Mika Drouin, Jahrgang 1974 in der Normandie, in einer Beziehung lebend, eine Tochter.
Der im französischen Mont-Saint-Aignan geborene Koch hat seine Ausbildung an einer französischen Kochschule in Baden-Baden abgelegt, die er als Bachelor abschloss. Es folgten Anstellungen im renommierten Häusern im In- und Ausland, beispielsweise in Marokko, auf Mallorca und in Hamburg. Eher durch Zufall kam er 2016 in die Prignitz und entschloss sich spontan, das seinerzeit geschlossene Kranhaus in Wittenberge zu übernehmen, das er seither gemeinsam mit Lebensgefährtin Natascha führt.
Wie beschreiben Sie Ihre kulinarische "Philosophie"?
Die ist eher intuitiv geprägt. Ich setze oft spontan um, was ich auf Reisen oder während meiner Auslandsaufenthalte kennengelernt habe und kreativ weiterentwickeln möchte.
Heißt das, Sie haben eigentlich keinen kulinarischen „Plan“?
Natürlich nicht. Ich habe einen roten Faden, der sich durch meine Küche zieht. Das ist die asiatische Note, die ich aber durch aus noch im Stadium des Anrichtens um ein oder zwei Komponenten erweitere. Der Grund dafür ist einfach: Mir wird oft genau in diesem Moment klar, dass eine bestimmte Note das Ganze geschmacklich-kombinatorisch wunderbar ergänzt.
Bringt das nicht den Service manchmal arg ins Schwitzen?
Ja, das ist wohl so. Meine Partnerin treiben solche spontanen kulinarischen Gefühlsausbrüche manchmal fast in den Wahnsinn. Aber sie meistert diese Herausforderung stets mit Bravour und beschreibt und erklärt dem Gast am Tisch mit viel Charme, was den Teller in seinem Innersten ausmacht.
Beschreiben Sie Ihr kulinarisches Angebot in einem Satz?
Gelernt habe ich die klassische französische Küche. Die interpretiere und komponiere ich mit Einflüssen klassischer internationaler Küche. Dabei vor allem der asiatischen, aber auch der typisch mediterranen Küche.
Wie wichtig ist Ihnen traditionelle Küche?
Und das fragen Sie einen Franzosen? Die traditionelle französische Küche dient mir stets als Basis für meine Kreationen.
Wie weit folgen Sie kulinarischen Trends?
Wenn ich ehrlich bin, folge ich keinen Trends. Weil: Das würde mich „gefühlt“ einschränken und dann eventuell nicht zu meinem Konzept passen.
Über welche Werte definieren Sie Ihre Küche?
Das Handwerk ist ebenso essentieller Bestandteil, wie frische und hochwertige Produkte sowie eine gleichbleibende ausgezeichnete Qualität der kulinarischen Umsetzung. Das ist ein eherner Anspruch für mich.
Verstehen Sie sich als Koch eher als Künstler oder als Handwerker?
Eher als Künstler, das geht aber nur, wenn man sein Handwerk beherrscht.
Worin wollen Sie sich mit Ihrer Küche im kulinarischen Umfeld unterscheiden?
In der Region stellt meine Küche sicher ein „Alleinstellungsmerkmal“ dar. Aber im Sinn von bewusst unterscheiden schaue ich nicht auf andere und kopiere auch niemanden.
Woraus schöpft Mika seine kulinarischen Ideen?
Hauptsächlich aus meinen Reisen, bevorzugt nach Asien und Spanien. Außerdem lese ich viel. Manchmal träume ich sogar, wie ich Gerichte entwickeln und zusammenstellen kann. Insgesamt, das habe ich schon angemerkt, hat meine Küche eine starke intuitive Seite.
Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Speisen?
Hauptsächlich nach den eingesetzten Produkten und natürlich auch nach dem Preis. Denn die Kalkulation muss ja auch passen und dem Gast muss ein stimmiges Preis-Leistungs-Verhältnis geboten werden.
Inwieweit räumen Sie dem Gast ein, (s)ein Menü zusammenstellen?
Unser Menü kann man von vier bis sieben Gängen recht individuell bestellen. Aber kann man auch auf drei Gänge reduzieren. Und die Bistro-Küche am Mittag bietet darüber hinaus weitere Möglichkeiten, abwechslungsreich und schmackhaft zu essen.
