Kommentiert: So präsentiert sich der kulinarische Nordosten

kommentar-2016-ggpmv01

Glanzvolle Gala in Heiligendamm zum Großen Gourmet Preis MV 2016

Der Große Gourmet Preis MV 2016 ist Geschichte. Ich hatte einmal mehr die Freude, daran teilzunehmen und natürlich auch darüber zu berichten. Gourmet Preis, das heißt natürlich vor allem geschmackvolles Essen. Dieses Mal tischten fünf Sterneköche des Landes gemeinsam mit einem Gastkoch aus Hamburg ein sehr abwechslungsreiches Menü auf, bei dem wohl jeder Besucher seinen Favoriten hatte. Ohne auf das Gesamtkonzept dieser kulinarischen Veranstaltung einzugehen, die auch in anderen Bundesländern durchgeführt wird, nachfolgend meine geschmacklichen Eindrücke zum Menü. '
'
Dafür habe ich auch meinen "Max' Geschmacks Quotient" (MGQ) in rein auf das Essen reduzierter Form angewendet. Und ich betone, das hat nichts mit Restaurant-Kritik im klassischen Sinne zu tun. Ich gebe lediglich als kritischer Gast meine Geschmackserlebnisse und Eindrücke wieder. Dem muss man im Detail nicht zustimmen, es bleibt trotzdem meine Meinung. Eine Betrachtung zum "Sinn und Unsinn", bitte letzteres nicht so ernst nehmen, wie es klingt, wird ebenfalls in Form eines ausführlichen Kommentars auf diesem Portal veröffentlicht.

kommentar-2016-ggpmv16
kommentar-2016-ggpmv03

Aber nun zur kulinarischen Sache im Grand Hotel Heiligendamm:

Für das abwechslungsreiche und fantasievolle Flying Amuse Bouche sorgten Steffen Duckhorn und sein Team vom Kurhaus Restaurant des Grand Hotel Heiligendamm.

Recht gut angenommen wurden auch die Sylter Austern von Dittmeyer, die Dieter Osterthun von Portola Rostock (da muss ich demnächst unbedingt mal hin) präsentierte. Ich bin ein großer Austern-Freund und muss sagen, dass mir die Zuchtauster noch besser gemundet hat als die Wildauster. Aber ehrlich, ich würde beide nicht unbedingt auseinander halten können, aber auch beide nicht verschmähen. Und ich ahme auch nicht die Marotte von vermeintlichen Austernkennern nach, die die Mär verbreiten, das Ding müsse geschluckt werden. Ein wenig genussvolles Kauen muss schon sein.


Zu den einzelnen Gängen:

Ronny Siewert, Restaurant "Friedrich Franz" * Grand Hotel Heiligendamm
Gänseleberselektion / Erdnusskrokant / Cassis / Ingwer

Sehr aufwendig präsentierter Gang mit geschmacklich sehr nuancenreichen Noten. Die Pastetenvariationen waren jede für sich ein gut aufeinander abgestimmter Genuss, der durch den Einsatz des Cassis raffiniert ergänzt wird. Für meinen Geschmack war die Präsentation an der Grenze zu artifizieller Verspieltheit. Das war zu brav, hier hätte Siewert mehr Mut zum Ungewöhnlichen beweisen können. Die Rieslaner Auslese 2015 passte mit ihrer süffig-fruchtigen Note und anregenden Säure recht gut zu dem Gang.

MGQ: Präsentation 7,5  / Kombination 9,0 / Geschmack 9,5 =  8,7

kommentar-2016-ggpmv09
kommentar-2016-ggpmv11

Pierre Nippkow, Restaurant "Ostseelounge" * Strandhotel Fischland Dierhagen
Norweger Jakobsmuschel / Miso gebeizt & geflämmt / Asiatische Bouillabaisse / Chorizo

Ich kann es vorwegnehmen: Das war für mich das kulinarische Highlight des Abends. Das ist wohl meiner Vorliebe für kräftige Würze, aber auch gehaltvollen  Kombination der Zutaten geschuldet. Bei der asiatischen Bouillabaisse kann man alles vergessen, was man über diese Suppe zu kennen denkt. In der Kombination mit Jakobsmuschel, Miso und Chorizo hat es Nippkow für meinen Geschmack trefflich verstanden, einen appetitanregenden Gang mit asiatischem Touch zu zaubern. Bei der Auswahl des Weines hatte er mit dem frischen Weißburgunder 2015 mit feinen Fruchtaromen genau den passenden Tropfen gewählt.

MGQ: Präsentation 8,5  / Kombination 9,5 / Geschmack 10,0 =  9,3

Ralf Haug, Restaurant "freustil" * Binz/Rügen
Spargel / geräucherter Joghurt / unreife Erdbeeren

Dieser Gang war ein typischer Haug. Immer für eine Überraschung gut, stets mit Potenzial zu geschmacklicher Verrücktheit in der Kombination der Zutaten. Ich weiß, dass dieser Gang sehr kontrovers diskutiert wurde, schließ mich aber der allgemein eher skeptischen Meinung nicht an. Haug beweist einmal mehr Mut zur eher ungewöhnlichen Kombination und setzt damit geschmackliche Akzente, auf die man sich eben einlassen muss. Mit der durch Heu  erzeugten raffinierten Räuchernote des Joghurt, die auch ich erst im Spargel wähnte, hat er einen interessanten Kontrast zur sehr säuerlichen Note der Erdbeeren geschaffen. Gut, das muss man nicht mögen. Für mich war es eine Art frisch-freche Gaumenreinigung für die nächsten Überraschungen des Abends. Dem entsprechend spritzig und munter war auch der Dajoar Riesling mit einer saftigen Fruchtnote.

