Von wegen Fettguschen: Kleine, aber feine Küche…

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Küche im Keller | Marco Brauch

Lutherstraße 20 - 07546 Gera

www.marco-brauch.de

Wer ein wenig mit meinem Lebenslauf vertraut ist, weiß, dass ich auch eine stattliche Anzahl von Jahren in Thüringen gelernt, gelebt und gearbeitet habe. Ein wundervoller Landstrich mit schönen Erinnerungen. Deswegen fahre ich auch immer mal wieder hin. Habe sozusagen einen Gedächtnis-Koffer dort. Neben Weimar, Erfurt, Jena, Mühlhausen und dem Thüringer Wald ist mir natürlich auch Gera ein Begriff. Nicht unbedingt als Weltstadt mit überwältigendem Charme, aber durchaus auch schönen Ecken.


Den Geraern wurde übrigens irgendwann einmal der (verpflichtende) Beiname „Gersche Fettguschen“ verliehen. Glaubt man dem Volksmund, geht das auf den Neid der umliegenden Ortschaften zurück, dass die in Gera lebenden Kaufleute sich reichlich an Fett und Fleisch labten. Das wurde seinerzeit mit Reichtum gleichgesetzt. Kulinarisch korrekt aber konnten die „Gerschen“ jedoch wohl nicht essen, denn sie benutzten vorwiegend die Hände. Was dazu führte, dass ihnen oft das Fett vom Mund herablief. Voller Entrüstungen soll das „niedere“ Volk deswegen ausgerufen haben: „Schaut sie nur an, wie sie saufen und fressen, die Gerschen Fettguschen…“ So viel zum kulinarischen Vorspiel.

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Das es mich Anfang März, kurz vor dem C-Unglück wieder einmal nach Gera verschlagen hatte, war eher einem Koch geschuldet, der mir auf Facebook aufgefallen war. Marco Brauch, 1977 als echte „Fettgusche“ geboren, brachte virtuell eine Art des Kochens rüber, die meinem Geschmack sehr entgegen kam. Fast 20 Jahre tingelte er kulinarisch durch die deutschen Lande, um 2014 wieder in seine Heimatstadt zurückzukehren. Dort erfüllte er sich den lang gehegten Traum nach einem eigenen Restaurant. Das wurde 2015 mit der „Küche im Keller“ Realität.


Das befindet sich in eine eher unscheinbaren Geraer Stadtteil. Zwar zentrumsnah, aber doch eher abgelegen. Dort angekommen erinnerte ich mich sofort an eine Garküche in Aue im Erzgebirge, die ich in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren gern und oft mit meiner Mutter aufgesucht hatte. Dort gab es in einem eher schlichten Ambiente stets deftige Hausmannskost zu ziemlich dezenten Preisen.

Ich musste aber sogleich feststellen: Der freundlich-sympathische Mittvierziger mit dem hohen Haaransatz (hier müsste ein Smiley hin) hat geflunkert. Denn sein Restaurant  befindet sich gar nicht im Keller. (Nicht nur) Geraer, die etwas auf sich halten, würden die Lage „fürnehm“ als Souterrain bezeichnen. Sie wissen schon, das ist so, „wie als wenn“ man stehend von der Unterkante der Straße den hübschen Gerschen Mädchen zumindest auf die attraktiven Beine schauen kann. Das wäre einen zweiten Smiley wert…


Egal. Die „Küche im Keller“ ist schon vom Ambiente her der absolute Hingucker. Mit viel Geschmack für das schöne Detail eingerichtet, fühlt man sich wie zu Hause in Omas Küche. Hier haben die Wirtsleute bereits echt guten gestalterischen Geschmack bewiesen, und die vielen küchentechnischen  Details von anno dunnemals regen zu bildhaften Erinnerungen an. Soll auch heißen: Dieser Ort wäre für mich einmal in der Woche als kulinarisches Domizil schon visuell „gesetzt“.

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Womit ich endlich zur Sache komme. Es geht also um’s (sorry) „Gersche fressen“. Da hat der umtriebige Koch aber wahrlich nicht geflunkert. Denn mit „Fettguschen“ hat sein Angebot nichts zu tun. Er setzt traditionelle Küche mit erbaulichen geschmacklich-kombinatorische n Akzenten um. Und vor allem, er lässt seiner kochenden Leidenschaft dabei absolut freien Lauf. Geschmackliche Einerlei ist in diesem Sinne so gar nicht sein Ding.


