Ein Sprichwort, das ich aus frühester Kindheit kenne, lautet: „Wenn Schöpse niesen, ist Pfingsten nicht weit…“ Das wird sich wohl auf das sich ändernde Wetter bezogen haben, das die Schöpse, also ihrer Männlichkeit beraubten Schafböcke, ankündigen. Ich habe dieses Fleisch stets mit Begeisterung verdrückt. Der Schöpsenbraten meiner Großmutter war legendär. Ich habe den Bock in späteren Jahren oft und deftig-würzig zubereitet.
Sie irren aber, wenn Sie wähnen, dass ich Ihnen heute so ein Gericht unterjubeln möchte. Es gibt nämlich gelierten Ochsenschwanz, also eine Art Sülze. Der Ochse wird schließlich auch mit Pfingsten in Verbindung gebracht und ist wie der Schöps eine arme, kastrierte Sau, pardon: ein Rind. Aber er ergibt sich seinem Schicksal, ist gutmütig und lässt sich willig vor den Karren spannen.
Das heutige Rezept stammt von Sternekoch Heinz Winkler, der in Aschau unweit des Chiemsees auftischt und sogar schon einmal in der Küche vom legendären Paul Bocuse gestanden haben soll.
Sie erstehen also beim Schlachter Ihres Vertrauens einen ganzen Ochsenschwanz und schneiden ihn in handliche Stücke. Die werden nun in eine Marinade gelegt, die Sie aus einem halben Liter Portwein, zehn Wacholderbeeren, einem Thymianzweig, einer Knoblauchzehe und einem Lorbeerblatt, zehn Pfeffer- und 15 Korianderkörnern, zehn Gramm Salz, einer Karotte, einem Zweig Staudensellerie sowie einer roten Zwiebel, zwei Schalotten und etwas Lauch brauen.
Darin muss sich der Ochse, respektive sein Schweif zwei Tage (!) aalen. Dann entsteigt er dem würzigen Bade, wird abgetrocknet, gesalzen und in Olivenöl kräftig kurz angebraten. Dann kommt er zusammen mit dem Gemüse aus der Marinade, die Sie natürlich nicht entsorgt haben, in einen Topf, der mit der Marinade aufgefüllt wird. Dazu kommen noch eine Handvoll Trockenpilze, vier geschälte, entkernte und in grobe Würfel geschnittene Tomaten sowie je ein Viertelliter Rotwein und Kalbsjus. Das Ganze lassen Sie zugedeckt bei 180 Grad im Backofen weich dünsten. Das kann durchaus bis zu zwei Stunden dauern. Der Ochsenschwanz wird nun des Topfes verwiesen, das Fleisch sorgfältig herausgeschnitten und mit einem nassen Tuch bedeckt erkaltet. Der Fond wird passiert.
Final kochen Sie je 15 Frühlingszwiebeln und junge Karotten sowie einen halben Kopf Blumenkohlröschen in Salzwasser gar und lassen auch die erkalten. Alles wird nun zusammen mit dem Fleisch auf Tellern angerichtet und mit der passierten Soße, die kurz vor dem Gelieren sein muss, übergossen. Alles nochmal erkalten lassen und beispielsweise mit Bratkartoffeln servieren und genießen.
Mit ein wenig Geschick können Sie diese Sülze auch à la Max als Carpaccio kreieren. Dazu müssen aber alle Zutaten in einer richtigen Form gut gepresst, erkaltet und dann hauchdünn geschnitten werden. Als warme Ochsenschwanz-Version biete ich Ihnen offenes Ravioli an. Dazu kochen Sie Lasagneblätter bissfest, legen eines auf den Teller, darauf etwa Selleriepüree oder glasiertes Wurzelgemüse, das Fleisch mit Soße und ein Lasagneblatt obenauf. Vielleicht mit etwas Petersilie begrünen. Fertig.
Was uns das sagt, liegt auf der Hand: Kochende Männer sind kreativ, gutmütig, fleißig und ergeben sich den Anweisungen ihrer gütigen Frauen. Von wegen Ochsen…
Diese Kolumne ist am 27. Mai 2020 in der Schweriner Volkszeitung erschienen.