Im Interview: Karsten Schönfeld – ein Saison-Fanatiker, der jeden Tag seine Träume lebt

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Karsten Schönfeld

Jahrgang 1973, ledig.

Er hat 1990 eine Lehre im Hotel "Kongress" in Chemnitz aufgenommen und nahm schon in der ersten Zeit seines Berufsleben erfolgreich an Kochwettbewerben teil. Erste berufliche Stationen waren das Schloss Vollrads im Rheingau und der "Königshof" in München. Danach war er Souschef beim legendären Ingo Holland im "Alten Rentamt" in Klingenberg, bevor er 2001 bis 2003 erstmals Küchenchef im "Le Bambou" wurde. Es folgten 2003 bis 2005 Stationen in der "Blauen Blume" in Freiberg, eine Selbstständigkeit in der "La Vinotheque" in Lichtenwalde sowie eine Kochtätigkeit im Restaurant des Hotels "Alexxanders" in Chemnitz. Seit 2012 ist er wieder der Herr der Küche im "Le Bambou"

Was ist für Sie kulinarischer Genuss im allgemeinen und im besonderen?

Ganz einfach: Kulinarischer Genuss ist für mich ursprünglich und einfach, aber hervorragend verarbeitetes und perfekt zubereitetes Essen. Wobei einfach nicht einfallslos zu bewerten sein soll. Puristisch wäre der treffendere Ausdruck.

Wie würden Sie Ihre kulinarische "Philosophie" beschreiben? Oder anders gefragt: Was ist Ihr Anspruch beim Kochen hinsichtlich Zutaten, Verarbeitung und Präsentation?

Ich stehe für lebendige, extrovertierte Küche, die völlig konträr zur klassischen französischen Küche ist. Ich setze mich dabei dem Anspruch aus, dass man meine Produkte, meine Handschrift als Koch erkennen und schmecken kann. Und in Bezug auf Verarbeitung bin ich einer, der die Ressourcen eines Produkts in ihrer ganzen Breite ausschöpft. Das Ergebnis, also das Essen, muss im besten und vielseitigsten Sinne des Wortes "glänzen"

Beschreiben Sie das kulinarische Angebot Ihrer Restaurants in einem Satz?

Mediterran an italienischer oder französischer Kochkunst ausgerichtete, im Detail aber auch regional geprägte Küche mit täglich wechselndem Mittagsgericht und Menüs und A la carte-Gerichten für den Abend. Und das alles eher nicht klassisch, sondern auf neuem Niveau umgesetzt.

Sie versprechen dem Gast anspruchsvolle Küche. Mal provokatorisch gefragt: Gibt das die Klientel in der Region überhaupt her? Weiß man das zu schätzen? Lohnt es sich, aufwändig zu kochen?

Es geht weniger um das Aufwändige, mehr um das Anspruchsvolle. Dieser Trend hat sich im Laufe der Jahre herausgearbeitet. Wir hatten früher vorwiegend Geschäftskunden, die hochwertige Küche schätzen. Dann ist das (fast) ein Selbstläufer. Das Besondere unserer Küche spricht sich herum und macht die anspruchsvolleren Gäste neugierig auf unsere kulinarischen Kreationen.


Setzen Sie bewusst auf die Nische international, mediterrane Küche auf hohem Niveau.?

Nein, ich sagte es ja bereits: ich setze vor allem im Mittagsgeschäft regionale Küche mit neuen Akzenten in Richtung internationale und mediterrane Küche um. Probieren Sie beispielsweise die mit Sternanis und Bitterschokolade geschmorte Hirschkalbsschulter, dann werden Sie schmecken, was ich meine. Das Abendangebot geht dann  aber schon mehr auf die internationale und mediterrane Schiene. Eines gilt für alle Gerichte: der genannte Anspruch an Küche mit hohem Niveau.

Nun mal konkret: Was kann der Gast an anspruchsvoller Kulinarik in Ihrem Haus erwarten?

Da fällt mir vor allem der Begriff "permanentes Erlebnis" ein. Man kann immer sicher sein, bei uns wird das Essen nie langweilig. Ich lasse mir immer neue Überraschungen einfallen, arbeite auch viel mit Obst und Gewürzen wie Kreuzkümmel. Daraus kann man zaubern. Und setze hier und da auch einen Hauch einer Küche mit traditionell sächsischen Akzenten um. Diese Mischung kommt gut an und bietet viele Möglichkeiten der Weiterentwicklung des Angebots.

Mir gefällt die erkennbar klare Linie Ihrer Tages- und Abendkarte. Überschaubar in der Auswahl und anspruchsvoll in der Umsetzung. Von welchem Grundsatz haben Sie sich dabei leiten lassen? Ich präge mal den nicht unbekannten Ausspruch, klein, aber fein...

Das war ein langer, keinesfalls leichter Weg. Mittags gibt der Gast in Sachen Zeit und Geld die Prämissen vor. Und abends muss durch unser Ein-Koch-Restaurant alles umsetzbar und händelbar sein. Hier den goldenen Mittelweg zu finden, ist ein dauernder Erkenntnisprozess. Also muss das Angebot so gestaltet sein, dass der Gast  im besten Sinne des Wortes auf seine Kosten kommt und das Aha-Erlebnis sprichwörtlich hängen bleibt.