Legen Sie sich bei der Entwicklung der Menüs Beschränkungen finanzieller Art auf?
Ja, das muss ich. Manchmal zu meinem Leidwesen. In der Regel reiße ich mich diesbezüglich zusammen, aber wenn ich eine besondere Idee habe, kaufe ich auch durchaus auch mal teurer als üblich ein. Außerdem gibt es ja mit meiner Partnerin die gute Seele im Hintergrund, die mir stets prüfend auf die Finger schaut und dann im Bedarfsfall Veto einlegt.
Kommt Ihre Küche ohne "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?
Verstärker benutze ich nicht und bereite beispielsweise Fonds selbst zu. Convenience ist eine Frage der Definition. Soja- oder eine Oystersoße kaufe ich natürlich dazu. Dann aber nur in sehr guter Qualität, die ich im Detail modifiziert verfeinere.
Woher beziehen Sie Ihre Produkte?
Von Großlieferanten aus Deutschland, die spezielle Angebote aus aller Welt bieten. Einiges wie Gewürze bringe ich auch von meinen Reisen mit.
Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?
Ich arbeite zurzeit mit keinen regionalen Erzeugern oder Anbietern zusammen. Es ist mir jedoch ein Anliegen, künftig auch Produkte aus der Region zu verwerten.
Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Im Kontext zu meiner kulinarischen Ausrichtung, ist das entsprechende Angebot nicht allzu groß ist. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass regionales Fleisch wie Lamm sowie Käse und Gemüse schon in unsere Gerichte einbezogen werden könnten. Ich werde entsprechende Kontakte suchen. Dann werden wir sehen, inwieweit das für uns interessant ist.
Ist es undenkbar, Ihre Küche auch mit regionalen Besonderheiten wie Knieperkohl zu kombinieren?
An solche fast provokanten geschmacklichen Möglichkeiten habe ich bisher ehrlicherweise noch gar nicht gedacht. Aber wie sagt man so schön: Nichts ist unmöglich. Eine Kombination solcher Dinge mit leicht asiatischen Nuancen halte ich für geschmacklich spannend. Ich werde mal in mich gehen…
Was gehört für Sie zur Gourmetküche?
Ich nenne mal weitgehend Stichpunkte: Ein gutes Produkt, handwerkliches Können, kreative Zusammenstellung der Gerichte und eine gleichbleibend gute Qualität.
Definieren Sie sich demzufolge über diesen Begriff?
Wenn man das als Kriterien für Gourmetküche ansetzt, dann ja. Allerdings kann man dem „Kind“ auch andere Namen geben. Beispielsweise Feinschmecker-Küche, Fine Dining oder gehobene Küche… Das entspricht vielleicht sogar mehr dem, was dem kulinarischen Zeitgeist entspricht.
Gibt es für Sie einen Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmet-Küche?
Einen solchen Weg praktizieren wir ja mit unserem Angebot. Unserer Bistrokarte bietet für Mittag anspruchsvolle klassische Gerichte a la carte, am Abend wird mit dem Menü in Richtung Fine Dining aufgetischt.
Heißt das, dass am Mittag weniger anspruchsvoll gekocht wird?
Keineswegs. Die Qualität hat in jedem Fall Priorität. Am Mittag wird allenfalls weniger aufwendig, aber nicht weniger schmackhaft, vielleicht mit weniger Komponenten auf dem Teller gekocht.
Wo liegen geschmacklich-kombinatorische Grenzen, die Sie dem Gast auf dem Teller zumuten?
Ich stehe für den Grandsatz, dass Weniger mehr ist. Soll heißen, ich bringe nicht zu viele Geschmacksnuancen auf den Teller. Der Gast darf nicht überfordert sein, sondern muss verstehen, was ihm serviert wird.
Darf man den Gast kulinarisch „erziehen“? Soll heißen: Inwieweit beraten und empfehlen Sie?
Ich meine, man sollte den Gast weitestmöglich beraten und ihm so ein Gefühl von Vertrauen in die Küche zu geben.
Heißt dass, dass Sie gegebenenfalls von bestimmten geschmacklichen Kombinationen abraten würden?
