Kommentiert: Zurück zur kulinarischen Natur

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Köche sind so unterschiedlich, wie ihre Gerichte. Und das ist gut so, meine ich. Manche sehnen sich nach dem ersten Michelin-Stern. Viele versuchen, die begehrte Ehrung auf Dauer zu halten. Und es gibt auch einige Spitzenköche, die sind sozusagen Aussteiger aus der kulinarischen Sterne-Szene. Was nicht heißt, dass sie anspruchsloser und schlechter kochen als im Gourmet-Restaurant. Einer davon ist Michael Laumen aus Stralsund. Er war der erste Sternekoch in Mecklenburg-Vorpommern, hat aber der Gourmet-Küche auch dank staatlicher Bürokratie den Rücken zugewandt. Die Rostocker Behörden hatten dem damals bereits elfmal mit einem Stern ausgezeichneten Koch abverlangt, eine Anfängerschulung für den "Unterrichtungsnachweis für den Betrieb einer Gaststätte" zu belegen. Nach einiger Zeit gastronomischer und kulinarischer Beratungstätigkeit hat es den Meister aber doch wieder an den Herd verschlagen: Er berät mit dem "Utkiek" eine bekannte Greifswalder Ausflugsgaststätte direkt am Hafen. Und er legt auch in der Küche mit Hand an. Das Kuriose an der Sache ist, dass dort Crostinis und Smoer Knust angeboten werden. Das sind, umgangssprachlich beschrieben, belegte Brote nach mediterranem und nordischem Vorbild.

Wie kommt man auf eine solche kulinarische Schnapsidee, Herr Laumen? Der schmunzelt und ist um eine plausible Antwort nicht verlegen: "Crostini ist als Vorspeisen-Konzept in einem Ausflugslokal mit Terrasse wohl nicht zu beanstanden. Und Smoer Knust hat sehr wohl einen kulinarischen Anspruch, ist ausgesprochen schmackhaft (er hat leider 'lecker' gesagt) und ermöglicht über 200 Varianten." Da hat er wohl recht. Die Gäste des "Utkiek" werden das jederzeit gern bestätigen, meint Laumen.

Und wie ist er zu dieser neuen Beschäftigung gekommen, möchte ich gern wissen. Habe dazu im Internet gelesen, dass das Ganze wohl eine Notlösung gewesen sein soll, weil das Restaurant wegen Bauarbeiten geschlossen werden sollte. Laumen: "Quatsch, ich betreue das Utkiek, weil es in den letzten drei Jahren gastronomisch sozusagen an die Wand gefahren wurde. Das Smoer Knust Projekt ist dabei eigentlich getrennt vom Utkiek zu sehen. Es soll systemgastronomisch ausgebaut werden. Außerdem passt es als Baltic Sea Kost ganz gut in die Landschaft."

Angeboten werden die schmackhaften Brote mit Belägen aller Geschmacksrichtungen zusammen mit Eis und Kuchen bis 17 Uhr. Danach, so Laumen, greift die Abendkarte mit Crostinis und einer Vielfalt von Grillspezialiäten. Und eben die brauchen sich vor anspruchsvoller Küche nicht zu verstecken, meint der Self-Made-Koch aus Leidenschaft. Verwendet werden nur hochwertige Zutaten, darunter hochwertiges Rind-, Schweine- und Wildfleisch von der Gourmet-Manufaktur Gut Klepelshagen, oder Landwert-Produkte aus dem nahen Stahlbrode.


So kann sich der Gast samt dem schmackhaften Crostini-Angebot eine vollwertige und exzellent zubereitete Abendmahlzeit zusammenstellen, die vom Fleischburger bis zum saftigen Kotelett vom Biorind reicht. Natürlich gibt's auch leichte Kost wie Kreationen mit Scampis oder Mais-Poularde. Und der Meister hat sich natürlich auch etwas Besonderes einfallen lassen und eine auf die örtliche Fischsaison abgestimmte französische Fischsuppe, bekannt als Bouillabaisse, kreiert, die er neben dem Fisch mit Zwiebeln, Knoblauch, Tomatenwürfel, Fenchel, Olivenöl, Pfeffer, Thymian, Petersilie, Lorbeer, Gewürznelken für ein echtes Genuss-Erlebnis servieren lässt.

Geschmack geht also auch außerhalb Gourmet, meint Laumen. Ich frage ihn, ob das der Trend ist, dass Spitzenköche aus der gehobenen und Sternegastronomie aussteigen und sich neuen, nicht minder anspruchsvollen Projekten zuwenden? Sozusagen zurück zu den Anfängen und der kulinarischen Natur... Laumen ist auch hier um keine Antwort verlegen und findet deutliche Worte zum Griff nach den kulinarischen Sternen: "Ich kann an dieser artifiziellen Küche nichts (mehr) reizvolles finden. Und diese völlig pathologische Richtung zwanghaft neuer Kombinationen reizen mich nicht (mehr) die Bohne." Zugegeben: Das "mehr" habe ich eingefügt, mal sehen, was er dazu sagt...  Das alles ist, so Laumen weiter, ziemlicher Kinderkram und andere (Köche) scheinen das ähnlich zu sehen. Sein pointiert-humoriges Fazit: "...und wenn man den Guide Michelin nicht mehr an der Backe hat, macht das das Leben nicht langweiliger..."

Meine Meinung zu der Materie an sich: Ich habe ausdrücklich nichts gegen Sterne- und Spitzen-Gastronomie. Im Gegenteil, das ist eben der Teil Kulinarik, der besondere Geschmackserlebnisse für alle Sinne beschert. Über Sinn und Unsinn gelegentlicher "artifizieller" Fantasie kann man natürlich trefflich streiten. Und nicht alles, was aufwändig auf einem Teller drapiert wird, trifft meinen Geschmack.

Ich liebe in diesem Zusammenhang anspruchsvolle, aber bodenständige Küche mit regionaler Ausrichtung. Die bieten die Sterneköche Franz Feckl im Landhaus in Ehningen, oder Heinz O. Wehmann im Landhaus Scherrer in Hamburg ebenso wie Stefan Rottner im gleichnamigen Gasthaus in Nürnberg, Matthias Mack im Landhaus Hohenlohe, oder Barbara Siebert im Schwarzbachtal in der Sächsischen Schweiz. Und das, was Michael Laumen jetzt im Utkiek kulinarisch auf die Beine stellt, ist für mich außerdem eine Erfolg versprechende Richtung, Genuss im besten Sinne des Wortes an den Mann (oder die Frau, versteht sich) zu bringen und damit für Genuss zu sensibilisieren. Ich werde diesen Genuss erkunden, der in Greifswald-Wieck geboten wird.

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