Geschmackssache: Max is(s)t zufällig …

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Huhn à la Napoleon - Pollo alla Marengo

Mitunter wird mir vorgehalten, dass ich nichts gern dem Zufall überlasse. Nun ja, es kann durchaus sein, dass ich die meisten Dinge schon recht strukturiert planend angehe. Da setzt sich eben der studierte Archivar und Historiker in mir durch. Was nicht heißt, dass ich auch mal „alle Fünfe gerade sein“ lasse und so dem Zufall Tür und Tor öffne. Denn der kann auch sehr angenehm und belebend sein. Kommt eben, wie immer, auf die konkreten Umstände bzw. das Aussehen des Zufalls an …


Das gilt auch und im Besonderen bei meinen kulinarischen Ausflügen in die Welt des guten Geschmacks. Dabei spielen anregende Ideen oft eine maßgebende Rolle, ohne sich an strenge Rezepte zu halten. So habe ich kürzlich im Rahmen meiner Recherchen ein geflügeltes Rezept gefunden, das auf den ollen Napoleon zurückgehen soll. Der hat fast genau auf den Tag (14. Juni) vor 222 Jahren im italienischen Marengo im Rahmen des sogenannten Zweiten Koalitionskrieges die Österreicher kräftig vermöbelt.

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Nach der Schlacht war der Feldherr wohl erschöpft und vor allem hungrig. Sein Pech: Die Dorfkneipe war produktmäßig ziemlich abgebrannt, so dass die Wirtin improvisieren und ein Gericht aus Huhn, Champignons, Zwiebeln und ein paar Eiern zaubern musste. Dass diese Episode in Laufe der Zeit medial durchaus unterschiedlich zurechtgelogen wurde, liegt in der Natur der Sache. Deshalb gibt es heute mal wieder historisch-kulinarisches Bildungslesen und -kochen mit reichlich kreativen Spielraum für Ihr zufälliges „Pollo alla Marengo“.


Dafür wird das gerupfte Federvieh, am besten vom Bauern Ihres Vertrauens, in sechs bis acht Stücke geteilt, die Sie der Haut entledigen. Dann kann das Hühnerfleisch mit etwa einem Pfund stückigen Tomaten, die gab es bei Napoleon sicher noch nicht, etwa eine Dreiviertelstunde schmoren. Sodann schnippeln Sie ein halbes Pfund Champignons klein, oder halbieren die Dinger, sowie die gleiche Menge Frühlingszwiebeln oder Schalotten und braten sie mit einem guten Esslöffel Butter an. Gewürzt wird nach einigen Minuten mit Zitronensaft, Salz und Pfeffer.


Das gegarte Geflügel wird nun aus dem Topf entlassen und zu den Hühnerbrüstchen gegeben, die nach dem Anbraten warm gestellt wurden. Die entstandene Soße wird sämig eingekocht und abgeschmeckt. Dann kommen Geflügel, die Pilze und das Gemüse wieder hinein. Inzwischen wird in der Pfanne etwas Butter geschmolzen und darin vier Eier aufgeschlagen, verrührt und nach Geschmack gesalzen und gepfeffert.


Noch nicht ganz gestockt werden die Eier mit den übrigen Zutaten angerichtet und mit feingehackter Petersilie bestreut. Dazu kann man geröstete Weißbrotscheiben und sollte man ein Glas guten Rotweins reichen. Davon hatte der Kaiser in spe sicher reichlich im Handgepäck. Weitere geflügelte Kochideen gibt’s in meiner virtuellen Rezeptothek. Und wie sagte schon Napoleon: „Der Mutige gewinnt jede Schlacht“. Und wenn’s eine Küchenschlacht ist. In diesem Sinne: Viel zufälligen kochenden Mut. Mahlzeit.


Das Kolumnen-Titelfoto für den Monat Juni zeigt einen Gang aus einem Menü von Eike Steinort im Restaurant "Der Steinort" im Hotel Wassersleben an der Flensburger Förde vom März 2021: Milchkalb | Petersilienwurzel | Buchweizen | Morchel | Schokolade

Diese  Kolumne erschien am 16.6.2022 in allen Ausgaben der Schweriner Volkszeitung sowie der Norddeutschen Neuesten Nachrichten.

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