Auf meinen Surf-Touren im Internet entdecke ich oft pikante Filmchen. Kulinarisch gesehen, versteht sich. Es ist aber auch viel kochender Müll dabei. Also Augen auf beim Nachkochen. Gefreut habe ich mich jedoch kürzlich, ein Video zu entdecken, das im Restaurant „Wjelbik“ in Bautzen gedreht wurde. Das gastliche Haus habe ich schon besucht, als ich 2008 den Bildband „Kulinarische Entdeckungsreise durch Sachsen“ geschrieben habe.
In dem Video bereitet Küchenchef Thomas Lukasch ein traditionelles sorbisches Essen, Tafelspitz mit Meerrettichsoße, zu. Sie werden vielleicht wissen, das ist gekochtes Rindfleisch mit bayerisch-österreichischen Wurzeln. In unserer Familie gab es in meiner Kindheit Ähnliches. Da habe ich stets das Weite gesucht. Keinen Hunger, und so … Aber man(n) wächst ja auch über seinen Geschmack.
Den habe ich vor allem wegen der deftigen Soße entwickelt. Trauen Sie sich, mit mir das Fleisch nach dem Wjelbik-Rezept zuzubereiten. Dafür nehmen Sie ein stattliches Stück falsches Rinderfilet, das Sie grob von Sehnen und Fett parieren. Dann rein in einen großen Topf, mit kaltem Wasser auffüllen und mit Gewürzen wie schwarzem Pfeffer, Piment, einigen Nelken und Lorbeerblättern sowie grob gewürfeltem Gemüse wie Porree, Möhren, Sellerie und Zwiebel drei bis vier Stunden kochen.
Das Fleisch ist gar, wenn es leicht von der Gabel herunterrutscht. Dann kommen Fleisch und Gemüse raus aus dem Topf. Die Brühe können Sie nun klären. Wie das geht, steht in meiner Rezeptothek. Wenn Sie aber beim Kochen aufpassen und regelmäßig den Schaum abschöpfen, ersparen Sie sich das. Final können Sie die Brühe aber durch ein Tuch seihen. Das Fleisch legen Sie aufgeschnitten in einen Teil der warmen Brühe.
Für die Soße bereiten Sie zunächst eine Mehlschwitze zu. Dafür zerlassen Sie reichlich Butter und geben Mehl hinzu. Diese Mische wird mit dem Schneebesen leicht schaumig gerührt und langsam mit der Brühe aufgefüllt. Damit die Soße etwas heller ist, kann man noch Milch oder Sahne hinzufügen. Dann kommt reichlich Spreewälder (!) Meerrettich ins Spiel. Man muss die Schärfe deutlich akzentuiert herausschmecken. Angerichtet wird, indem Sie die Fleischtranchen mit der Soße überziehen, noch etwas frischen Meerrettich darüberreiben und mit Butter beträufeln. Dazu kann man "nur" frisches Sauerteigbrot, aber auch Salzkartoffeln, Kartoffelpuffer oder -klöße reichen. Auch dafür bietet meine Rezeptothek viele Anregungen.
Ich wäre aber nicht ausgekocht genug, wenn ich nicht auch eine norddeutsche Tafelspitz-Variante zu bieten hätte. Dafür werden Fleisch und Gemüse erst kurz angebraten, dann gewürzt, mit Portwein abgelöscht und mit Gemüsebrühe aufgefüllt bis zu sechs Stunde sachte gekocht. Lassen Sie sich überraschen, wie das in Szene gesetzt wird. Das steht natürlich auch im Internet und ist etwas aufwendiger. Durch geschmacklich-kombinatorische Raffinesse unter anderem mit Sauerkirschen und einer pikanten Wacholdersoße werden Ihre Mühen aber belohnt. Also frisch aufgekocht. Mahlzeit.
Das Kolumnen-Titelfoto für den Monat Juni soll daran erinnern, dass der Sommer auch die Hohe Zeit süßer Verführungen ist.
Diese Kolumne erschien am 1.6.2024 in allen 9 Regionalausgaben der Schweriner Volkszeitung, in den Norddeutschen Neuesten Nachrichten und im Prignitzer sowie in 10 Regionalausgaben des Nordkurier in MV und der Uckermark.