Eine gehörige Portion Mut gehört immer dazu, wenn man neue Wege beschreiten sein. Aber es ist eine alte Weisheit, dass nur der Versuch klug macht. In diesem Sinne bin ich immer sehr von gastronomischen Angeboten angetan, die zeigen, dass sich die Gastgeber im besten Sinne des Wortes "einen Kopf" gemacht haben. Nichts ist frustrierender für mich, als in eine Wirtschaft zu kommen und zu sehen: Hier bist du eigentlich nur als zahlender Gast gefragt. Also rein mit einem riesigen Teller voller kulinarischer Einöde samt den üblich verdächtigen industriellen Fertigprodukten, dazu ein paar Getränke - zahlen. Der Nächste bitte. Wie viel schöner ist es doch, nach des Tages Arbeit in einem Ambiente anzukommen, das Wohlbefinden und Ruhe verspricht und durch einen freundlichen, unaufdringlichen Service dafür sorgt, dass man Abschalten und Genießen kann. Zu letzterem gehört natürlich auch eine Küche, die die Sinne anregt und viele geschmackliche Nuancen bietet, ohne den Gast damit zu überfordern. Das Geheimnis solcher Küche liegt für mich darin, dass man Einfaches raffiniert zubereitet und regionale Produkte immer wieder neu präsentiert.
Triepkendorf. Fernöstliche Küche in der Feldberger Seenlandschaft, das geht gar nicht. Irrtum vom Amt - und wie das geht. Das kulinarische Beispiel dafür liefert ein kleiner Gasthof unweit von Feldberg. Der heißt "Tenzo" und ist von der Namensgebung her einem Aufenthalt in einem japanischen Zenkloster, wo der Tenzo als Koch wirkt, geschuldet. Mit diesem schlicht-geschmackvoll eingerichteten Gasthof haben die Gastgeber Katarina Hering und Marcus Sapion ein wenig Selbstverwirklichung und beruflichen Neuanfang gewagt.
Der Gasthof bietet nicht nur ländlich-individuelles, anspruchsvolles Quartier, sondern auch eine Küche, die es in sich hat. Jahreszeitlich bedingt bietet die Karte eine kreative, nicht an Formen gebundene Gerichte mit größtenteils Produkten aus der Region. Was, Nomen est omen, Ausflüge in die asiatische Küche nicht ausschließt.
Aber keine Bange, Fernöstliches ist natürlich nicht das Prägende der Tenzo-Speisekarte. Sie bietet deftige Kreationen aus heimischem Wild oder Lamm ebenso wie frische Salate und Saisongemüse, immer wieder neue Varianten der vielfältigen Mecklenburger Fischküche und fantasievolle Desserts. Gekocht und zubereitet wird ohne besonders definierte Philosophie, was der Küchenchef und seine Partnerin selbst gern essen.
Aber vor allem, um den Gast im besten Sinne des Wortes zu überraschen und ihn als Freund wieder gehen zu lassen. Beeindruckend die fantasievollen kulinarischen Kombinationen von Marcus Sapion, der damit auf neue kulinarische Wege in der malerischen Seenlandschaft hinweist und zeigt, wie man kulinarische Tradition und Moderne miteinander verbinden kann. Er verarbeitet die Produkte so, dass sie noch einzeln wahrgenommen werden können und harmonisch zueinander passen.
Bei der Präsentation wird auf Farbspiel, Konsistenzen und Geschmack von süß, sauer, salzig, bitter und umami als fünfte Qualität des Geschmackssinns geachtet. Sein Anspruch an die Küche ist verblüffend einfach. "Man muss seine kulinarische Fantasie walten lassen und Kombinationen erzeugen, die wiederum Fantasie beim Gast entwickelt. Auf diese Weise tastet man sich an geschmackliche Nuancen heran, die man sonst gar nicht wahrnehmen würde", erklärt Sapion.
Diese Kolumne und dieser Beitrag erschienen im Rahmen der Seite
"Kochen & genießen" in der Schweriner Volkszeitung vom 28. April 2015.