoffnungsvollen Zusatz „by Ronny Löser“ trägt.


Also hat der umtriebige Weinkenner sein Metier nicht verlassen und haucht wieder einem Restaurant seinen guten Geist ein. Aber ich will nicht flunkern. Natürlich wusste ich, dass Löser seit 2018 das Restaurant im Hotel „Freyhof“ führt. Wir hatten schließlich, auch dank Facebook & Co. einen nie abgebrochenen Kontakt.

Das neue Domizil des Gastgebers Ronny Löser befindet sich im sogenannten Unterhof von Freiberg und hat eine bewegte Geschichte. Es befindet sich in einem früheren „Freihaus“, das von allen Steuern und Diensten befreit war. 1500 erstmals erwähnt, wurde es 1677 vom damaligen Freiberger Bürgermeister im frühbarocken Stil um- und ausgebaut, war Miet- und Armenhaus, zwischenzeitlich auch Bezirksgericht.


Zuletzt befanden sich in dem solitär stehenden Gebäude der städtische Kindergartens und -hort. Ab 2014 grundlegend saniert und umgebaut, ist es Domizil des Hotels „Freyhof“, in dem sich seit 2018 auch die „Genussbar“ befindet. Ich bin mir sicher, die Betreiber des familiengeführten Hotels haben längst erkannt, dass diese Kombination ein Glücksfall für ihr gastliches Haus ist.

Dank der historischen Bausubstanz präsentiert sich die „Genussbar“ im Untergeschoss des „Freihauses“ in einem architektonisch reizvollen Ambiente, das von Nischen, Pfeilern und Rundbogenelementen geprägt ist. Es spricht für sich und für den guten Geschmack von Löser und seinem Team, dass man darauf keinen historischen Kitschladen gestaltet hat.


Das Restaurant, das auch über einen separaten Raum für kleinere Gesellschaften verfügt, ist dezent in warmen Beige-Tönen gehalten, die mit geschmackvollen Accessoires wie ausgesuchten Bildern und  vorwiegend indirekter Beleuchtung korrespondieren. Nur im Lounge-Bereich hat man sich auch kontrastreiches Dunkelrot und Stilmöbel „getraut“.


Man sitzt trotz der Großräumigkeit des Restaurants mit dem eher schlichten Mobiliar überall auf keinem Präsentierteller. Das ist die Art von Gastlichkeit, wo ich gern Platz nehme. Und in den Sommermonaten lockt die großzügige Terrasse zu Verweilen und Genießen.

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Kulinarisch gesehen hat die „Genussbar“ aus meiner Sicht das Potenzial für das erste Haus am Platze. Wenn sie das nicht schon ist. Was ich in Freiberg kenne, wo mein Vater Anfang der 1950er Jahre mit seinem Freund Siegfried in der Gebietsparteischule der SDAG Wismut „Frauen, Wein und die führende Rolle der Arbeiterklasse“ studiert  haben, ist eher bodenständige regionale Küche. Einschließlich der „zugezogenen“ Küchenstile von  Italiener über Inder bis hin zu Griechen und Türken. Was kein Makel ist, sondern die gastgeberische Vielfalt der alten Bergstadt empfiehlt. Hier gibt’s sogar noch ein passables „Gastmahl des Meeres“.


Die „Genussbar“ aber ist für mich der kulinarische Kontrapunkt in dieser Palette. Hier wird mit hohem Anspruch und auf eben solchem Niveau gekocht und aufgetischt. Dabei erweisen sich Küchendirektor Karsten Schönfeld und Küchenchef René Hennig als kongeniales kulinarisches Duo, die für ihre Gäste zu jeder geschmacklich-kombinatorischen „Schandtat“ bereit sind. Die übersetze ich allerdings, damit man mich nicht falsch versteht, mit „Kreativität“.


Beide sind übrigens „Alt-Lasten“ aus dem „Le Bambou“. Was für Ronny Lösers „Näschen“ für gutes Personal als Grundlage für den Erfolg spricht. Der Chef bezeichnet Schönfeld übrigens „Lenker und Denker“  im kulinarischen Team, dessen Ideenvielfalt und Kochkunst keine Grenzen kennt. Hennig ist für ihn der „kochende Purist“ mit großer Leidenschaft für Exaktheit und Ordnung, der die Natur und ihre Produkte liebt. Ich meine: „Geschüttelt und gerührt“ kommen beide auf den gleichen Nenner und nehmen sich in kreativer Kochkunst nichts.  Jeder mit den ihm eigenen Stärken.


In gewohnter Weise wird in der „Genussbar“ eine lebendige, extrovertierte Küche praktiziert, deren originäre Handschrift man erkennen und schmecken kann. Geboten wird, so René Hennig im Interview, „klassische, moderne, regional-geprägte und von französischen Einflüssen geprägte Küche.“ Deren Palette reicht von geschmackvollen à la carte-Gerichten bis hin zu aufwendigen Überraschungsmenüs, die auch individuell auf den Gast ausgerichtet sind.

