Landgasthof & Hotel „Goldenes Herz“: Kochen und Genuss im Wandel der Zeiten

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Landgasthaus & Hotel Goldenes Herz - Restaurant 1850

Hauptstraße 4 - 08485 Schönbrunn

www.goldenes-herz.de

Auf der Suche nach anspruchsvoller Gastlichkeit in allen deutschen Regionen spielen natürlich auch immer „Kommissar Zufall“ oder das, was man allgemein „Mundpropaganda“ nennt, eine Rolle. So geschehen auf einem Seminargruppentreffen im Zittauer Gebirge. Da rückten ehemalige Kommilitonen an, die vorwiegend aus dem Mittel- und Westsächischen kommen. Und einer von denen sagte mir im feinsten vogtländischen Tonfall: „Guck doch mal ins Achtznhunnertfuffzig in Schönbrunn nei.“


Sollte wohl heißen, er empfiehlt mir ein Restaurant namens 1850 in Schönbrunn bei Lengenfeld. Gesagt, getan, ich habe mich schlau und schließlich auch auf den Weg gemacht, die „Location“ zu erkunden, wie es neudeutsch so unschön heißt. Gelockt hat mich vor allem die Ankündigung auf der Website des Hauses, dass man Essen als Erlebnis versteht und verspricht, dass man dabei Altes wiederentdecken und Neues entdecken könne. Mein kulinarischer Jagdtrieb war geweckt. Obwohl Ende Juni noch die Speisekarte vom Mai im Internet war. Das geht sicher besser und aktueller.

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Zunächst muss gesagt werden, dass das „1850“ dem Landgasthof & Hotel „Goldenes Herz“ in Schönbrunn angeschlossen ist. Das Haus liegt unmittelbar an der B 94 zwischen Lengenfeld und Reichenbach, unweit einer Autobahnauffahrt auf die A 72. Da ich aber aus meiner Geburtsstadt Aue im Erzgebirge angereist bin, habe ich den Weg „über die Dörfer“ genommen und dabei in der alten Heimat viel natürlich Reizvolles entdeckt. Hat sich eine Menge getan, auch in Sachen Gastlichkeit. Das Hotel hat nun nicht gerade das, was man eine Top-Lage nennt, ist aber durchaus ein geeigneter Herbergsort für Ausflüge in Vogtland und Erzgebirge. Es hat ausreichend Parkmöglichkeiten und in dem lauschigen Biergarten kann man in gemütlicher Runde den Tag ausklingen lassen.

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Die Zimmer des Hauses sind hell, freundlich und gleichermaßen schlicht wie geschmackvoll eingerichtet und mit dem üblichen Komfort modernen Wohnens ausgestattet. Dazu zählen für mich vor allem WLAN und TV. Telefon habe ich nicht entdeckt, könnte das aber übersehen haben. Das ist für mich allerdings angesichts mobiler Möglichkeiten kein Qualitätskriterium für ein Haus an diesem Platz. Viele wichtiger sind die sanitären Möglichkeiten, die sich in einem Top-Zustand befinden. Auf den Fluren des Hauses präsentiert sich das Innenleben aber noch im Charme eines Landschulheimes.

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 Aber immer mit der Ruhe, Sophie Manthey, die Frau für die Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungs-Organisatorin (ich vermeide bewusst die heute üblichen Anglizismen für solche Begriffe) klärt mich auf: Diesbezüglich wird sich im Haus in den nächsten Jahren einiges tun. Man(n)ist geneigt, ihr das auf’s Wort zu glauben. Zum Hotel gehört außerdem noch ein Saal, der sich trefflich für Veranstaltungen aller Art eignet. Da man die Toiletten über diesen Bereich erreicht, könnte hier bei ruhendem Saalbetrieb etwas mehr übersichtliche Ordnung herrschen. Schließlich gehört ja auch dieser Eindruck zum Gesamterlebnis eines Besuches.

