Im Interview: Salvatore Fontanazza, ein Maler guten Geschmacks…

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Salvatore Fontanazza

Salvatore Fontanazza, Jahrgang 1963, geboren in Piazza Armerina/Italien, verheiratet, ein Sohn Leonardo.


Stationen seines Wirkens als Koch waren in der Schweiz und in Belgien. Bis 2016 hatte er gemeinsam mit seiner Frau Iva zehn Jahre ein Hotel in Cochem an der Mosel gepachtet und als Küchenchef gewirkt. Ab Mai 2017 hat das Ehepaaar das Hotel Katerberg in Lüchow übernommen, aufwendig erweitert  und dort das Gourmet-Restaurant "Field" eröffnet.

Wovon oder durch wen wurde Ihr Weg zum Koch geprägt?

Sie werden es nicht glauben: Durch meinen Vater. Der war zwar kein gelernter Koch, hat aber sehr schmackhaft und kreativ für die Familie gekocht.


Sie haben also nicht ihrer Mutter, sondern dem Vater in die Kochtöpfe geschaut?

Ja, das kann man so sagen. Ich habe bereits als Kind immer versucht, hinter die Geheimnisse des Kochens zu kommen. Ich erinnere mich noch oft an eine Episode als ich mit meinem Vater zum Entsetzen der Familie einen riesigen Kalbskopf zu einer schmackhaften Sülze verarbeitet habe.


Und wie sind Sie zum berufsmäßigen Kochen gekommen?

Erst einmal habe ich, wie man so schön sagt, einen richtigen Beruf gelernt und wurde Elektromechaniker. Später habe ich auch als Kellner gearbeitet und mir dabei viel gastronomisches, aber auch kulinarisches Wissen angeeignet. Ich wusste immer sehr gut Bescheid, was ich dem Gast servierte und konnte das gut erklären.


Da sind wir aber immer noch nicht beim Koch...

Aber fast. Ich habe dann als Kellner in einem Restaurant gearbeitet, in dem mein jüngerer Bruder Koch war. Wir haben das Restaurant schließlich zusammen betrieben. Und, wie es in Familien manchmal vorkommt, es kam zum Streit zwischen den Brüdern. Wir gingen fortan getrennte berufliche Wege. Ich habe schließlich die Rolle des Kochs übernommen und zur Freude der Gäste ganz nach meinem Gusto gekocht.

Wie beschreiben Sie Ihre kulinarische "Philosophie"?

Ich versuche, die Zutaten meines Geschmacks handwerklich gut zu verarbeiten, raffiniert zu kombinieren  und kreativ in Szene zu setzen. Mein Anliegen ist es, den Gästen so zu zeigen, dass mir Kochen Spaß macht.


Hat sich dieser kulinarische Ansatz im Laufe der Jahre verändert?

Ja, ich habe eine Entwicklung vom klassischen Koch zum Gourmet-Koch genommen und bin immer auf der Suche nach neuen kulinarischen Herausforderungen.


Ist das nicht eigentlich eine ganz normale Entwicklung?

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich will damit nur sagen, dass ich mich an meinen Zielen messe, die sich im Laufe der Jahre in Richtung Gourmet-Anspruch bewegt haben. Demzufolge habe ich die kulinarischen Aufgaben stets neu definiert und versucht, sie auf eine höhere Stufe zu stellen. Insofern hat sich auch meine Küche verändert. Ich war nie ein Mann der „Mitte“ im Sinne von „Durchschnitt“. Das wird auch so bleiben.


Richten Sie sich nach Küchentrends, oder ziehen Sie Ihre Art des Kochens durch?

Kurz und bündig: Ich habe meine eigene Linie, meinen eigenen Stil. Aber ich lasse mich auch sehr gern inspirieren, ohne zu kopieren.


Wie beschreiben Sie das kulinarische Angebot Ihres Restaurants in einem Satz?

Wir bieten das, was man neudeutsch „Casual Fine Dining“, also zwanglosen Genuss, nennt. Bei unseren beiden Menüs fokussieren wir uns auf die Speisen, die mit besten Zutaten kreativ zubereitet werden. Dabei setzen wir auf eine lockere, ungezwungene Atmosphäre und Gäste, die anspruchsvolle Küche schätzen.

Wie wichtig ist Ihnen traditionelle Küche, egal, aus welchem Land?

Das ist sehr wichtig für mich und die Grundlage aller meiner Rezepte. Es kommt eben „nur“ darauf an, diese Küche weiterzuentwickeln.


Wie kommt man als gastronomisch orientierte Familie ins Wendland?

Wir wollten schon lange ein eigenes Hotel mit Restaurant. Dazu sind wir durch ganz Deutschland gereist. In Lüchow hat mit dem „Katerberg“ einfach alles gepasst. Hier können wir unsere Vorstellungen in gastgeberischer und kulinarischer Hinsicht nahezu perfekt umsetzen.


Welche Bedeutung hat der Restaurant-Name "Field"?

