Geschmackssache: Max is(s)t barock…

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Max' Kulinarische Kolumne - Rehnüsschen à la „Hotel de Weimar“

Mein Lebensweg ist von markanten Stationen geprägt. Er begann in Aue im Erzgebirge. Später knüpfte ich manche zarte Bande und arbeitete in Zwickau und Dresden, später in Weimar, Erfurt und Mühlhausen. Es folgte ein kurzes Intermezzo im Kreis Herzogtum Lauenburg und Hamburg. Und am letzten Augustabend 1994 fuhr ich mit allem Hab und Gut, das mein VW Vento aufnahm, bei Nacht und Nebel in Mecklenburg ein.


Boizenburg war meine erste Station im „Land zum Leben“. Weiter ging es nach Ludwigslust, Glaisin und Hagenow. Immer der Spur ins Naturparadies Hagenow Heide folgend. Angekommen. In jeder Beziehung. Als archivarisch-historisch ambitionierter Mann aber hatte (nicht nur) Ludwigslust einen großen Stellenwert. Ich wohnte in der Nähe des Barockschlosses und seines weitläufigen Parks. Kein Wunder also, dass ich in diesem Umfeld auch zum kulinarischen Genuss gefunden und Leute wie Wilfried Glania-Brachmann kennengelernt habe. Der ist ein exzellenter Koch und Küchenchef im „Hotel de Weimar“. Für mich das erste Haus am Platze. Bei der kürzlich stattgefundenen „Barocken Soirée“ konnte ich einmal mehr seine Kochkunst erleben und entlockte ihm das Rezept für seine fulminanten Rehnüsschen. Das klingt schwerer, als es ist.

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Dazu werden für vier Personen zwölf Rehmedaillons aus dem parierten Rücken in Rapsöl angebraten, durch geklärte Butter gezogen und mit einer Gewürzmischung umhüllt etwa drei Minuten bei 160 Grad im Backofen rosa gegart. Für die Gewürzmischung bedarf es vier Esslöffel gehackter Petersilie, Wacholder, Pfefferkörner, vier Esslöffel karamellisierten Sesams und etwas Chili. Alles im Mörser fein zerstoßen. Das war’s.


Für die Soße werden Schalotten in heißer Butter angeschwitzt und mit Wildfond und Portwein abgelöscht. Kosten nicht vergessen. Alles auf die Hälfte einreduzieren, passieren, nochmals köcheln lassen, mit Salz und Pfeffer aus der Mühle sowie einem Hauch Puderzucker abschmecken und mit kalter Butter binden. Dazu serviert der Meister Zimtkraut und Grießmarzipanbällchen. Die entstehen, indem man 250 Milliliter Milch mit einer Prise Salz und Butter zum Kochen bringt und mit etwa 100 Gramm Grieß aufkochen lässt, bis sich die Masse vom Topfboden löst. Abkühlen lassen, ein ganzes Ei und ein Eigelb unter die Masse heben und dezent mit Muskat würzen. Nun werden die Bällchen mit einem Innenleben von etwas Marzipan gefüllt und in heißem Öl ausgebacken.


Geile genusstechnische Nummer. Voilà, würde der Franzose entzückt ausrufen. Trauen Sie sich: Nachmachen und Genießen sind erwünscht. Damit kann man auch mal nach allen Regeln der Kunst angeben und so mehr vom Leben haben. Sagt der Volksmund.


Und was meinen Lebensweg betrifft, der war frei nach Harald Juhnke „manchmal krumm und manchmal eben“. Aber immer wieder mit Überraschungen gewürzt. Bis hin zu kulinarischen Erlebnissen in allen Facetten. Diesbezüglich verstehe ich oft die kulinarische Fachwelt nicht mehr. Wenn Glania-Brachmann für seine exzellente Küche schlappe 14 Punkte im Gault Millau bekommt, stehen 13 Punkte in einem Dorfgasthaus in keinem vergleichbaren Verhältnis. Nichts gegen feine ländlich-schmackhafte Küche. Wenn die aber durch Grünzeug bis zur Unkenntlichkeit verdeckt wird, dann ist etwas faul im Hofstaat der Restaurant-Kritik.

Diese Kolumne erschien am 5. Juni 2019 in der Schweriner Volkszeitung.

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