Nein, das heißt es nicht. Wir versuchen dem Gast zu vermitteln, wie das Gericht schmeckt, dass es auf das Zusammenspiel ankommt und was wir uns bei eben diesen Kombinationen gedacht haben. Wir haben durchaus Gäste, die bestimmte Komponenten nicht mögen, allerdings in der Kombination begeistert waren.
Was ist für Sie ein Spitzenkoch?
Das ist einer, der mit Leidenschaft und Liebe sein Handwerk kreativ umsetzt.
Ist für einen Spitzenkoch der Stern das Muss?
Nein. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Hand aufs Herz: Ist ein Stern ein Ziel Ihres kulinarischen Schaffens?
Ja, denn er wäre für mich eine besondere Anerkennung meiner Küche.
Soll auch heißen: Wie wichtig ist Ihnen der Bib Gourmand als „kleiner Stern“?
Sehr wichtig, er ist mein kleiner persönlicher Erfolg und (m)eine Visitenkarte für gute Arbeit.
Was bieten Sie dem Gast im Laufe des Jahres an kulinarischen Veranstaltungen?
Dazu gehören Gourmetbrunch ebenso wie monatliche Tapasabende.
Da ist wieder der Gourmet-Begriff, schreckt das den potenziellen Gast nicht eher ab?
Manche sicherlich, aber die würden so oder so nicht zu uns kommen. Der Gourmetbrunch ist bei uns erfreulicherweise sehr gut angenommen worden und immer sehr gut gebucht.
Apropos Gäste: Wie setzt sich Ihre Klientel zusammen, wie kommt man außer durch zu Zufall zu Mika?
Es ist vor allem so, dass sich unsere Küche durch Mundpropaganda herumspricht. Wer einmal hier war und einen ebenso angenehmen wie genussvollen Abend verlebt hat, wird das gern weitersagen. Das ist auch die beste Wertschätzung unserer Arbeit.
Es gibt aber auch Gäste, die uns wegen den Bewertungen von Restaurantführen wie Guide Michelin oder Empfehlungen beispielsweise im Feinschmecker besuchen. Es gibt auch Gäste, die zu uns gekommen sind, da sie sich die Bewertungen auf Tripadvisor, Google oder Facebook angesehen haben.
Sollte man solchen, oft anonymen virtuellen Gästebewertungen nicht eher skeptisch gegenüberstehen?
Wir wissen um die Tücken solcher Einschätzungen, gehen aber einigermaßen gelassen damit um. Wer letztendlich zu uns findet, kann sich persönlich von Haus und Küche überzeugen. Und wir haben inzwischen auch auf diesem Weg sehr nette Stammgäste aus Wittenberge, aus der Region und sogar darüber hinaus bis Berlin und Hamburg gewonnen, die regelmäßig bei uns einkehren, weil Sie einfach gerne gut essen.
Nachgefragt: Was halten Sie von der aktuellen Flut von Kochsendungen aller Couleur?
Für mich gibt es zu viele davon. Einige sind ganz interessant und auch amüsant gemacht. Allerdings zeigt sich dadurch auch des Öfteren das Phänomen, dass einige der Meinung sind „Gourmet-Hobbyköche“ zu sein und es „besser wissen zu wollen“.
Welche deutschen oder internationalen Köche sind für Sie eine Art Vorbild?
Im eigentlichen Sinne habe ich kein Vorbild. Früher war es sicherlich Paul Bocuse und heute sind es Typen, wie Björn Franzen oder Tim Raue, die mich inspirieren.
Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?
Ein Stern wäre schon nicht zu verachten. Aber ich möchte mich auch irgendwann etwas aus der Küche zurücknehmen können, so dass ich mich mehr auf mein Privatleben und meine privaten Wünsche konzentrieren kann.
Haben Sie Hobbys?
Insofern es mein Beruf zulässt, reise ich gern. Ich spiele auch Gitarre und fahre gern Motorrad, weil das den Kopf frei macht.
Spielt Kulinarik auch in der Freizeit eine Rolle?
Klar gehen wir gern und gut essen. Wenn ich von dem Essen begeistert bin, entstehen Ideen in meinem Kopf auch neue Ideen für mein Restaurant. Aber dabei kopiere ich nicht. Es entsteht dann ein neues kulinarisches Arrangement.