Lukas Imseng, Jahrgang 1961, geboren in Saas-Fee im Schweizer Kanton Wallis, in einer Beziehung lebend
Er erlernte ab 1977 den Beruf des Bäckers und Konditors, arbeitete in der bekannten Bäckerei Kleiner und in den Confiserien Honold und Sprüngli in Zürich. Später ging er einige Zeit nach London und absolvierte eine Zusatzlehre als Confiseur. 1992 übernahm er die elterliche Bäckerei in Saas-Fee, die ein Jahr später vollständig abgerissen und an gleicher Stelle eine neue Bäckerei mit angeschlossenem Hotel errichtet wurde. Es ist die einzige Bäckerei in der Schweiz, zu der auch ein Hotel gehört.
Scherzhaft gefragt: Wer wurde zuerst geschaffen, der Bäcker oder der Koch?
Ganz einfach, der Bäcker, weil der dem Koch Brot bringt, damit der kochen und essen kann.
…und warum sind Sie dann Bäcker und nicht Koch geworden?
Weil ich dem Koch da essen voraus habe. Fazit: Ohne Bäcker, kein Brot. Ohne Brot kein Koch.
Mein Vater hat in Königsberg Bäcker und Konditor gelernt und mit dem „Konditor“ besonders angegeben. Ist das die Königsdisziplin im Bäckerhandwerk?
Das ist eine Frage der Einstellung. Sicher ist dem Konditor eine besondere Kreativität zu eigen, die auch dem Kunden sichtbar wird. Aber letztlich machen beide Beruf die Fähigkeit aus, wie man die Zutaten am besten verarbeiten.
Ernsthaft gefragt: Wurde Ihnen der Bäckerberuf sozusagen in die Wiege gelegt.
Genau genommen war es so, denn der Vater war ja als Bäckermeister allgegenwärtig und ich war oft bei ihm in der Backstube. Er hat aber nicht darauf gedrungen, dass ich diesen Beruf ergreife.
Haben Sie auch mit anderen Berufen geliebäugelt?
Nein, ich wollte sozusagen in seine Fußstapfen treten. Wir waren immerhin fünf Geschwister, keine/r davon wollte Bäcker werden. Ich habe die Herausforderung angenommen.
Zur Sache selbst: An welchen Kriterien machen Sie Brot- und Backkultur fest?
Das ist für mich vor allem auch eine Frage der Wahrung von Traditionen und der Einsatz regionaler Zutaten, damit die Region auch geschmacklich ihre Identität bewahrt.
Brot hat eine lange Geschichte. Welche Prioritäten setzen Sie diesbezüglich an Auswahl des Mehls, Teigführung und Vielfalt der Sorten?
Das Mehl beziehe ich selbstverständlich nur von einem Müller aus der Region. Ich nehme beispielsweise aus dem Teig für das Roggenbrot immer den Kern heraus und lasse die Bakterien weiterreifen. Und mein Teig muss lange gehen. Ich lege bei meinen Broten Wert auf „Biss“, wenn Sie wissen, was ich damit sagen will. Und bei Dinkel verwende ich wegen der Nährstoffe nur das Urdinkel. Das sind ausschließlich alte Dinkelsorten, die nicht mir modernem Weizen gekreuzt werden.
Soll auch heißen: Sind Sie eher ein Vertreter traditioneller Brotsorten?
Ja, natürlich. Ich backe mein Brot nach den Kriterien der AOP. Das ist eine Art Gütesiegel für die Originalität eines Produktes. Die Zutaten für das Walliser Roggenbrot, mindestens 90 Prozent Roggen, zehn Prozent Weizen, beispielsweise müssen im Kanton Wallis angebaut, gemahlen und auch dort gebacken sein.
Was halten Sie von den inflationären Angeboten diverser Bäckereiketten, die mit „richtigem“ Backen eigentlich nichts mehr zu tun haben?