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Davon wollte und konnte ich mich überzeugen. Das Menü, das mir nach unserem Arbeitsgespräch aufgetischt wurde, bestand aus:


Verschiedene Baguettes mit gesalzener französischer Butter

Rosa Kalbsrücken | gegrillter Spargel | Garnele | Süßkartoffel

Enten-Miso | Wokgemüse | ShiiTake | Nudel | Wachtelei

Rosa Maibockkeule | Blumenkohlpüree | Kartoffelbaumkuchen | Cassisjus | junge Möhre

Geeiste Freiberger Eierscheckencreme | Erdbeer-Orangensalat | gebackene Strudelblätter


Mein Eindruck, den ich bei weiteren Besuchen noch verfestigen und präzisieren werde: Das Küchenteam hält, was es verspricht. Auf den Tellern herrscht, um nicht die Binsenweisheit vom Produkt als Star zu bemühen, eine Kombination aus kreativer Ordnung und Geschmack.

Bereits die Appetit anregenden Baguettes können in Zusammenarbeit mit einem Bäcker aus St. Michaelis bei Brand-Erbisdorf  zu einem geschmacklichen Alleinstellungsmerkmal werden. Die einzelnen Gänge erweisen sich als geschmacklich-kombinatorisches Potpourri von Produkten und Aromen, das die ganze Palette genusslicher Nuancen von süß bis fein-säuerlich abdeckt. Das eingesetzte Gemüse ist auf den Punkt gegart. Da schmeckt nichts labbrig, sondern knackig frisch. Auch der Einsatz von (Wild-) Kräutern ist ausgewogen und zeugt von Fähigkeit der Köche, ein durchgängig homogenes Geschmackserlebnis zu schaffen. Ich bin in dieser Hinsicht nämlich nicht gerade ein Freund von zu gegensätzlichen Gängen in einem Menü.


In die Menü-Komposition reiht sich die Misosuppe samt ihrer pikanten Zutaten trefflich ein. Max is(s)t schließlich bekennender Genussmensch für würzige Speisen. Wenn sie nicht zu sehr aus dem Rahmen des Menüs fallen. Ein geschmacklicher Höhepunkt war der Hauptgang. Der Maibock für meinen Geschmack auf den Punkt gegart, die Soße eine erstklassige Ergänzung, und mit den übrigen Zutaten, darunter dem sehr guten Kartoffelbaumkuchen, meisterlich  abgerundet. Obwohl ich sonst kein kulinarischer „Süßhahn“ bin: Auch das Dessert war ein Fest für den Gaumen. Obwohl ich mir das gedanklich angesichts der Kombi von Erdbeere und Orange eher anders, „quiekiger“ (wie der „gemeine“ Sachse sagt), vorgestellt hatte.


Auch die „Anrichte“ trifft ganz meinen individuellen Geschmack. Die Teller sind wohltuend unprätentiös aufgebaut. Man sieht, was man ist. Da gibt’s kein Türmchenbauen oder übertriebene Pinselstriche. Die eine Hochkant-Möhre bei  Hauptgang und die etwas künstlerische Handschrift auf dem Dessert trüben diese Einschätzung durchaus nicht.

Fazit: Auch mit dem Blick auf die aktuelle und frühere Speisekarten der „Genussbar“ kann man sich immer auf die kulinarischen Ideen der beiden Küchenchefs freuen. Die trauen sich einiges, was der „Szene“ in der Region sehr zugute kommen wird. Beim nächsten Mal stelle ich mir ein Menü selbst zusammen oder gönne mir eines der 3- oder 4-Gang-Überraschungs-Menüs zum günstigen Preis. Das hat durchaus auch Potenzial für einen Bib Gourmand.


Ich komme wieder. Das ist ebenso keine Drohung wie die Ansage von Ronny Löser, dass er die Weinkarte schrittweise auf 250 edle Tropfen aufstocken wird. Auch darauf freue ich mich schon sehr. Einen etwas besucherfreundlicheren Anspruch könnte die Website des Restaurants vertragen. Vor allem redaktionell und in Details der Getaltung sehe ich hier Reserven. Aber das wird schon. Da helfe ich bei Bedarf auch gern.


Der einzige Unterschied zwischen meinem Freund Ronny und mir wird bleiben: Er ist Anhänger von Dynamo Dresden, ich von Wismut/Erzgebirge Aue. Das verzeihe ich ihm angesichts seiner vorzüglichen Angebote aus Küche und Keller. Und so bleibt auch genügend Anlass für virtuelle „Kabbeleien“ über Facebook. In diesem Sinne: Wismut vor, noch ein Tooor…

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  • 96.3%
    Max’ Geschmacks Quotient (MGQ)

Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf 
Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept

Kategorie: Restaurants - Juni 2019

  • Angebot 95%
  • Geschmack 96%
  • Präsentation 95%
  • Preis-Leistung 95%
  • Service 98%
  • Ambiente 98%
  • Konzept 97%

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