Ich konnte mir mein Mini-Menü, zu dem ich eigeladen war, selbst zusammenstellen und war mehr als angetan von dem Geschmack, den Marco Brauch zelebriert. Er tischte mir eine exzellente Knoblauchsuppe mit Mini-Wildwürstchen auf. Arbeitstitel: Küssen verboten. Aber ich kann jeden nur ermuntern, solche und ähnliche Suppe in der „Küche im Keller“ zu bestellen. Da ist nichts aufdringlich überwürzt. Alle Zutaten sind  nahezu optimal aufeinander abgestimmt.


Gleiches galt für die exzellent zubereiten Gemüsespagetti mit gebackenem Halloumikäse. Leichte säuerlich-asiatische Note. Geschmacklich pikant abgestimmt. Und erst recht der Hauptgang, ein Ur-Lamm mit samtig weichen Gnocchi und „korrespondierendem“ Gemüse wie Sellerie, Radies und grüner Spargel. Vorzüglich auch die dazugehörige Soße. Darauf lege ich großen Wert. Krönender Abschluss war ein Käse-Dessert mit Feigen und feinen Chutneys. Echt einfach, echt gut.

Zu meinen Fotos muss gesagt werden, dass die allesamt mit dem iPhone aufgenommen wurden. Bei meinem Besuch in Gera hat zu meinem Entsetzen meine Nikon 7100 erstmals gestreikt. Wieder in Mecklenburg angekommen, hat sie mich angelacht und wieder funktioniert... Unmöglich, unfassbar... Aber so sind Frauen wohl...


Aktuell kredenzt Marco Brauch seinen Gästen als Menüvorschläge bzw. zur freien Zusammenstellung u.a. an:

Schaumsuppe vom weißem Stangenspargel | Rahm | Kräuter-Pesto | Graubrotchip | Lindig`s Spargelbratwurst

Duett vom Maishähnchen und Wachtel | Portweinjus | Steinpilzrisotto

Edelfischragout | Black-Tiger-Garnelen | Currygemüse | schwarzer Reis

Panna-Cotta | Rhabarber | Erdbeeren


oder


Geräucherter Burrata | Ochsenherztomaten | fermentierter Pfeffer | frittierter Rucola | Basilikum-Olivenöl

Flanksteak vom Irish Beef | Chimichurri | wilder Brokkoli | Marco`s Kartoffelgratin

Gebratenes Thunfischfilet (Sashimi-Qualität) | Seealgensalat | Shiitake Pilze | Sojasoße | Erbsen-Minzpüree

Cremiges Schokoladenmousse mit buntem Naschwerk

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Wer kann angesichts solcher Köstlichkeiten zum unschlagbar günstigen Preis  noch ernsthaft von „Gerschen Fettguschen“ reden? Und die Palette ausgewählter kulinarischer Kreationen aus seinem Foto-Fundus soll zudem im besten Sinne des Wortes Lust auf Geschmack machen. So entdecken Sie Gera von seiner delikaten Seite und haben guten Grund, der Stadt der „Fettguschen“ weiter zu entdecken.

Mein geschmackliches Fazit: Was Marco Brauch in seiner „Küche im Keller“ anbietet, ist abseits von Gourmet-Ambitionen das, was ich „ehrliche“ Feinschmecker-Küche nenne. Der „gemeine“ Geraer würde sagen „nix dickes“. Der irrt aber schlechthin. Denn das Angebot dieses kleinen, aber feinen Restaurants ist von einer Raffinesse im Detail geprägt. Hier zeigt sich Brauch als fulminanter Freistil-Koch mit dem Sinn für eine nahezu philosophische Geschmacklichkeit. Einfach und extravagant, bodenständig und exotisch. Mit dem Sinn für ausgefallene Nuancen und namensgeberische Bonmots für seine Gerichte. So wird man ohne Angst vor Gourmet an gutes Essen herangeführt.

Meine Empfehlung: Rein in die „Küche im Keller“, genießen, sich einfach wohlfühlen in einem Ambiente der besonderen Art und natürlich wiederkommen. Der Brauch ist immer gut für eine kulinarische Überraschung und bietet darüber hinaus einen unaufdringlichen Service sowie eine beachtliche Palette vor allem regionaler Weine. Marco Brauch, davon bin ich überzeugt, wird mit seiner Küche noch von sich reden machen und nicht nur Thüringer in sein gastliches Haus loclen.  Der Mann verspricht alles, was er dann auch hält. Da verzeihe ich ihm sogar, dass er ein Fan von Wismut Gera und nicht von (Wismut) Erzgebirge Aue ist… (Hier muss der finale Smiley hin.)

  • 95.9%
    Max’ Geschmacks Quotient (MGQ)

Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf 
Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept

Kategorie: Restaurants - März 2020

  • Angebot 94%
  • Geschmack 95%
  • Präsentation 95%
  • Preis-Leistung 96%
  • Service 97%
  • Ambiente 98%
  • Konzept 96%

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