Als studierter Archivar, Historiker und Bibliothekar habe ich im Zusammenhang mit meiner Leidenschaft für gutes Essen ein ausgeprägtes Faible für historische Kochbücher. Meine Sammlung aus Alt und Neu nimmt inzwischen stattliche Ausmaße an. Da kann man(n) seinem Geschmack in vollen Zügen frönen. Kürzlich habe ich im Internet ein „Lexikon der Küche“ aus dem Jahr 1929 sehr preisgünstig ergattert. Das stammt aus dem Geburtsjahr meiner Mutter, der ich meine Liebe zum Kochen größtenteils zu verdanken habe.
Das fast 800 Seiten umfassende Büchlein liest sich wie ein spannender kulinarischer Roman. Und verführt auch zum Recherchieren zu alten Bezeichnungen und dem Bezug zu Gerichten, wie man sie heute zubereitet. Dafür lege ich mir eine Tabelle an, die ich vielseitig abrufen und meine Mahlzeiten recht kreativ gestalten kann. Heute möchte ich Ihnen wieder einmal etwas aus dem Meer auf den Tisch zaubern. Mengenangaben sind dabei eher Nebensache. Auf die Machart kommt es an.
Dorsch nach pommerscher Art beschreibt das Lexikon so: Den Fisch entgräten, in Stücke schneiden, salzen und in Wasser kochen. Raus aus dem Topf und abtropfen lassen. Dann legen Sie in eine gefettete Auflaufform eine Schicht geschnittener, warmer Pellkartoffeln, die mit Butterflöckchen und kleingehackten Zwiebeln bekrönt werden. Gewürzt wird mit Salz und Pfeffer ganz nach Geschmack. Darauf kommt nun eine Lage Fisch, der mit Reibebrot bestreut und süßem Rahm übergossen wird.
Das wiederholen Sie so lange, bis Ihnen der Fisch ausgeht, oder die Auflaufform ihren Füllstand erreicht hat. Obenauf sollte jedenfalls noch eine Kartoffelschicht passen, die ebenfalls mit Reibebrot, ersatzweise grobem Paniermehl, und Butterflöckchen bestreut ist. Rein in den vorgeheizten Ofen, auf Sicht backen und final entweder stürzen oder portionsweise ausstechen. Da geht als vollwertige Hauptmahlzeit durch.
In meiner virtuellen Rezeptsammlung biete ich Ihnen auch noch einen Dorsch/Kabeljau nach Bäcker- und flämischer Art an. Probieren Sie sich aus. Da der Autor des eingangs erwähnten Lexikons Richard Hering heißt, will ich Ihnen mit einem Heringsgericht auch das Gold der Ost- und Nordsee schmackhaft machen. Der Namensgeber bietet unter anderem eine Pförtner-Art an. Dafür wird der ausgenommene Hering eingekerbt, in die Einschnitte mit gehackter Petersilie vermischter Senf gegeben und alles in Butter gebraten, final mit der braunen Butter übergossen und mit einem „wönzigen“ Tropfen Essig gewürzt.
Geschmacklich interessant sind auch Herings-Kreationen nach russischer Art. So beispielweise die kurländische Variante, bei der der Hering mehliert, gebraten und in einer Form mit gebackenen Zwiebelringen und Bratspeck bedeckt wird. Darüber kommt saure Sahne. Gewürzt wird mit afghanischer Soße und Tomatenmus. Mit Parmesan bestreut und mit Butterflöckchen bekrönt wird auch dieser Fisch in der Röhre gebacken. Zu beiden Varianten kann ich mir gut knackige Bratkartoffeln vorstellen. Inklusive des finalen Köm, versteht sich.
Fazit: Es ist durchaus nicht antiquiert, sich der Kochweise der Altvorderen zu bedienen. Es gilt auch hier der Grundsatz: Ein Blick ins Buch, und zwei ins Leben. Also in den Kochtopf…
Diese Kolumne erschien am 21.1.2021 in der Schweriner Volkszeitung und der Neuen Osnabrücker Zeitung.