Wenn jemand beim essen eines Gerichts allen Ernstes die Zutaten gedanklich buchstäblich in Einzelteile zerlegt, um "einen Ansatz zu finden, wie sie mit Olivenöl vielleicht noch besser gelingen würden", dann ist das schon nicht alltäglich. Bastian Jordan jedenfalls behauptet das von sich. Ich habe nach dem ersten Lesen seines Titels "Olivenöl. Das Kochbuch" (Edition Fackelträger: www.fackeltraeger-verlag.de) nicht den leisesten Zweifel mehr, dass der Mann das tatsächlich ernst meint. Er lebt buchstäblich für dieses grüne Gold, das durch die Arbeit seiner Familie zum begehrten flüssigen Gold für Hobby- und Profiköche weltweit wird.
Während seine Eltern und Großeltern seit 1989 auf Lesbos für die reibungslose Produktion in Griechenland sorgen, lenkt der Autor vom nordrhein-westfälischen Hilden aus die Geschicke des Familienbetriebes, dessen Produkte längst einen exzellenten Ruf bei der kochenden Zunft genießen. Aus seinem jahrelangen Umgang mit Olivenöl und seiner offensichtlichen Liebe zum guten Essen hat Jordan einen lesenswerten Titel entwickelt, der einen feinfühlig beschriebenen Mix aus Informations- und Kochbuch darstellt. Mehr noch, er hat es sogar geschafft, mehr als ein Dutzend Spitzenköche ins Buch zu bringen, die ihm ihre besten Rezepte verrieten, die sie im Zusammenhang mit Olivenöl sozusagen auf der Pfanne haben.
Jordan macht aus seiner Liebe zu dem von Mythen umrankten und durch Jahrtausende lange Geschichte geprägten Öl kein Hehl. Er verfällt dabei aber nicht wie andere Produzenten und Ölhersteller in den allgemeinen Lobgesang, nur seines sei das Beste und nur ihm gebühre das Alleinstellungsmerkmal, der Welt das Olivenöl erklären zu können. In einem eher spärlich betextetem, aber mit wunderschönen Fotos von Daniel Esswein illustrierten Informationsteil erklärt Jordan neben geschichtlichen Fakten die wichtigsten Stationen der Ölherstellung bis zum fertigen Produkt.
Wohl wissend, dass seine Leser vor allem genuss-affine Hobbyköche sein dürften. Ich bin mir aber sicher, dass inzwischen auch so mancher Kochprofi einen Blick in das Buch geworfen und sich Anregungen geholt hat. Wissenswertes über das Olivenöl hat Jordan auf nur fünf Seiten zusammengefasst. So viel wie nötig, um mitreden zu können, wenn es um die Verwendung von Olivenöl geht. Kulinarischer Klugschnackerei liegt Jordan offensichtlich nicht. Das macht nicht nur das Buch, sondern auch den Autor sympathisch.
Vielmehr geht es Bastian Jordan um facettenreiche kulinarische Anregungen, was man aus und mit Olivenöl alles zaubern kann. Allein die Vielzahl der von ihm entwickelten Dips und Aufstriche sind bester Beweis dafür, mit welch einfachen Mitteln man würzige Vor- und Zwischenspeisen zubereiten kann. Dazu gutes Brot und ein Glas guten Weines - Herz, was willst du mehr. Ganz abgesehen von dem Augenschmaus, den solche Kleinigkeiten bereits bieten. Das kann man zu allen Jahreszeiten und Anlässen genießen.
Seine geschmacklich-kombinatorischen Fähigkeiten offenbart Jordan im Besonderen auch bei der Präsentation mediterran geprägter Haupt- und Zwischengerichte. Alle Achtung, was er gemeinsam mit Heiko Antoniewicz aus Tomaten, Gemüse aller Couleur und Fleisch wie Kalbshaxe und -rücken, Lamm und Schwein sowie Fisch und Meeresfrüchten alles zaubert. Seine im Wesentlichen relativ einfach nachzukochenden Rezepte sind präzise beschrieben, in denen das obligatorische Olivenöl raffiniert eingesetzt wird. Hier geht es augenscheinlich um Klasse, statt um Masse.
Wer seiner Familie und seinen Gästen einmal kulinarische Köstlichkeiten der besonderen Art auftischen möchte, der kann in dem Buch auf tolle Rezeptideen zurückgreifen und sich als Hobbykoch profilieren. Selbst die Zubereitung würzigen Brotes mediterraner Prägung lässt Jordan nicht aus.
Ein großer Wurf ist Bastian Jordan auch mit der Tatsache gelungen, 13 Spitzenköche dafür zu begeistern, jeweils zwei ihrer Lieblingsrezepte unter Verwendung von Olivenöl zu veröffentlichen. In diesem Sinne wird die 13 wahrlich zur sternegekrönten kulinarischen Glückszahl. Das ist dann schon hohe Kochkunst, die aber in der Umsetzung auch durch ambitionierte Hobbyköche nicht unerreichbar ist. Unglaublich toll, wie beispielsweise Heiko Antoniewicz Olivenöl fest und flüssig mit Avocado, Tomate und Feta kombiniert. Oder der geniale Eintopf vom Rotbarbe, Sardine und Olive von Wolfgang Becker. Unglaublich kreativ und aufwendig auch die Rezepte von Sven Elverfeld, der unter anderem Kaisergranat mit Jungschweinbauch in Szene setzt. Man kommt aus dem Staunen und der kulinarischen Vorfreude nicht heraus.
Kurz und gut: Das recht großformatige Buch ist nicht unbedingt ein Kochbuch für alle Tage. Aber es ist eines für alle Ansprüche und Anlässe. Es zeigt eine große Vielfalt der Anwendung von Olivenöl, das Bastian Jordan noch nicht einmal näher spezifiziert. Man darf aber wohl guten Gewissens davon ausgehen, dass der die von seiner Familie produzierten Öle präferiert. Das Buch besticht durch einfache, klare Sprache und exzellente Rezeptideen mit großer Bandbreite an Zutaten. In diesem Sinne eignet es sich trefflich als Geschenk für lieb gewordene Menschen.
Ringelnatz schrieb einmal: "Ich hab dich so lieb. Ich würde dir ohne Bedenken eine Kachel aus meinem Ofen schenken." Auf Bastian Jordans Titel bezogen bedeutet dann Liebe, ohne Bedenken eine Seite aus seinem Buche zu schenken. Optimal, wenn dann die restlichen Seiten auch dran wären. Natürlich dient das Kochbuch auch zum Ausprobieren beziehungsweise zur Weiterentwicklung eigener kochender Talente. Man darf gespannt sein, ob sich Jordan weiteren Titeln zuwendet. Zu wünschen wäre es. Die Oliven dazu hängen schließlich an den Bäumen...