Auf den Geschmack zu kommen, ist mitunter viel Zufall. Man muss aber neugierig genug sein, etwas besonderes zu entdecken. Kein Wunder also, dass ich mich vor und auf Reisen meist vom Internet inspirieren lasse, Kleinode in jeder denkbaren Auslegung des Wortes zu entdecken. Dabei sollte man sich nicht nur von bekannten Orten und wohlklingenden Namen locken lassen, sondern sozusagen auch den Mut zur Lücke haben. Aus diesem Grund lohnen sich meist auch die eher unscheinbaren Gastlichkeiten am Rande großer Städte. Wenn man dann noch, wie in Klaffenbach, auf ein ansehnliches Schloss trifft, ist die Trefferquote für Genuss schon sehr hoch. Muss aber nicht sein. Umso erfreulicher sind dann Entdeckungen, die sowohl bodenständige Küche als auch exzellente kulinarische Kreationen bieten, die keinem Vergleich an anspruchsvolle Küche zu scheuen brauchen. Vor allem spricht für solche Unternehmungen auch, dass man gleichermaßen genießen und entdecken, also auf historischen Pfaden wandeln kann. Diesmal liegt mein Blick über den Tellerrand im Sächsischen. Das nächste Mal verführe ich Sie ins Rheinland. Bleiben Sie schön neugierig.
Chemnitz. Als gebürtiger Erzgebirger kannte ich die Stadt schon aus der Zeit, als sie noch Karl-Marx-Stadt, die Stadt mit den drei O, hieß und im Volksmund auch "Ruß-Chamtz" genannt wurde. Ziel meines nächsten Blickes über den kulinarischen Tellerrand sollte das Schlosshotel Klaffenbach sein, das ich bisher nur von Hören und Sagen kannte. Was ich im Internet vorab recherchieren konnte, hat mir ziemlich gut gefallen. Ich kann es vorwegnehmen, meine Erwartungen wurden mehr als positiv übertroffen.
Das inmitten herrlicher Natur gelegene weiße Renaissance-Wasserschloss wird von einem markanten Gebäudeensemble eines ehemaligen Rittergutes flankiert. Einst im Mittelalter erbaut, wurde der gesamte Gebäudekomplex in den letzten beiden Jahrzehnten aufwändig saniert und restauriert. Hier befinden sich neben zwei Atelierhäusern mit Silberschmiede, Kerzenladen, Porzellanstudio und Glasgalerie das Schlosshotel, das Gewölberestaurant, das Schlosscafe und die Gaststube Torwache.
Natürlich war auch diesmal die kulinarische Seite des Hauses Objekt meiner Begierde. Und ich war gespannt auf Küchenchef Jens Herrmann, von dem der Ruf ausgeht, dass viele Gäste vor allem wegen ihm nach Klaffenbach am Rande von Chemnitz kommen. "Wenn Herrmann kocht..." ist in diesem Sinne längst zu einem geflügelten Wort geworden. Hoteldirektor Ralf Langer: "Eine bessere kulinarische Visitenkarte kann man sich gar nicht denken." Nach seinem kulinarischen Anspruch gefragt, erklärt mir der so gelobte Küchenchef mit unverkennbarem Akzent: "Ich, respektive unsere Küche, stehe für hausgemachte, bodenständige sächsisch-erzgebirgische Küche, die eine gewisse Raffinesse nicht vermissen lässt. Man(n) hat schließlich seinen Beruf nicht umsonst gelernt."
Ein Blick in die Speisenkarte verrät, wie recht er hat. Herrmann und seine Mannschaft zaubert aus den vielfältigsten regionalen Produkten trefflich zubereitete Vorspeisen, Suppen und Hauptgerichte. Dazu gehören sächsischer Ziegenkäse mit Walnüssen in Strudelteig gebacken ebenso wie sächsisches Linsensüppchen mit magerem Speck und frischen Kräutern oder gekräutertes Jungschweinfilet auf Pilzragout und Kräuterspätzle. Herrmann, der Kräuterfan, wie er leibt und kocht. Nicht umsonst verehrt er schließlich Ingo Holland, der in der Branche als Kräuterpapst gehandelt wird. Ich kann nicht anders und koste ein Linsensüppchen: ein Gedicht für den Gaumen. Und einen Happen von dem verführerischen Schweinsfilet konnte ich mir auch nicht verkneifen.
Jens Herrmann scheut sich aber auch nicht, schottisches Ochsenbäckchen, argentinisches Hochlandrind oder nordisches Fjord-Lachs-Filet auf den Tisch zu bringen. Und bereitet das alles auf seine eigene Weise zu, übersichtlich und mit dem Hang zur feinen geschmacklichen Raffinesse, die oft "nur" im Detail liegt. Wer gegrilltes Filet von der Poularde unter einer Parmesanhaube auf geschwenkten Kirschtomaten und mit gefüllten Ravioli anbietet, der muss sich, so einfach das Gericht anmutet, seines Geschmacks und seiner handwerklichen Fertigkeit schon sicher sein.
In einem aber bleibt Herrmann konsequent: Wild, Geflügel sowie Karpfen und Forellen stammen aus heimischen Gefilden. Da beweist er sich buchstäblich als Komponist kulinarischer Kreationen, lässt gegrillte Hirschmedaillons unter der Nusskrume auf glacierten Trauben servieren oder kombiniert zart geschmorte Gänsebrust mit karamellisierten Maronen. Ebenso kulinarisch ideenreich sein Gutherrenmenü "Freiherr von Taube", bestehend aus einem Tomatensüppchen mit Rahm und gedämpftem Reis, eine Brasserie-Platte nach Art des Hauses oder eine Variation von Seefischen sowie einen Klaffenbacher Dessertteller als süße Überraschung aus der Küche. Nicht auszudenken, wenn ich hier einen ganzen Tag hätte verweilen können. Was nicht ist, kann ja noch werden.
Serviert wird das alles im Gewölberestaurant, oder dem stilvoll-eleganten Salon "von Taube". Urig-rustikal geht's dagegen in der Gaststube "Torwache" zu. Hier wird das aufgetischt, was man gutbürgerliche Küche nennt. Sauerbraten, Schweineschnitzel, Hirsch- oder Entenkeule, Klaffenbacher Bauernsülze oder Würzfleisch, da wird jeder satt und es mundet offenbar köstlich. Ein Gast machte sich jedenfalls genüsslich über die Bauernsülze her. Ich habe ihn beneidet, mir hat der Zahn getropft.
Und in der warmen Jahreszeit finden auf dem Innenhof des Schlossensembles zahlreiche kulturelle Veranstaltungen statt. Wenn Jan Josef Liefers & Band hier aufschlägt, ist das wohl kein Zufall. Der Mann hat schließlich Geschmack und weiß, wo es schön ist...
Diese Kolumne und dieser Beitrag erschienen im Rahmen der Seite
"Kochen & genießen" in der Schweriner Volkszeitung vom 17. Juni 2014.