Nun endlich geht es an das Eingemachte, sprich: Das Essen im Restaurant 1850. Obwohl ich erst tags darauf in Schönbrunn mit Sophie Manthey und deren gastgeberisch-kulinarischer Familiengruppe, wie ein Clan auch genannt wird, verabredet war, habe ich den Abend davor genutzt, um zwei Freunde in der Nähe zu besuchen und mit Ihnen die Küche des Hauses zu testen. Das Restaurant, dessen Name vom Jahr der Erbauung des Hauses abgeleitet ist, hat mich auf den ersten Blick überzeugt. Vom Mobiliar her durchaus noch nicht optimal, aber mit viel Geschmack und Liebe für das Detail eingerichtet, erlebt man ein Restaurant, das man so nicht vermutet hätte. Ins Auge fallen aufwendig gefaltete und mit verschiedenen Formen versehene Stoffservietten. Die Tische sind einfach, aber mit dem Sinn für ländlich-schlichte Eleganz gedeckt. Ganz, wie ich es gern mag.


Wir waren drei Männer, die zudem noch fahren mussten. Also beschränkten wir uns auf ein würziges Pilsner aus dem Sächsischen. Das war gut gebraut, gut eingeschänkt und von der Restaurantleiterin charmant und humorvoll auf den Tisch gebracht. Gewünscht hätte ich mir, dass die junge Frau beim Servieren des Essens ein wenig mehr auf die Bestandteile der Gerichte eingegangen wäre. Das kann man in einem Restaurant mit diesem Anspruch und bei der Erfahrung der jungen Frau in sehr renommierten Häusern durchaus erwarten und verlangen.

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Die Speisekarte entpuppte sich als Loseblatt-Sammlung im Stil einer Klemmmappe. Keine üble Idee. Trotzdem könnte man auf das Papier und die Aufmachung ein wenig mehr Augenmerk legen. Als Appetitanreger wurde frisches Brot und Kräuterquark gereicht. Das war ebenso ein guter Einstieg wie das auch optisch wunderschön anzuschauende Amuse Bouche, eine Kombination von geräuchertem Lachs mit rotem Kaviar, Apfelchutney und Pinienkernen. Dem Ganzen wohnte eine feine Säurenote inne. Das hat mir ausgezeichnet gefallen.


Als Vorspeise hat sich mein  Nachbar zur rechten von den gebackenen Froschschenkeln mit Jogurt, Salatgurke und Brunnenkresse verführen. Das sehr gut aus und hat nach dem Verlauten des Freundes ausgezeichnet gemundet. Mich selbst hat das Rindercarpaccio angelächelt, aber angesichts des regionalen ländlichen Umfelds wollte ich dann doch eine Bärlauchsuppe mit gebeiztem Lamm und Pinienkernen probieren. Das habe ich nicht bereut. Die gut abgeschmeckte Suppe wurde auf das gebeizte, etwas salzlastige Lamm gegossen. Das ist die Art des Servierens, die ich schätze. Optimal wäre gewesen, wenn man den Teller angewärmt serviert hätte. So wurde die Flüssigkeit relativ schnell lauwarm, was nicht meinem Geschmack von Suppe entspricht. „Heese muss se sein“, sagt der Sachse nicht zu Unrecht. Übersetzt: Eine Suppe muss heiß sein.

Als Hauptgang bestellten sich meine früheren Studienkollegen ein Maishähnchen mit Bärlauchravioli, Tomate und Frischkäse sowie einen Kalbsnussbraten mit Rahmsoße und Kartoffel-Speck-Plätzchen. Das hat beiden wohl gut gemundet, wenngleich man dem Geflügel-Esser an gemerkt hat, dass ihm ein Bauernfrühstück lieber gewesen wäre. Aber so ist das mit den Geschmäckern. Der Kalbsbraten rechts neben mir wurde aber in den höchsten Tönen gelobt. Und dem Esser glaube ich das auch. Der stirbt eher nicht an Herzdrücken.


Ich selbst habe mich von einem Kotelett vom Duroc-Schwein mit Pfifferlingen, Semmelknödeln und einer Schalottenjus inspirieren lassen. Ich nehme es vorweg, das hat mich nicht in allen Punkten, auch optisch nicht ganz überzeugt. Das Kotelett war, um es einmal vorsichtig auszudrücken, ziemlich blass um die Nase. Entweder hatte es nur eine Höhensonne zu Bräunung abbekommen, oder auf dem Herd war nicht genügend „Feuer“, um die Röstaromen heraus zu kitzeln. Zudem war die Sau nachträglich noch ziemlich stark gesalzen, wie offenbar das Maishähnchen auch, so dass kein harmonischer Geschmack zustande kam. Das haben auch die konfierten Tomaten in Verbindung mit Pfifferlingen und der Schalottenjus nicht herausgerissen.