Ich sage es mal bewusst pointiert: Das ist eine Verarsche der Kunden, denn die wirklich Zutaten solcher Produkte bleiben eher im Dunkeln. Es wird nur mit einzelnen davon Werbung gemacht und sich dabei auch noch der Argumentation der regionalen Bäcker bedient. Ganz abgesehen von den Dumpingpreisen, die uns vom Markt drängen sollen.
Auch diverse Backmischungen haben nach Ansicht vieler Bäcker nichts mehr mit gesunder, verdauungsfördernder Ernährung zu tun. Wie stehen Sie zu dieser These?
Erstens sind solche Mischungen meist vergleichbar sehr teuer. Man will schließlich an allen Zutaten verdienen. Und man hat beim Backen keinen Einfluss mehr auf die Zusammensetzung. Da kommt man schon auf den Gedanken von Mogelpackungen.
…und was ist Ihre Antwort darauf bzw. Ihr Appell an die Verbraucher…?
Die Botschaft ist einfach: Das regionale Handwerk darf nicht sterben. Denn das ist ein wichtiger Teil regionaler Identität und die Grundlage für den Erhalt traditioneller Berufe. Man führe sich mal vor Augen: Beim Bäcker ist jedes Brot ein Unikat. Das muss in die Köpfe der Kunden.
Suchen Sie sich übrigens auch regionale Mehlerzeuger aus und mit welchen regionalen Produzenten arbeiten Sie zusammen?
Dazu hatte ich ja schon etwas gesagt. Das Mehl beziehen wir ausschließlich aus der Region. Auch andere Zutaten wie Milch, Butter und Eier sind Walliser Produkte. Das dürfte in unserem Handwerk auch in an anderen Regionen nicht anders sein.
Was bietet Ihre Bäckerei außer gutem Brot noch…?
De gesamte Palette, die der Kunden schätzt: Täglich frisches Brot und Brötchen, Kuchen, Konditoreiwaren und Torten, beispielsweise die Walliser Nusstorte, Kleingebäck und Confiserie-Erzeugnisse.
In diesem Zusammenhang: In welcher Kombination mit anderen Produkten wie Fleisch, Gemüse usw. essen Sie Brot und andere Backwaren am liebsten?
Auch in dieser Beziehung bin ich recht bodenständig. Auf mein Brot kommen Wurst, Schinken und Käse ebenso wie schmackhafte Marmeladen. Auch die Gäste unseres Hauses können diese Dinge probieren.
Soll auch heißen: Wie viel kulinarische Vielfalt bietet Ihr Tea-Room noch?
Neben der Bäckerei-Ware bieten wird verschiedene Kaffee-Sorten, diverse Getränke und sogar unser hauseigenes Gletscherbier an.
Apropos Tea-Room: Haben Sie bei Ihrer wortbildenden Kreativität keinen bodenständigeren Namen gefunden?
Sie werden sich denken können, dass es mir dazu an Ideen nicht mangeln würde. Aber das hat historische Wurzeln. Nach dem Krieg waren die Engländer hier. Und die „fuhren“ eben auf den Begriff „Tea-Room“ ab.
Können Sie sich vorstellen, in Ihrem Haus auch ein vertieftes Angebot in Verbindung von Bäckerei und Kulinarik, also traditionellen Gerichten, anzubieten?
Unser Kerngeschäft ist und bleibt die Bäckerei. Aber wir bieten auch Salate und Suppen an. Gern bestellt wird auch unser Walliser Fleischteller mit einer Auswahl an Walliser Trockenfleisch, Speck und Wurstwaren.
Soll auch heißen: Holen Sie sich nicht mal einen Koch mit ins Boot und rocken Saas- Fee auf ganz eigene kreative kulinarische Art? Muss ja kein Gourmet-Restaurant sein…
Guter Gedanke, es bleibt aber bei unserem Ansatz hinsichtlich des Angebots. Aber wir probieren uns schon immer mal an etwas anderem aus, das die kulinarische Palette ergänzt oder erweitert.
Überhaupt, spielen Sie manchmal mit der Hintergedanken, wie man Ihre Produkte in Gerichte wie „Fleisch im Brotteig…“ in Szene setzen kann?
