Schleuderservice kann jeder: Bestellen, Essen lieblos auf den Tisch, zahlen. Geht es Ihnen auch manchmal so, liebe Leser, dass ein Restaurantbesuch erst dann zum echten Erlebnis wird, wenn neben dem Essen auch der Service eine runde Sache ist? Ich schätze es nämlich sehr, wenn ich offenen Blickes individuell beraten und freundlich bedient werde. Das ist für mich der beste Einstieg in einen gediegenen Restaurant-Aufenthalt. In diesem Sinne beobachte ich bei solchen Besuchen auch stets sehr aufmerksam, weil das ein Kriterium für eine Empfehlung und ein Wiederkommen ist. Da kann der Braten noch so gut gelungen, der Wein noch so gut munden - ohne die Kommunikation mit dem Service geht gar nichts. Wenn dann noch der Küchenchef an den Tisch kommt und sich nach dem Wohlbefinden und dem Essen erkundigt, wird alles nahezu optimal. Freilich geht das in einfachen Gaststätten nicht ohne weiteres. Aber da gibt's ja die Wirtin oder den Wirt. Und auch deren Auftritt im weitesten Sinne des Wortes tragen zum gastronomischen Erlebnis bei. Das war in der "Zwiwwel" in Ladenburg eine perfekte Sache. Zur Nachahmung allerorts empfohlen. Von Kap Arkona bis zum Bodensee.
Ladenburg am Neckar. Wenn ich das Wort "Neckar" höre, fällt mir immer das Lied ein, das Heidelberg eine Reverenz erweist, weil man dort am Neckarstrand sein Herz verloren hat. Ich weiß aber inzwischen, dass an dem wunderschönen Fluss noch andere größere und kleinere Städte liegen, die einen ganz eigenen Charme ausstrahlen. So beispielsweise Ladenburg, etwas nordwestlich von Heidelberg gelegen, das als die älteste rechtsrheinische Stadt Deutschlands gilt. Die Kleinstadt hat einen malerische Altstadtkern mit vielen restaurierten Fachwerkhäusern, hübschen Geschäften und einer Vielzahl von Kneipen, Gasthöfen und Restaurants. Der Ort war einst eine blühende Römerstadt. Kein Wunder also, dass man vielerorts auf deren Spuren wandeln kann.
Da ich aber in kulinarischer Mission unterwegs bin, kehre ich zielgerichtet im Gasthof "Die Zwiwwel" ein. Es ist sicherlich nicht schwer zu erraten, welche Bedeutung der Name hat. Das Restaurant mit den drei Gasträumen ist, ganz dem historischen Ambiente der Altstadt geschuldet, stilvoll und sehr geschmackvoll eingerichtet. Überall Holztäfelung, kleine, schöne Accessoires und stilvoll gedeckte Tische. Das lässt auf angenehme Überraschungen hoffen.
Begrüßt werde ich von Olaf Beermünder, dem Inhaber und Servicechef des Hauses. Der entpuppt sich als liebenswürdig-charmanter Gastgeber mit viel Ahnung vom gastronomischen Metier. Seine Beratung für Speisen und Getränke ist dezent. Ich war beeindruckt, wie er beispielsweise einem sehr fachkundigen Gastronomen-Ehepaar am Nachbartisch den korrespondierenden Wein zum Essen empfahl. Und auch mein Grauer Burgunder 2012 von Alexander Laible war später ein Gaumenkitzel zum Saltimbocca vom Elsässer Saibling.
Wobei wir beim Thema Küche wären. Dort regiert Lebensgefährtin Jennifer Kunz mit einer beeindruckenden Souveränität und Kreativität. Die kleine, aber feine Speisenkarte sagt viel über die Philosophie der Köchin aus, die weniger mit Worten, denn mit ihrer Kochkunst überzeugen will. "Ich koche, was der saisonale Markt hergibt und versuche, den Geschmack über das Produkt kreativ zu entwickeln. Das Produkt muss soweit wie möglich unverfälscht im Mittelpunkt stehen", so Jennifer Kunz. Kulinarischer Schnickschnack sei so gar nicht ihr Ding, so die Küchenchefin weiter: "Der Gast muss sich auf das Wesentliche konzentrieren können".
Sie bietet vier Menüs an, die man selbstverständlich auch ganz nach Gusto zusammenstellen kann. Was kombinatorisch gar nicht geht, darauf weist Olaf Beermünder schon unaufdringlich hin. Dazu ist er ja auch da, sonst gibt's Schelte von der Liebsten aus der Küche... Einen Michelin-Stern strebt das junge Paar übrigens nicht an. Aber einen sogenannten Bib Gourmand, so beide unisono, würden sie nicht ablehnen. Das ist kein Stern für Arme oder fachlich weniger versierte Köche, aber eine Ehrung für anspruchsvolle Küche und damit verbundene Qualität zum besten Preis.
Und eben die Qualität, meint Jennifer Kunz, setzt sich nicht automatisch über einen Michelin-Stern um. In diesem Sinne haben beide die Hoffnung, dass das die Tester früher oder später honorieren. Verdient haben sie den "Bib", wie man ihn kurz nennt, jedenfalls längst. Wer immer in Ladenburg Halt macht oder in der Nähe ist, dem sei jedenfalls die "Zwiwwel" wärmstens ans Herz gelegt. Hier ist der Gast wahrlich König. Er fühlt sich aber nicht so, sondern eher zu einer Familie gehörig. Das ist doch kein schlechter Anspruch für ein gastronomisches Erlebnis mit Langzeitwirkung.
Diese Kolumne und dieser Beitrag erschienen im Rahmen der Seite
"Kochen & genießen" in der Schweriner Volkszeitung vom 8. Juli 2014.