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Im Gegenteil, die Kombination von Säure und leicht süßlicher Note hat in diesem Fall für mich nicht gepasst, so dass die Knödel, die ich sonst sehr schätze, nur zu einem kleinen Teil in meinem Mund gelangten. Gut, der Versuch war es wert und die kombinatorische Idee gut, beim nächsten Mal klappt das bestimmt.


Recht versöhnlich gestimmt hat mich dann wieder das finale Dessert, ein vorzügliches  Erdbeermarshmallow mit marinierten Erdbeeren, Basilikumpesto, süßem Mürbeteig und Olivenöleis. Obwohl ich sonst kein „Süßhahn“ bin, das war echt Spitze und  auch ein visueller Leckerbissen.


Die aktuelle Speisekarte bietet  interessante, allerdings meist nur in der Hauptzutat modifizierte Veränderungen. Dort tauchen jetzt ein Ziegenkäse Brioche mit Pfirsich ebenso auf, wie eine klare Fischsuppe mit Jakobsmuschel und Flusskrebs, Argentinisches Rinderfilet oder Seeteufel. Das lässt auf weitere Gaumenfreuden hoffen. Und eine echte Überraschung ist das neu kreierte DDR-Menü.  Das ist eine viergängige Speisenfolge, die als Vorspeise eine Liaison aus Spreewaldgurke und Ostseeforelle, einem Zwischengang  als „Soljanka neuen Typs“ als aufgegossener Sud aus der Tomate und Pilzen als Einlage, einem Hauptgang aus Steak au four mit Erbsen-Möhren-Püree, Erbsen als grüner Krokette an einer Worchesterjus sowie einem Dessert als süße Variation von Kirsch und Pfeffi, effektvoll aufgemacht als Ampelmännchen und Beerenfrüchten, besteht.


Darauf muss man erst einmal kommen. Dazu habe ich auch bereits eine Kulinarische Kolumne geschrieben, die sowohl in der Sächschen Zeitung und Freien Presse als auch in der nordostdeutschen SVZ auf dieses kulinarische Original aufmerksam macht. Ob man das wie auf der sonst recht ansprechenden Website beschrieben, i m sozialistischen Genießer- und Genossenstil bewerben muss, sei dahin gestellt. Das könnte man aus meiner Sicht pointierter darstellen, ohne vordergründige Ostalgie zu zelebrieren. Ich werde mir das Menü aber bei meinem nächsten Besuch bestimmt einverleiben. Das Ganze verspricht für mich jedenfalls ein geschmackliches Gesamterlebnis, mit dem die junge Küchen- und Servicemannschaft weiter von sich reden machen und so viel Wind in die kulinarische Szene der Region bringen wird.


Fazit: Es war ein Essen mit Höhepunkten, aber auch mit Reserven. Vielleicht war/ist der Koch ja verliebt. Was an sich kein Makel ist. Im persönlichen Gespräch mit dem Küchenchef am nächsten Tag konnte ich mich aber von dessen kulinarischer Virtuosität überzeugen. Das, was auf den alle zwei bis drei Monate wechselnden Karten steht, kann sich durchaus im Vergleich mit „gehobenen“ Restaurants messen, die die Region selbst ziemlich dünn zu bieten hat. Man merkt auch, dass der Küchenchef und sein junges Team viel experimentieren. Da kann auch mal ein kombinatorisch-geschmacklicher Querschläger dazwischen sein. Obwohl, dem Experiment muss eigentlich auch der Selbsttest am Objekt folgen.

  • 87%
    Max’ Geschmacks Quotient (MGQ)

Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf 
Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept

Kategorie: Restaurants

  • Angebot 90%
  • Geschmack 85%
  • Präsentation 85%
  • Preis-Leistung 90%
  • Service 90%
  • Ambiente 85%
  • Konzept 85%

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