Field, das Feld, ist der Ursprung der meisten Produkte unserer Nahrung. Das ist auch eine Reverenz an die Natur an sich und soll den Bezug zu ursprünglicher Bodenständigkeit herstellen.


Was zeichnet Ihre Küche im kulinarisch weitläufigen regionalen Umfeld aus?

 Ich denke, unser kulinarisches Angebot zeichnet sich durch die Qualität der eingesetzten Produkte, die Art der Zubereitung und die anspruchsvolle Präsentation aus. Das setzt aus meiner Sicht ein gewisses Alleinstellungsmerkmal.


Anders gefragt: Worin wollen Sie sich kulinarisch bewusst unterscheiden?

Unterscheiden ist nicht das treffende Wort. Ich vergleiche mich auch nicht mit den Mitbewerbern, indem ich auf deren Küche achte oder eingehe. Wir kochen das, was uns Spaß macht. Jeder soll kochen, was er am besten kann und wofür sein Haus kulinarisch steht.

Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Gerichte?

Meine Menüs stelle ich nach saisonalen Angeboten und mit dazu geschmacklich-kombinatorisch korrespondierenden Zutaten zusammen.


Setzen Sie sich diesbezüglich monetäre Grenzen?

Nein, der Preis spielt dabei keine große Rolle. Für den Gast muss es passen. Kalkulatorisch ist es eine Frage meiner Fähigkeit, mit den Zutaten im besten Sinne des Wortes zu rechnen. Vorrang haben auf jeden Fall Qualität und Kreativität auf dem Teller. Ich verarbeite hochwertige Produkte. Das muss man nicht automatisch mit „teuer“ übersetzen. Obwohl alles natürlich seinen Preis hat.


Woher beziehen Sie die regionalen Anteile für Ihre Küche?

Unser Restaurant ist gerade ein Jahr geöffnet. Ich suche noch nach Produzenten meines Vertrauens. Eine konkrete Zusammenarbeit besteht bereits mit Jägern aus der Region und der Hofmeierei Jeetzel.

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Hinterfragt: Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern überhaupt?

Es entspricht dem Anspruch an meine Küche, möglichst viele Produkte aus der Region zu beziehen und beispielsweise mit mediterranen Zutaten wie Fisch, Krustentiere und mediterranem Gemüse in Szene zu setzen. Gerade diese Kombination reizt mich. Deshalb werde ich weiter nach passenden Kooperationspartnern suchen.


Wo liegen diesbezüglich noch die Reserven?

Das Problem sind die Mengen und die Regelmäßigkeit der Lieferung durch regionale Erzeuger. Für mich stehen  überschaubare Liefermengen und die Qualität der Produkte im Vordergrund. Der Reiz besteht diesbezüglich für auch darin, beispielsweise bei Wild eine ganzheitliche Verwertung umzusetzen.


Zielen Sie auf eine spezielle Gäste-Klientel ab, oder wen wollen Sie als Gast erreichen?

Grundsätzlich ist natürlich jeder willkommen. Aber mir ist wichtig, dass ich Gäste erreiche, die gehobene Küche zu schätzen wissen und Essen als Erlebnis wahrnehmen. Das kann aber natürlich auch ein gewisser Prozess sein. Der Gast muss Produkt und Küche gleichermaßen verstehen.


Das wäre meine nächste Frage gewesen: Gibt s im Wendland genügend Gäste für anspruchsvolle Küche?


Sagen wir es mal so: Es gibt diesbezüglich durchaus Reserven. Ich setze aber darauf, dass wir noch viele neue Gäste aus der Region gewinnen, die auf den Geschmack für kulinarisch Neues kommen möchten. Durch den Hotelbetrieb haben wir aber Möglichkeit, Feinschmecker aus ganzem Deutschland für unsere Küche zu begeistern. Damit setzen wir auch Akzente für die Attraktivität der Region.

Inwieweit sollte man dem Gast geschmacklich lenken und für gutes Essen sensibilisieren?

Nur soweit, wie der Gast bereit ist. Empfehlen ja, aufdrängen nein. Jeder soll nach seinem Geschmack glücklich werden.


Verstehen Sie sich als Koch eher als Künstler oder als Handwerker?

Eher als Künstler. Meine Frau, die auch mein größter Kritiker ist, sagt, dass ich sozusagen ein Picasso es Geschmack bin und kulinarische Bilder zeichne. Da übertreibt sie natürlich aus Liebe…


Warum habe ich das vermutet...? Diese Antwort ist in der Branche aber eher selten…

Vielleicht, weil Sie ein wenig meine kochende Mentalität erkannt haben.  Ich weiß natürlich, dass das Handwerk die Grundlage ist. Das setze ich also stillschweigend voraus. Für mich aber überwiegt in der Umsetzung meiner kulinarischen Philosophie der kreative Ansatz.


Sind Sie ein Freund aufwendiger "Inszenierung" auf dem Teller?

Es soll alles ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Wir sind aber nur 4 Personen in Küche und müssen unsere Präsentation anpassen.


Moment mal: Ist Präsentation, also Anrichten, für Sie eine Frage der Anzahl der Küchenarbeiter?

