Seiten-Blicke: Wild gekocht ist gut gegessen

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Geschmackvoll: Wild(e) kulinarische Leidenschaften

Der Korrektheit halber muss ich zugeben, dass ich mich erst im Laufe der Zeit an Wild gewöhnen musste. Kaninchen beispielsweise ist auch heute noch nicht mein Ding. Wohl wissend, welche köstlichen kulinarischen Kreationen man daraus entwickelt kann. So ist das eben mit dem Geschmack. Die Lust auf Wild ist aber nicht einmal so sehr mit dem essen gekommen, viel mehr mit dem Ausprobieren. Es ist in diesem Zusammenhang eine lohnenswerte Aufgabe, geschmackliche Nuancen zu entwickeln, die nicht alltäglich sind. Wacholderbeeren kann jeder. Aber Kräuter und Gewürze raffiniert zu kombinieren, ist eine schier unendliche Herausforderung, der ich mich immer wieder stelle. Dass dabei auch Missgeschicke entstehen, liegt in der Natur des Versuchs. Vor allem aber sollte man nicht zu "wild" agieren. Sprich: man muss sich Zeit nehmen, damit es letztlich ein Gaumenschmaus wird. Das trifft für den Festtagsbraten, Ostern steht vor der Tür, ebenso zu, wie für die kleinen Mahlzeiten im Familien- oder Freundeskreis. Auch hier gilt mein Motto: Die Neugier auf kulinarische Überraschungen darf nicht versiegen. In diesem Sinne: Mut zum "wilden" Geschmack.

Karenz bei Malliß. Aus Hamburg zugezogen haben sich Birgit Eckardt und ihr Mann Ende der 1990er in der Griesen Gegend den Traum vom eigenen Heim mit viel Auslauf und in schöner Natur erfüllt. Durch ihren Mann ist die Hausfrau seit dieser Zeit auch zur Jägerin geworden und hat schnell herausgefunden, „dass Jagd absolut notwendig ist. Notwendig, um einen gesunden, artenreichen Wildtierbestand zu erhalten."

Durch die Beschäftigung mit dem Waidwerk hat Birgit Eckardt aber auch die Liebe zur Zubereitung von Wild gefunden. Entgegen der weit verbreiteten Ansicht, dass Wildgerichte nur in die kalte Jahreszeit passen, weiß sie längst, wie trefflich Wild auch im Sommer schmecken kann. Der kulinarischen Fantasie sei dabei keine Grenzen gesetzt. Man kann sich dabei gleichermaßen ausprobieren und mit den geschmacklichen Nuancen spielen.

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Mehr noch, die passionierte Hobbyköchin ist überzeugt davon, dass Wildfleisch das einzige wirkliche Bio-Fleisch sei, denn Wild ernährt sich seiner Art entsprechend und bekommt keine Medikamente. Ganz zu schweigen davon, dass Wildfleisch, abgesehen vom fettreicherem Kaninchenfleisch, sehr mager, kalorienarm und damit recht gesund ist. Es enthält Nährstoffe in ähnlicher Konzentration wie die in gängigen Fleischarten und liefert vor allem Vitamine der B-Gruppe sowie Eisen, Zink und Selen. Grundsätzlich gilt auch, dass Fleisch von Gatter- und Volerienwild weniger aromatisch als das von wildlebenden Tieren ist.

Birgit Eckardt empfiehlt, das Wild direkt beim Forstamt, bei spezialisierten Wildverarbeitern oder beim Jäger des Vertrauens zu kaufen. Da weiß man, dass es frisch und hygienisch unbedenklich ist.  Ein Einlegen von Wild in Buttermilch oder Rotwein sei deshalb nicht erforderlich, so Eckardt. Was nicht heißt, dass man mit dieser Methode ganz eigene geschmackliche Nuancen erreichen kann.


Vom Verzehr von rohem Wildfleisch, beispielsweise in Form von Carpaccio, raten  Ernährungsexperten allerdings ab, obwohl es dafür eine illustre Zahl von Rezepten gibt. Als unbedenklich gilt wohl diesbezüglich Carpaccio von Wiederkäuern wie Hirsch und Reh, wegen der Trichinengefahr aber nicht das von Wildschweinen. Wer trotzdem nicht auf den hauchdünnen Fleischgenuss vom Wildschwein verzichten möchte, kann neben dem verantwortungsbewussten Kauf mit einer einfachen Methode auf die ganz sichere Seite gelangen. Koch Martin Naumann empfiehlt zusätzlich eine spezielle Beize, die  mögliche Parasiten abtötet und trotzdem die schöne rötliche Farbe des Fleische erhält. 

So geht die Beize: Auf ein Kilogramm Wildrückenfleisch den Abrieb von einer Zitrone, 200 Gramm grobes Meersalz, 100 Gramm Bautzner Senf, 5-7 cl Wacholderbrand sowie 10 bis 15 grob zerstoßene Pfefferkörner. Als geschmackliches i-Tüpfelchen regt er an, unter das Meersalz zwei bis drei Blätter gezackte Stevia unterzumengen. Die Marinade auf das Fleisch geben und nach zwei bis drei Tagen mit einem feuchten Tuch abwischen. Danach kann das Fleisch leicht angefrostet und in hauchdünne  Carpaccioscheiben geschnitten und angerichtet werden.

Wildgerichte "leben" für Birgit Eckardt übrigens vor allem auch in der Verwendung von Gewürzen aller Art: "Fertiges Wildgewürz nehme ich gar nicht.  Ich arbeite viel und reichlich mit frischen Kräutern, gerne auch mit Knoblauch, Ingwer, Salz, Chili und Paprika. Bei alledem darf man natürlich nicht den typischen Wildgeschmack kaputt machen. Das ist eben eine Frage des Fingerspitzengefühls." Auf jeden Fall, so die Hausfrau, ist es auch an milden Sommerabenden ein Hochgenuss, Wild kalt oder warm, eventuell kombiniert mit aromatischen (Wild-) Salaten, in vielen Facetten zu genießen. Dazu ein charakterstarker Wein und der Abend wird in jeder Hinsicht zum Erlebnis, meint die Neu-Karenzerin schmunzelnd.

Diese Kolumne und dieser Beitrag erschienen im Rahmen der Seite
"Kochen & genießen" in der Schweriner Volkszeitung vom 8. April 2014.

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