Menüs kann der Gast bei Ihnen beliebig zusammenstellen. Ergänzend: Kann man bei Ihnen auch Menüs auf Wunsch bestellen? Was würden Sie sagen, und machen, wenn ein Gast bittet: Lassen Sie sich doch mal was einfallen.

Genau genommen praktizieren wir das ja mit unseren sogenannten Überraschungsmenüs schon. Die machen immerhin etwa die Hälfte aller Bestellungen aus. Da kann man auch variieren. Es wird nicht so schnell vorkommen, dass ich gleiche Menüfolgen anbiete. Das mit dem Menü ist aber auch eine Einstellungsfrage des Gastes. Ich biete nicht unbedingt sehr leichte Kost an, obwohl man auch hier trefflich auswählen kann.

Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre a la carte Angebote aus?

Ich bin eine Art Saison-Fanatiker. Keine Produkte kommen außerhalb ihrer angestammten Saison auf die Karte. Da arbeite ich beispielsweise im Winter schon mit Pastinaken und Rote Beete, im Sommer viel mit Tomaten und Kräutern. Ganz zu schweigen von Spargel, Erdbeeren und Co. Der Preis muss natürlich aus auf unser Haus abgestimmt, keine Frage. Aber das bekommt man schon hin, ohne Abstriche an die Qualität zu machen.

Im Vertrauen: Setzen Sie Convenience-Produkte ein? Oder: Wie setzen Sie Geschmack um, ohne zu "verstärken"?

(schmunzelt): Geschmackverstärker, was ist das denn? Nein, das gibt's sprichwörtlich nur über meine Leiche. Geschmack ist die Kunst des Kochs und nicht der Industrie. Bei Convenience-Produkten wie Ravioli wäge ich ab und verfeinere im Detail, lasse aber keinen Qualitätsverlust zu. Punkt.

Wie leben Sie als Küchenchef in einem vergleichbar kleinen Haus Ihre kreative Ader als Koch aus? Gibt es dabei Beschränkungen?

Bei dieser Frage wird der Fluch und Segen für den Einzelkoch deutlich. Ich kann mich im Rahmen des Budgets relativ austoben und für Neuerungen hat der Chef immer ein offenes Ohr.

Warum  gönnt sich ein Haus wie das Le Bambou eine so reichhaltige Weinkarte? Ist das Ihrem Vorgänger geschuldet, oder haben ebenfalls dafür ein Faible?

Die ist, Sie  waren ja vor einigen Jahren schon einmal hier, im besten Sinne des Wortes gewachsen und gereift. Wir legen den Schwerpunkt aber jetzt mehr auf erstklassige deutsche Weine.

Welchen Wein bevorzugen die Gäste? Worauf führen Sie das zurück? Hat das etwas mit den Gerichten, oder mehr mit Weinaffinität zu tun?

Man sollte es nicht glauben, aber sie lassen sich gern beraten. Der Gast wählt meist aus, was für ihn auch von Namen her verständlich ist. Und natürlich sollen die Weine vor allem mit den Speisen korrespondieren. Im Trend liegen deutsche, trockene Weine, aber auch italienische und französische Tropfen.

Wo liegt für Sie der sogenannte goldene Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmetküche? Zusatz: Was ist für Sie Gourmetküche überhaupt?

Gourmet-Küche ist für mich die Veredlung aller Produkte auf höchstem Niveau und dem Anspruch an beste Qualität und Verarbeitung. Gourmet bedeutet aber auch Zeit nehmen und genießen. Ein Mittelweg ist der unsere Küche, die auf dem bereits genannten guten Preis-Leistungs-Verhältnis und der Kreativität der Zubereitung basiert.

Was halten Sie von Sterneküche allgemein? Ist das für Sie mehr als "künstlerisches Kochen" auf hohem Preisniveau?

Sterneküche macht das Niveau des Hauses nach außen transparenter. Man weiß, worauf man sich einlässt. Aber Sterneküche hat manchmal auch etwas mit Preisschneiderei und Show zu tun.

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Immerhin: Einen Bib Gourmand haben Sie schon. Wäre ein Stern für Sie einmal eine neue Herausforderung?

Der Bib Gourmand ist ok und entspricht auch unseren Möglichkeiten. Ein Stern würde sich nicht in unsere personelle und räumliche Situation einordnen lassen.

Welche der bekannten Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?

Da nenne ich nur einen Namen, und jeder weiß Bescheid: Harald Wohlfahrt.

Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

(lacht) Ich lebe jeden Tag meine Träume. Damit bin ich ausreichend beschäftigt.

Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Dazu gehören für mich eher ein schlichtes Wohlfühl-Ambiente, natürlich-sympathischer Service, ein verständliches Preis-Leistungs-Gefüge und selbstverständlich das Erlebnis exzellenten Essens.

Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik für Sie auch in der Freizeit eine Rolle?

Mein Beruf ist mein Hobby. Frei nach dem abgewandelten Motto (lacht herzlich): Woran ich immer denke, sind Essen und Getränke...


Anmerkung: Karsten Schönfeld kocht nicht mehr im nun geschlossenen Le Bambou, sondern in einem neuen Retaurant in Freiberg, das ich zeitnah besuche.

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