Nein, natürlich nicht. Aber für bestimmte „Inszenierungen“ muss man auch größeren Aufwand betreiben und das personelle Potenzial dafür  berücksichtigen. Das „Bild“ auf dem Teller gibt aber natürlich der Küchenchef vor. Ich meinte das mehr in Bezug auf die Küchenorgansation.  Stichwort: A la minute-Zubereitung

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Wo liegen Ihre geschmacklich-kombinatorischen Grenzen, die Sie dem Gast zumuten?

Ich probiere gerne außergewöhnliche Geschmackskombinationen aus. Ob der Gast diesen Kreationen Gefallen abringt, ist unterschiedlich, weil jeder Gast andere Grenzen hat.

Die diesbezügliche Kunst besteht meiner Meinung nach aus einem ausgewogenen Mix aus kombinatorischem Mut und geschmacklicher Raffinesse, der kochtechnisch-innovativ überrascht. Das Urteil darüber fällt der Gast.


Hand auf’s Herz: Kommt Ihre Küche ohne "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Hand auf’s Herz:  Welche Antwort haben Sie erwartet, außer: Ja, zu 100 Prozent.


Sie definieren sich über den Begriff Gourmet-Küche. Was gehört aus Ihrer Sicht dazu?

In Stichworten: Beste Produkte, kreative Zubereitung, Harmonie von Farben, Formen und Texturen.

Suchen Sie einen sogenannten Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmet-Küche?

Nein, worauf zielt Ihre Frage?


Ganz einfach: Ist Ihr Bistro ein gewisser Mittelweg, oder wird dort weniger gut gekocht?

Ich sehe es nicht als Mittelweg an. Wir haben viele Geschäftsreisende im Hotel, die abends nicht die Ruhe und Muße finden, sich einem Menü zu widmen. Sie wollen gut und ohne großen zeitlichen Aufwand essen. Wir kochen deswegen nicht minder gut. Der Gast kann aber individueller kombinieren und sich auf diesem Weg sein eigenes Menü zusammenstellen.


Nach welchen Kriterien ist Ihr beachtliches Weinangebot zusammengestellt?

Die Weinkarte ist so zusammengestellt, das jeder einen guten Tropfen seines Geschmacks findet und für die Speisen die optimale Weinbegleitung erreicht wird.  Der Fokus liegt auf deutschen Weinen aller Anbaugebiete. Und natürlich Spitzenweine aus dem Mittelmeerraum.


Darf man fragen, wer diese Weinkarte maßgeblich geprägt hat?

Natürlich darf man das. Es ist ein Ergebnis innerfamiliärer Beratungen, geprägt von den Erfahrungen an der Mosel. Dieser Bereich ist aber vorrangig das „Reich“ meiner Frau Iva, die sich dafür sehr engagiert und in diese spezielle Materie eingearbeitet hat.

Wir profitieren diesbezüglich auch durch die Zusammenarbeit mit einem Weinhandel in Lüchow und werden unserem „Weinkeller“ weiterhin große Aufmerksamkeit schenken.


Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen Spitzenkoch aus?

Auch hier wieder nur Stichpunkte: Leidenschaft, Handwerk, Liebe zum Produkt, kochtechnische Präzision und Führungskraft, damit alles funktioniert…


Sind ein Stern oder andere Auszeichnungen Voraussetzung für einen Spitzenkoch?

Nein, aber sie honorieren die Arbeit und sind Ansporn, diesen Weg weiter zu beschreiten.


Wird Ihre Küche mit einem Stern Küche besser, oder ist das nur Werbung um den Gast?

Die Küche wird nicht besser, denn ich bleibe meiner Linie treu. Er ist aber die beste Werbung für die Küche und damit eine Art Aushängeschild für den Gast, hier einzukehren.


Schreckt der Stern nicht vielleicht auch ab?

Das muss man aushalten. Manche Gäste verbinden damit auch eine Art kulinarische Dekadenz mit überteuerten Preisen. Andere wieder lädt er zu neuen kulinarischen Ausflügen ein. Und weitere kommen über diesen „Lockruf“ im besten Sinne auch auf den Geschmack für anspruchsvolles Essen. Muss ja nicht alle Tage sein...

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Welche deutschen oder internationalen Köche sind für Sie kochende Vorbilder?

Ich schätze alle Kollegen, die ihren Beruf lieben und leben. Vorbilder im klassischen Sinne habe ich keine.


Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Ein Michelin-Stern wäre eine Bestätigung meiner langjährigen Arbeit.  Ohne Stern geht jedoch für mich die kulinarische Welt auch nicht unter.


Spielt Kulinarik auch in Ihrer Freizeit eine Rolle?

Ich verbringe meine freie Zeit am liebsten mit meiner Familie und beim Joggen. Wenn es unsere Zeit zulässt, sind wir gern in anderen Restaurants der anspruchsvollen Küche zu Gast. Dort bin ich natürlich auch auf der Suche nach neuen kulinarischen Ideen und Inspirationen.

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