Im Radio palavern irgendwelche Frühaufsteher unglaublich einfältig und klischeebehaftet über DDR-Küche. Kann man eigentlich nur abschalten. Immerhin kommen dabei wenigstens Erinnerungen auf: Sommer 1961 in einem FDGB-Ferienheim in Elend im Harz. Die umgebenden Natur ein Traum, das Essen ein Trauma. Sonntags wurde im Speisesaal ein Traumgericht aufgetafelt: Ein Teller mit drei Pflaumen, etwas Pflaumensaft und ein Hefekloß.
Mein Vater hat nach dem Motto: „Ich bin Bergmann, wer is(s)t mehr…“ ein Fass aufgemacht. Der hat dann ein Schnitzel bekommen. Alle anderen mussten mit dem drögen Kloß darben. Und fast 60 Jahre später redet mein Freund Ingo schon seit Wochen am Stammtisch von Zwetschgenknödeln, auf die er einen Janker hat. Hätte ihm gar nicht zugetraut, dass er auf sowas steht. Denn er ist alles andere als ein spacker Hustensaftschmuggler. Egal, ich will ihn erlösen und mit den Knödeln seiner Lust aufwarten.
Für deren Grundsubstanz müssen Kartoffeln oder ein Teig aus Quark, Mehl und anderen Zutaten herhalten. Ich bevorzuge die Variante mit den Kötüffeln. Das hat was Bodenständiges. Für vier Personen dürften Sie mit einem guten Pfund dabei sein. Die Knollen werden wie Pellkartoffeln gegart, abgegossen und kurz ausgedampft. Dann pellen, durch eine Kartoffelpresse drücken und lauwarm abkühlen lassen. Nun rühren Sie eine Mischung aus ein bis zwei Eiern, 40 Gramm Butter, Salz und etwa 20 Gramm Grieß an.
Den Kartoffeln wird jetzt ein Viertelpfund Mehl untergejubelt, alles händisch locker vermischt und mit dem Ei-Mix zu einem Teig verknetet. Der erhält die Form einer Rolle, wird längs halbiert und in gleich große Stücke geschnitten. Das war die kochende Pflicht. Die Kür ist den Zwetschgen vorbehalten. Die werden halbiert, entkernt und mit schnödem Würfelzucker gefüllt. Der aber wurde beispielsweise mit dem Abrieb einer Orangenschale aromatisiert.
Die pfiffig-gefüllte Pflaume kommt nun auf eine Scheibe von der Kartoffelmasse, wird von ihr liebevoll-gleichmäßig umhüllt und alles zu Knödeln geformt, die in leicht gesalzenem kochenden Wasser ihrer Vollendung entgegen sehen und bei sachter Hitze bis zu zwanzig Minuten gar ziehen. Raus aus dem Wasser, abtropfen lassen und servieren. Wer es mag, kann die Knödel noch mit in Butter gerösteten Semmelbröseln wälzen und mit Puderzucker bestreuen sowie mit einer Soße seines Geschmacks anrichten. Das wird dem Ingo sicher gefallen, der seiner Frau freudig zuruft: „Petra, bitte (oder wie das Wort mit den zwei ‚t‘ heißt) übernehmen…“
Max aber ist noch hefekloßig traumatisiert, würde die Knödel höchstens mit einer deftig-pikanten Füllung versehen und beispielsweise mit Kurzgebratenem auftischen. Allein bei der geschmacklich-kombinatorischen Füllungs-Vorstellung tropft mir der Zahn. Die Varianten reichen von Pilzen, Zwiebeln und Schinkenspeck über Hackfleisch, Wurst und Wurstbrät bis hin zu raffinierten Kräuter-Gemüse-Mischungen und duftenden Käseschmankerln. Ich werde sicher mal eine Birnen-Bohnen-Speck-Variante probieren. Ideen dafür gebe ich Ihnen wieder an bekannter virtueller Stelle. Vor allem bietet so etwas auch Spielraum, sich soßentechnisch-kreativ zu profilieren. Weil für mich auch Knödel auf dem Teller schließlich schwimmen müssen. Prost Mahlzeit…
Diese Kolumne erschien am 16. Oktober 2019 in der Schweriner Volkszeitung.