Wenn ich unterwegs bin, halte ich stets meine Augen offen für gastronomische Neuentdeckungen. Da genügt oft ein Schild am Straßenrand, um mich neugierig zu machen. So auch bei einer Fahrt entlang der B 95, an der in Chemnitz stadtauswärts auf eine „Villa Esche“ hingewiesen wurde. Ein Blick ins Internet genügte: Da musste ich hin.
Immerhin wird Chemnitz als "Stadt der Moderne" bezeichnet. Der markante Jugendstilbau ist auf den bekannten Architekten Henry van de Velde, einem Wegbereiter der Moderne und des Bauhausstils, zurückzuführen. Er entwarf die Villa 1902 im Auftrag des Chemnitzer Textilunternehmers Esche, die seine Besucher heute als Museum zu van de Veldes Schaffen sowie Tagungs- und Veranstaltungsstätte erwartet. Und das dem Haus angeschlossene Restaurant sieht sich, wie mir Geschäftsführer Falk Heinrich bestätigt, dem Gedanken der Moderne durchaus verpflichtet. Heinrich: „Chemnitz hat und nutzt die Chance, sich zu modernisieren. Unser Konzept ist am Puls der Zeit orientiert, also auch ‘im Geiste‘ modern. Wir orientieren uns gleichermaßen an Traditionen und aktuellen kulinarischen Trends.“
Die kulinarische Philosophie seines Hauses definiert er als „so einfach und so gut wie möglich“. Gastlichkeit, da kann ich ihm nur zustimmen, lebt von Gefühlen und von Leidenschaft, nicht vom Schwierigkeitsgrad des kulinarischen Angebots. Ich habe die Küche der „Villa Esche“ als eine erstaunlich kreative Mischung von ebenso bodenständigen wie anspruchsvollen Gerichten kennengelernt. In dem dezent-elegant eingerichteten, lichthellen Restaurant muss man nicht fürchten, „kulinarisch-intellektuell“ essen zu müssen.
Jeder Gast hat hier die Möglichkeit, „einfach nur geschmackvoll“ zu speisen. Was das für den Einzelnen bedeutet, muss jeder für sich entscheiden. Man bietet eine geschmacklich-raffinierte Palette verschiedenster Speisen, die auch zum Probieren anregen. Begeistert bin ich von der Umsetzung regional-bodenständiger Komponenten. Was Heinrich und das Team um Küchenchef Jakob Hastedt aus Steak, Zwischenrippenstück, Fisch und rosa Lammkarree alles zaubern, ist ein Genuss der besonderen Art.
Dazu gehören auch die pikanten Kalbsklopse nach Königsberger Art mit Kapern und Dill sowie manche andere geschmackliche Kombination. Haben Sie schon einmal Entenkraftbrühe mit schwarzen Ravioli gegessen? Wenn nicht, haben Sie etwas verpasst. Mich hat das Carpaccio von „Dry Aged“ Rinderfilet ebenso begeistert wie die geröstete Blutwurst mit Kartoffelpüree.
Vor allem aber wird auch deutlich, dass man auf gutes Koch-Handwerk setzt und nur beste Produkte einsetzt. Das ist für mich ein wichtiger Schlüssel zum Geschmackserlebnis. Das Vorspeisen-Rezept möge verdeutlichen, was man auch zu Hause mit wenig Aufwand auftischen kann.
Diese Kolumne erschien samt einem Rezept für ein gebackenes Ei auf Risotto
am 6. April 2016 in der Sächsischen Zeitung und der Freien Presse.