Rezeptideen zu sammeln gehört zu meinen täglichen, mir selbst auferlegten Pflichtaufgaben. Da bietet sich natürlich das Internet an. Aber der kulinarische Nonsens treibt gerade dort die größten Blüten. Da werden beispielsweise auf Facebook-Seiten profanste Dinge als kulinarisches DDR-Erbe deklariert. Dazu gehören Zubereitungen wie Tomatensalat mit Zwiebeln, Spiegeleier mit Schnittlauch oder gar italienisches Hühnerfrikassee. Herr, lass‘ Hirn regnen …
Gegen Tomaten als solche habe ich aber absolut nichts. Die sind blitzschnell zu einem schmackhaften Omelett verarbeitet oder als kalte Platte mit Mozzarella und Basilikum angerichtet und mit einem knackigen Baguette, ein Glas Rotwein inklusive, genussvoll verzehrt. Kulinarisch neugierig wie ich aber nun einmal bin, habe ich nach weiteren, etwas raffinierteren Zubereitungsarten von und mit Tomaten recherchiert und mich geschmacklich-kombinatorisch inspirieren lassen.
Zwei Varianten dafür seien Ihnen an dieser Stelle vorgestellt. In meiner virtuellen Rezeptothek gibt’s aber weitere Tipps für tomatige Kombinationsmöglichkeiten. Gratinierte Tomaten beispielsweise können Sie zubereiten, indem Sie kleine Tomaten halbieren und mit der Schnittfläche nach oben auf ein mit Backpapier ausgelegtes oder eingefettetes Backblech legen. Dann stellen Sie ein Gemisch aus geriebenem Schafkäse wie Pecorino, Thymianblättchen und Semmelbröseln her, das Sie mit Salz und Pfeffer würzen, auf die Tomatenhälften streuen und etwa fünf Minuten gratinieren. Das kann man famos mit Pasta, weiterem Reibekäse und gutem Olivenöl auftischen.
Auch scharfe Orangen-Tomaten sind ganz nach dem Geschmack meines Vaters Sohn: Dazu werden kleine Tomaten halbiert, Schalotten geschält und längs geviertelt, Peperoni in feine Ringe geschnitten sowie dünn geschälte Orangenschale fein gehackt und der Orangensaft ausgepresst. Nun werden die Schalotten und Peperoni in Öl gedünstet, dann die Tomaten und die Orangenschale dazugegeben, mit Zimt, Fenchel und Thymian gewürzt und mit dem Orangensaft sowie etwas Pastis (Anisschnaps) abgelöscht. Alles gut 20 Minuten schmoren und einköcheln lassen. Dann beispielsweise mit gebratenem Saiblingsfilet servieren.
Die geilste tomatige Idee aber hatte Wilfried Glania-Brachmann. Der Küchenchef im Landhotel de Weimar in Ludwigslust empfahl mir geeisten Tomaten-Tee. Dafür werden Gartentomaten kleingeschnitten und mit fein gehackten Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer und Chili sowie Salz und Pfeffer vermengt. Diese Mische kann nun eine Nacht abgedeckt über ihr weiteres Schicksal nachdenken und wird tags darauf durch ein Sieb und die Flüssigkeit nochmal durch ein Tuch geseiht.
Der so entstandene Saft wird stark runtergekühlt und in einer Teekanne serviert. Statt Sahne gibt‘s dazu jeweils einen Löffel Crème fraîche, statt Zucker etwa Forellen- oder Maränenkaviar und als Rum-Äquivalent ein Schuss Olivenöl. Dieses deliziöse Gesöff ist für mich jedenfalls der beste Beweis dafür, dass man auch vertrinken kann, was man nicht isst.
Diese Kolumne erschien am 5.8.2021 in allen Ausgaben der Schweriner Volkszeitung, der Neuen Osnabrücker Zeitung und ihren Partnermedien, der Rheiderland Zeitung, den Ostfriesischen und den Grafschafter Nachrichten, in den Ausgaben des Beig-Verlages Pinneberg sowie einigen Ausgaben des SH:Z Verlages in Schleswig-Holstein.