MGQ: Präsentation 8,0  / Kombination 8,5 / Geschmack 8,0 =  8,2

kommentar-2016-ggpmv18
kommentar-2016-ggpmv20

Thomas Martin, "Jacobs Restaurant" ** Hotel Louis C. Jacobs, Hamburg
Nordseee-Steinbutt mit Mangold, Zitrone und Pinienkernen

Na ja, werden einige Besucher gedacht haben: Eben ein Fischgang. Steinbutt ok, der geht als Fisch durch. Hier muss ein Smiley hin. Aber das eben Fisch nicht gleich Fisch ist, hat Thomas Martin gradios bewiesen und damit seine Zwei-Sterne-Reputation unterstrichen. Der Fisch war auf den Punkt gegart und bot in Kombination mit dem Mangold und der dezent säuerlichen Zitronennote in der grünlichen Soße einen echten Gaumenschmaus. Da hätte ich gern einen Nachschlag mit einem Stück frischen Baguette gehabt. Aber das ziemt sich in dieser Umgebung nicht. Hier muss der zweite Smiley hin. Der Niepoort Redoma Branco mit seinem leicht spritzigen, gediegen-würzigen Charakter und seinen Zitrus- und floralen Noten passte trefflich zu dem Gang.

MGQ: Präsentation 8,5  / Kombination 9,0 / Geschmack 9,0 =  8,8

Matthias Stolze, Restaurant "Der Butt" *, Yachthafenresidenz Rostock-Warnemünde
Maibock "Geröstet & gebraten" mit Sauerteig / japanische Kirschblüte & Pfifferlinge

Der Maibock gehört zum Mai, mag sich Mattias Stolze gedacht haben. War in dieser Kombination keine schlechte Idee. Mir hat die geröstete Variante des Rehbocks besonders gemundet. Geschmacklich interessant auch der Einsatz der japanischen Kirschblüten und die dann wieder bodenständige Kombination mit den Pfifferlingen. Im Zusammenspiel mit der vorzüglich abgeschmeckten dunklen Soße war das ein sehr gehaltvoller Gang. Dazu gab es mit dem Pinot Noir Reserve 2012 den einzigen Rotwein des Abends. Der kam kraftvoll, aber auch weich und rund rüber, respektive runter.

MGQ: Präsentation 8,5  / Kombination 8,5 / Geschmack 9,0 =  8,7

kommentar-2016-ggpmv10
kommentar-2016-ggpmv12

Björn Swanson, Restaurant Gutshaus Stolpe *, Stolpe
Cheescake / Geeiste Rote Beete / Opalys-Schokolade & Haselnuss

In der Präsentation eher gewöhnungsbedürftig bewies der Newcomer Björn Swanson treffsicheres Gespür für geschmackliche Harmonie, die man beim ersten Gedanken gar nicht vermuten würde. Ich bin nun einer, der auf das süße Dessert durchaus verzichten kann. Aber dieser Versuchung mit Käse und Rote Bete samt den süßen Komponenten konnte ich nicht widerstehen. Das war ein toller Abschluss des Menüs. Ich muss unbedingt einmal seine Gutshaus-Küche in Stolpe erkunden. Die Beerenauslese 2003 mag zwar gut zu diesem Gang gepasst haben. Da aber habe ich gepasst. Dieser edelsüße Wein ist so gar nicht mein Ding. Ich habe mich mit dem Rest des Pinot Noir vergnügt und auf das Bier zur After-Show-Party, wie es heute unschön neudeutsch heißt, gefreut.

MGQ: Präsentation 7,5  / Kombination 9,0 / Geschmack 9,0 =  8,5

Kurzes Fazit: Das Menü deckte ein breites geschmackliches Spektrum ab. Ganz der Handschrift der teilnehmenden Spitzenköche geschuldet, wurde von klassisch bis kompositorisch-mutig alles aufgetischt, was verwöhnte Gaumen überzeugen sollte. Trotzdem, und das ist gut so, bleibt alles Geschmackssache. Ich maße mir jedenfalls nicht an, für andere zu sprechen und zu urteilen. Ich bin und bleibe Max. Nicht vergessen möchte ich an dieser Stelle noch, die grandiose Leistung des Küchen- und Service-Teams des Grand Hotels Heiligendamm zu erwähnen. Die Damen und Herren aus aller Herren Länder haben erstklassige Arbeit geleistet, durch die ein solcher Abend erst richtig zur Geltung kommt und in bester Erinnerung bleibt.

Zu reden wäre aber tatsächlich auch über einiges, was solche Events (das ist auch unschönes neudeutsch) ausmachen sollte. Denn nach meinem Verständnis haben ein klares Konzept und die kulinarische Identität eines Landes Vorrang vor einer vermeintlich cleveren Geschäftsidee.

slider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider image

Das könnte Sie auch interessieren

Hier finden Sie ein paar Vorschläge zum Weiterlesen.