Wenn das von den Kunden gewünscht ist, machen wir vieles möglich. Und das Thema „Brot zum Fleisch“ hatten wir ja schon angesprochen.
Sie bezeichnen Ihr Haus aus Erlebnis-Bäckereihotel: Zerlegen Sie diesen Begriff bitte doch einmal in seine Bestandteile…
Das Erlebnis in unserem Haus beginnt schon mit dem irren Duft aus der Backstube. Außerdem biete ich Kinderbacken, Roggenbrotkurse und die Anleitung zur Herstellung von Zöpfen an.
Stichwort Bäckerei-Museum: Was bedeutet Ihnen dieses Hobby? Ist der mehr als ein Leben nach der Devise: Wer angibt, hat mehr vom Leben…?
Das hat mit Angeben nichts zu tun. Das ist ein Teil meines Lebens und der Erinnerungen daran. Und es sind Sachzeugen langer Traditionen des Bäckereihandwerks.
Hinterfragt: Wen wollen Sie mit diesem kleinen Museum erreichen?
Ich möchte das Verständnis für unseren Beruf schärfen und auf eben die damit verbundenen Traditionen aufmerksam machen. Das weckt übrigens auch bei den Besuchern Erinnerungen und ist zum größten Teil auch gelebte Geschichte unseres Hauses.
Stichwort Globi: Wie verträgt sich dieser, scherzhaft ausgedrückte, Größenwahn, sich als „gemeiner Bäcker“ mit begrenzter Freizeit auch noch als Autor für Backbücher zu betätigen?
Die Kultfigur Globi kennt in der Schweiz jeder. Warum soll ich sie nicht auch in die Bäckerei-Ecke setzen, um Essenskultur zu bewahren, damit Identität zu schaffen und schon Kinder für den Umgang mit Lebensmitteln zu sensibilisieren.
Darf ich also davon ausgehen, dass Sie mit den Globi-Büchern den nachrückenden Generation das Verständnis für „natürliche“ Ernährung und Werte vermitteln wollen?
Danke, das hätte ich nicht besser sagen können…
Sie brauen auch Ihr eigenes Süppchen, sprich: Bierchen. Welcher Teufel hat Sie diesbezüglich geritten?
Die über 1.000 Kleinbrauereien in der Schweiz setzen damit einen Gegenpol zu den großen Bierkonzernen. Wir wollen damit ein Stückchen Heimat erlebbar und trinkbar machen. Dazu wollte ich als passionierter Biertrinker einen kleinen Beitrag leisten.
In allen diesen Funktionen: Wie erleben sie Ihre Mitarbeiter: Als Patron, Hotelier, Bäcker, bäckereitechnischer Historiker, Brauer, Buchautor…?
Ich bin einfach Lukas Imseng und verkörpere eine bestimmte Lebensweise und -philosophie. Außerdem ist es gar nicht übel, wenn man überall mitreden und sich einbringen kann…
...besser: Müssen Sie nicht manchmal zugeben, dass Sie auf zu vielen Hochzeiten tanzen, sich verzetteln?
Sagen wir es mal so: Manchmal muss man(n) sich straffen. Aber letztlich wird alles passend gemacht.
Abschließend: Sie haben doch sicher schon neue Ideen, womit Sie die Berg-Welt verrückt machen können. Also: Hand auf’s Herz…
Eben ist mein mein neues Globi-Backbuch erschienen. Für 2020 plane ich ein Backbuch mit Weihnachtsrezepten. Und wer weiß, was mir noch so alles in den Sinn kommt.
Wie halten Sie das mit den Ideen an sich?
Man muss nur mit offenen Augen durch die Welt gehen. In diesem Sinne bin ich ein Weltenbummler, der sich Ideen holt, aber nicht kopiert.
Hat Lukas Imseng eine Art Lebensmotto?
Der Schriftsteller Carl Zuckmayer, der seit 1957 bis zu seinem Tode 1977 in Saas-Fee wohnte und arbeitete, hat seine Autobiografie „Als wär’s ein Stück von mir…“ genannt. In diesem Sinne möchte ich auch, dass der Welt ein Stück von mir erhalten bleibt.