Seiten-Blicke: Edles Gemüse aus der Nachbarschaft

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Geschmackvoll: Wer wartet, hat mehr Genuss

Wenn eine Gastronomin aus Westmecklenburg allen Ernstes mit überheblichem Gesichtszug und süffisant gespitztem Mund verkündet: "Wir bekommen unseren Spargel geschält aus Süddeutschland", dann fällt mir zunächst nichts dazu ein und mir klappt die Kinnlade runter. Ich war aber schnell so gefasst, dass ich mit einem mitleidigen Lächeln sanft an meine Stirn getippt und gesagt habe: "Das geht gar nicht." Die Jugend von heute würde im coolen Jargon etwa in Richtung "Rad ab, die Olsch" denken. Auf jeden Fall ist das Ganze "ein typischer Fall von Denkste..." und abseits aller kulinarischen Vernunft. Jede Hausfrau weiß, dass das sogenannte königliche Gemüse frisch am besten seine geschmacklichen Reize ausspielt. Das sollten gerade Gastronomen wissen, die ihren Gästen ja etwas Besonderes bieten wollen. Der Spruch "Wer angibt, hat mehr vom Leben" sollte wenigsten in dieser Hinsicht keine Chance haben. Hut ab also vor denen, die geduldig warten, bis der Spargel der Region verfügbar ist und neugierig darauf sind, was die Saison bietet. Das sollten Sie auch sein und hinterfragen, wo der Spargel herkommt, den man Ihnen demnächst auftischt.

Plau am See. Es ist wieder Spargelzeit. Das "essbare Elfenbein", wie das so genannte königliche Gemüse auch genannt wird, gehört ab Mitte April bis Johanni am 24. Juni nahezu allerorts zum kulinarischen Kult. Ich habe Stefan Zeisler, Küchenchef im Restaurant "Fackelgarten" in Plau am See, besucht und mich mit ihm über die Qualitätsmerkmale und die Zubereitung von Spargel unterhalten.

Orientieren, meint Zeisler, kann man sich beim Kauf von Spargel natürlich an den Güteklassen Extra, I und II, die sich hinsichtlich der Länge und Dicke der Stangen, ihrer Formgebung und des Aussehens der Spargelköpfe unterscheiden. Stefan Zeisler: "Darüber hinaus ist aus meiner Sicht das wichtigste Qualitätsmerkmal der Ort des Anbaus. Je kürzer die Transportwege zum Verbraucher, desto hochwertiger ist der Spargel und enthält die meisten Inhaltsstoffe. Bei jedem weiteren Transport oder Verarbeitungsschritt verliert er an Qualität." Sein Motto lautet deshalb: "Je näher, desto besser".  Er kann zwar verstehen, dass bei der Kürze der Spargelzeit auch mal aus entfernteren Anbaugebieten gekauft wird. Im Fackelgarten aber gibt's nur Spargel aus der unmittelbaren Nachbarschaft. Ich kann ihm nur zustimmen.

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Weitere Kriterien und Indikatoren für gute Spargelqualität sind natürlich, so Zeisler weiter, sind natürlich Geruch, Festigkeit und Farbe. Der Spargel sollte keine Verfärbungen oder Druckstellen aufweisen. Das Erscheinungsbild muss frisch und knackig, die Schnittstellen müssen feucht und glatt sein. An leicht gebogenem Spargel dagegen sollte man sich nicht stören. Wird der Spargel zu einem Ragout, einer Suppe oder einem Salat verwendet, ist die Biegung keineswegs bedenklich. Wird er als ganze Stange serviert ist natürlich die Optik beeinträchtigt. Daher wohl auch das Sprichwort: "Das Auge isst mit", meint Zeisler lachend.

Auf die Verarbeitung und Zubereitung von Spargel angesprochen, leuchten die Augen des jungen Küchenchefs. "Hier sind den Ideen sowohl der Hausfrau als auch des Profis kaum Grenzen gesetzt", meint er. Es beginnt bei den herkömmlichen Verarbeitungsformen, blanchiert als Beilage, als eigenständiges Gericht mit Sauce hollandaise oder zerlassener Butter, und geht über einen Spargelsalat  kombiniert mit Erdbeeren oder fruchtigen Bestandteilen bis hin zur klassischen Suppe mit Croutons oder Brotchips.

Zeisler, ganz seinem Beruf verpflichtet, nennt aber noch weitere Facetten anspruchsvoller Spargelgerichte wie Spargel Tarte, Spargel- Creme Brûlèe oder Spargel als Dessert serviert in Form eines Spargeleis oder Spargelküchleins. Rezepte gibt's genug, meint er. Weiß oder Grün? Während Zeislers Favorit der weiße Spargel ist, stehe ich auf die grüne Version des Gemüses. Kein Problem, meint Zeisler, deswegen sind die Geschmäcker ja auch verschieden. Der grüne Spargel sei besonders für Salate und kalte Vorspeisen. Möglich ist für Fisch- und Fleischspeisen auch ein tolles Ragout aus weißem und grünen Spargel. Das bietet er im "Fackelgarten" beispielsweise mit Fasan und jungen Kartoffel an. Mir läuft das Wasser im Munde zusammen.

Für ganz wichtig hält Zeisler aber die schonende Verarbeitung des edlen Gemüses. So sollte auch beim Schälen wenig Druck verwendet und schnell gearbeitet werden, damit der Spargel nicht unnötig lange und ungekühlt am Arbeitsplatz steht. Beim Garprozess ist zu beachten, dass der Spargel so viel Hitze wie nötig, aber auch so wenig wie möglich bekommt. Wenn Spargel nicht sofort serviert oder für kalte Speisen verwendet wird, sollte er kurz sehr kalt abgeschreckt und dann trocken weiter verarbeitet werden. Stefan Zeisler: "Jeder Kontakt mit Wasser entzieht dem Spargel das, was wir so an ihm schätzen, seine Inhaltsstoffe wie Kalium, Asparaginsäure, Phosphor, Calcium und die Vitamine A, B1, B2, C." Er ist der Fachmann, ich glaube ihm aufs Wort.

Und was ist sein Geheimtipp bei der Verarbeitung von Spargel? Zeisler schmunzelt und zwinkert lustig mit dem Auge: "Ich bin absoluter Fan von selbstgemachtem Spargeleis als Dessert. Für die Zubereitung wird der Spargel weich gekocht, dann püriert und durch ein Sieb gestrichen. Die Basis bildet wie bei herkömmlichen Eiszubereitungen Eigelb, Vollei und Zucker. Hier kann auch etwas Vanille zum Einsatz kommen. Diese Zutaten werden über einen Wasserbad zur Rose abgezogen, dann auf Eiswasser kalt geschlagen bis eine dickflüssige cremige Masse entsteht. Nun wird das erkaltete Spargelpüree behutsam untergehoben. Im folgenden Schritt arbeitet man geschlagene Sahne luftig unter die abgeschmeckte Eismasse. Ich serviere dieses Eis besonders gern zu frischem Rhabarberkuchen und etwas fein geschnittenem Basilikum." Wenn das kein Genuss ist, was dann...

Diese Kolumne und dieser Beitrag erschienen im Rahmen der Seite
"Kochen & genießen" in der Schweriner Volkszeitung vom 29. April 2014.

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