Seiten-Blicke: Darf es mal was anderes sein

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Geschmackvoll: Geschmack kennt keine Grenzen

Ich habe ein ausgeprägtes Faible für regionale Küche, die für mich im besten Sinne des Wortes zur Schwäche wird. Demzufolge esse, und trinke, ich auf Reisen und im Urlaub mit Vorliebe das, was die Region zu bieten hat. Die Palette reicht von Sauerbraten aller Couleur über deftige Suppen mit Maultaschen, Fisch und Meeresfrüchte bis hin zu Schlachteplatten, speziellen Schinkensorten und Käse, der verführerisch duftet und mit diversen Kräutern veredelt ist. Nur Weißbier in allen Variationen schmähe ich konsequent. Ich liebe es aber auch, wenn Köche kulinarische Kreativität beweisen, indem sie verschiedene kulinarisch-regionale Einflüsse miteinander verbinden und so den besten Beweis antreten, dass Geschmack wahrlich keine Grenzen kennt. Kulinarische Einfalt dagegen ist mir suspekt. Einheitssoßen für alle Gerichte sind mir ebenso ein Gräuel wie übervolle Teller mit teilweise undefinierbaren Zutaten, trockenen Salatblättern und langweiliger Präsentation. Und was für den Besuch in einer Restauration gilt, kann man auch auf das Kochen zu Hause anwenden. Deshalb ist Experimentieren am eigenen Herd eine ebenso spannende wie schmackhafte Sache. Probieren Sie doch mal aus, was Sie kochtechnisch auf der Pfanne haben. Kann gut sein, dass Sie ganz neue Talente an sich entdecken. Und bleiben Sie nicht nur kulinarisch immer schön neugierig.

Hagenow. Im Zentrum der mecklenburgischen Kleinstadt Hagenow gibt es ein Restaurant mit Seeblick. Na gut, der See ist nur ein kleiner Teich, aber die malerische Aussicht von der Terrasse oder dem Wintergarten auf die Kirche und die nahe Altstadt ist schon eine kleine Idylle. Sinnigerweise hat Inhaberin Cindy Schlink Carrasquinho das Restaurant auch "Perle am Mühlenteich" genannt.

Ein Blick auf die Speisekarte des Hauses verrät, dass der Küchenchef ein Faible für eine Kombination aus deutscher und mediterraner Küche hat. Kein Wunder, denn Francisco Carrasquinho, zufälligerweise der Mann der Hausherrin, wurde in der Algarve, der südlichsten Region Portugals geboren. Ich frage ihn einigermaßen unbedarft, wie er es gelernt hat, die deutsche Küche für sich zu erschließen. Der Koch lächelt verschmitzt und sagt: "Das ist ein Irrtum vom Amt, denn ich lebe seit meinem 12. Lebensjahr in Deutschland und habe meine Kochlehre im damaligen Bavaria-Blick in Hamburg St. Pauli absolviert. Ich bin also mit der deutschen Küche groß geworden und musste mir die portugiesische Küche neu erschließen und interpretieren."

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Dazu hatte er auch genügend Zeit, denn nach einer Tätigkeit im Altlohbrügger Hof hat es ihn zehn Jahre in seine portugiesische Heimat zurückgezogen, wo er in renommierten Häusern arbeitete und später noch eine ganze Weil auf einem Schiff über die Weltmeere schipperte. Die Liebe schließlich hat ihn wieder nach Deutschland gezogen. Seine Frau Cindy, die er bereits aus der Zeit in Hamburg-Bergedorf kannte, holte ihn 2010 in die "Perle", wo er seit dem das Zepter in der Küche schwingt.

Fortan entwickelte er das Restaurant ganz nach seinem Gusto und definiert seine Küche als internationale, aber bodenständige Küche mit frischen Produkten regionaler Herkunft, die er gekonnt auf die deutsche Küche abstimmt und mit ihr kombiniert. An der deutschen Küche, so Francisco Carrasquinho, gefällt ihm vor allem die Vielfalt der von den Jahreszeiten geprägten Produkte, an denen man sich kochtechnisch so richtig austoben kann. "Da fließen die Ideen nur so, und die Kombinationsmöglichkeiten mit mediterranen Akzenten sind nahezu unerschöpflich", meint der Koch. Ein wenig bedauerlich ist aus seiner Sicht, dass die die Mehrzahl der Deutschen Essen mehr als Nahrungsaufnahme, weniger als Genuss begreifen.

"Deftige Küche mit vollen Tellern und zu kleinen Preisen. Das Essen darf nichts kosten", ergänzt Ehefrau Cindy kritisch.
Und was empfiehlt ein portugiesisch-deutscher Koch für die Adventszeit? Carrasquinho: "In meiner Heimat wird viel Bacalhau zubereitet. Der ist in Deutschland unter der Bezeichnung Stockfisch bekannt, der roh gegessen, oder mariniert, gegrillt und gekocht zubereitet wird. Man verarbeitet ihn außerdem in Suppen, Salaten, Vorspeisen (Pastel de Bacalhau), Hauptgerichten und sogar als Desserts.

Ein weihnachtliches Rezept der etwas anderen Art hat der kulinarisch-umtriebige Koch auch spontan parat. Er würde eine klare Suppe aus der Wildessenz servieren und als Hauptgang einen Bacalhau auf Blattspinat mit einer Olivenöl-Ei-Vinaigrette und Petersilienkartoffeln auftischen. Als süßen Kontrapunkt empfiehlt er eine geeistes Mousse-Törtchen auf Quittenmark mit diversen Früchten.

Aber auch Variationen vom Fisch, Lamm, oder Wild sind seiner Meinung nach in der Weihnachtszeit beliebte Gerichte, die man trefflich mit mediterranen Komponenten kombinieren und seiner geschmacklichen Fantasie freien Lauf lassen kann. Wichtig sind für ihn dabei vor allem die frischen Zutaten aus der Region. Und was nicht aus der Region kommt, sollte man mit Bedacht und dem Blick auf erstklassige Qualität auswählen. Sein Credo: "Man muss die Region stärken und mit geschmacklicher Vielfalt die Gastronomie anspruchsvoll gestalten und die Gäste zum Geschmack führen."

Ich konnte mich übrigens auch mehrfach davon überzeugen, dass der Koch mit dem sympathischen Lächeln auch deutsch (kochen) kann. Sein Bauernfrühstück: À la bonne heure. Das sieht so aus, wie es aussehen und schmecken muss: Goldgelbe, knusprige Bratkartoffeln mit einer feingebackenen Eihülle ummantelt und gut gewürzt. Ich kenne genügend Gaststätten in der Region, da sieht das Bauernfrühstück wie schon mal gegessen aus, und schmeckt auch so. Auch solche vermeintlich leichten Gerichte müssen eben gekonnt sein. Nicht Masse, sondern Klasse ist angesagt.

Diese Kolumne und dieser Beitrag erschienen im Rahmen der Seite
"Kochen & genießen" in der Schweriner Volkszeitung vom 7. Oktober 2014.

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