Bevor es mich in den „hohen Norden“ verschlagen hat, war ich beruflich oft mit dem Zug unterwegs. Meist hatte ich in Berlin, Potsdam oder anderen Bezirksstätten zu tun. Solche Zugfahrten waren meist lustig. Man lernte mehr oder weniger sympathische Leute kennen und knüpfte manchmal zarte Bande. Ganz zu schweigen davon, dass es in Berlin viele Dinge gab, die in der Provinz eher rar waren. Werde wohl irgendwann mal meine zugreisenden Memoiren schreiben. Oder lieber nicht…
Mit Zugfahren ist es jetzt bei mir vorbei. Die wenigen Bahnfahrten seit über 25 Jahren kann ich an einer Hand abzählen. Und gefallen haben die mir auch nicht. Wenn ich aber in und um Leipzig zu tun habe, führt mich mein Auto stets wie von Geisterhand gelenkt zum Hauptbahnhof. Denn der hat ein schmackhaftes Geheimnis: Eine geile Fressmeile, in der man tolle Dinge verkosten und kaufen kann. Vor allem gibt es dort einen Schlachter aus Thüringen, der verkauft Wurstsuppe und Wellfleisch. Allein bei dem Gedanken läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
Im Norden kenne ich Schlachter, die wissen nicht mal, was, wie ich sie nenne, „Wurschtsuppe“ ist. Und wenn man ihnen es dann erklärt, bekennen sie, „das Zeug“ wegzuschütten. Heiliger Strohsack, wissen die denn nicht, welche Köstlichkeit sie da vernichten. In Thüringen wird diese Brühe sogar eingeweckt und später in vielfältiger Weise verarbeitet. Umso mehr hat es mich gefreut, ein Rezept aus dem Norden zu entdecken, das der delikaten Brühe huldigt.
Heute gibt’s einen deftigen Eintopf, der „echt norddeutsch“ sein soll und Klümpe genannt wird. Dazu brauchen Sie vor allem einen groooßen Topf. Schneiden Sie eine Stange Porree, einen halben Sellerie, zwei Zwiebeln klein und drei Scheiben Weißbrot in Würfel. Von der Wurschtsuppe, die im Norden natürlich Schlachtebrühe genannt wird, schöpfen Sie das Fett ab und rösten darin die Weißbrotwürfel leicht an.
Nun werden je ein Kilo rohe und gekochte Kartoffeln wie für Puffer gerieben, die rohen danach gut ausgedrückt. Jetzt geht es drei Eiern an den Kragen, die mit drei Esslöffeln von der Stärke der rohen Kartoffeln vermischt werden. Kartoffeln und Eier gut mischen und mit Salz und Muskatnuss abschmecken. Daraus werden Klößchen, also die Klümpe, geformt, die in die kochende Gemüsebrühe gelegt werden. Ich bin allerdings kein Freund überdimensionaler Klößchen. Viel größer als Tischtennisbälle sollten die nicht sein. Schwimmen die Dinger oben, wird auf kleiner Flamme etwa 25 Minuten weitergegart.
Die Klümpe kann man natürlich auch in Form von Grießklößchen herstellen und den Eintopf mit einer deftigen Wurst, beispielsweise Bregenwurst verfeinern. Wenn ich früher im Spreewald beim Schlachtfest war, haben wir ja auch immer „rein versehentlich“ die eine oder andere Leberwust angestochen, damit die Brühe recht würzig wurde. Und Klümpe, das hat mir das Internet verraten, kann man ohne Ende variieren und geschmacklich kombinieren. Sollten Sie mal tun.
Übrigens: Im ostdeutschen Süden gibt’s ein Sprichwort, das besagt, dass einer nicht auf der Wurschtsuppe angeschwommen kam. Soll wohl auf gut norddeutsch heißen: Das ist ein plietscher Jung. Alles klar?! Gauden Appetit.
Diese Kolumne erschien am 12. September 2017 in der Schweriner Volkszeitung.