Kommentiert: Wie viel Koch braucht das Fernsehen?

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Die Zeiten sind längst vorbei, als weiland Alfred Biolek sozusagen als kulinarischer Alleinunterhalter in (s)einer Küche stand und sich wortreich und blumig mit einem Gast seiner Wahl parlierte und ein meist einfaches, aber durchaus raffiniertes Gericht zubereitete, dessen Qualität er stets mit seinem berühmt gewordenen "mhmmm" kommentierte. Heute sind die Kochsendungen buchstäblich wie Pilze aus dem TV geschossen und Koch-Granden aller Couleur buhlen auf fast allen Kanälen mehr oder weniger geistreich um die Gunst des geneigten Publikums.

Dieser Beitrag ist eine stark erweiterte Version meiner kulinarischen Kolumne, die ich jeden Dienstag auf meinem Facebook-Profil "Redaktionsbüro MHR" veröffentliche. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und Köche aus allen Lagern befragt, was sie selbst vom sogenannten TV-Showkochen halten und was eine gute Kochsendung ausmacht. Die Antworten waren erwartungsgemäß vielfältig und mitunter auch gegensätzlich. Das trifft auch auf Laien zu, die mitunter solchen Sendungen frönen. Meine virtuellen Gesprächspartner waren u.a. Mike Süsser, TV-Koch und Inhaber eines Koch- und Eventstudios in Oberösterreich, Nils Rupp, Chef de Partie im Andaze Liverpool Street Hotel, Peter Franke, Kräuterkoch und Restaurant-Inhaber im Spreewald, Christoph Mezger, Küchenchef im VEN-Restaurant des Innside Hotels Dresden, und Guido Fritz, Präsident des ChefHeads Klub der Küchenchefs und Restaurant-Inhaber.


Alles, was ich diesbezüglich in Erfahrung gebracht habe und Genuss-Esser selbst einbringe, ist wie immer eine Frage des Geschmacks. Nahezu unisono stimmen mir meine Gesprächspartner zu, dass eine zeitgemäße Kochsendung aus einer anregenden Mischung aus Anregung, Bildung und Unterhaltung bestehen sollte.

Dazu gehören, so z.B. Mike Süsser, "authentische Typen ohne vorgeschriebene Texte und viel Spaß". Nils Rupp beispielsweise legt den Schwerpunkt auf einen anderen Aspekt. Er möchte, dass er für sich als Profi-Koch ich in einer Kochsendung Aspekte wiederfindet, mit denen er sich identifizieren kann. Rupp: "Das können die kulinarischen Punkte sein, das Fachwissen, oder auch einfach die Art und das Lebensgefühl, das bestimmte Köche im Fernsehen ausstrahlen." In diese Richtung urteilt auch der aus der Sendung "Lafers leckerer Osten" bekannte Spreewaldkoch. Für ihn sind die Produkte das A und O: " Eine Kochsendung zeichnet für mich aus, wenn die Zutaten zum Kochen selbst geerntet, lustvoll und kreativ verarbeitet und anschließend genüsslich verspeist werden."

Es gibt aber auch ablehnende Meinungen zu solchen Koch-Shows im Fernsehen: Zu viel Klamauk, Dampfplauderei ohne Substanz, Quotenhascherei, so die Vorwürfe. Ein ehemaliger Sternekoch aus M-V meint sogar ziemlich drastisch: "...Seit Lichter schaue ich mir solchen Scheiß nicht mehr an..." Da schau her: Aber eben dieser Lichter wurde gerade vor Tim Mälzer und Christian Rach zum beliebtesten TV-Koch gekürt. Was sagt uns das: Alles, siehe oben, Geschmackssache. Vor allem natürlich des Publikums. Und wohl auch dem "Vermögen" des telegenen Kochs, sein Publikum mit einem Mix aus Kochwissen und eloquenter Dampfplauderei zu faszinieren. Mein Ding ist das auch nicht gerade, das gebe ich zu. Ich setze mehr auf die seriöseren Typen a la Poletto, Rach und Wiener und Co. Ich weiß aber auch, wie vergnüglich ein Sante de Santis in Hochform sein kann.

Das reflektiert für mich auch auf die Frage: Wie viel Entertainer muss heute in einem Koch stecken, der sich auf das Fernseh-Abenteuer einlässt? Ich meine, ohne, siehe Mike Süsser, ohne "Typen" im besten Sinne des Wortes und mit einer sprachlich lässigen, aber anspruchsvollen Eloquenz geht's nicht wirklich. Ob das so sein muss, wie es Lichter auf seine Weise zelebriert, dass man wie Lafer eher zurückhaltend moderiert, oder wie Rainer Sass aus dem "hohen Norden" wortgewaltig "schnackt", das mag einmal dahin gestellt sein. Mir gefällt in diesem Zusammenhang eher die bunte Truppe von Mike Süsser von den Kochprofis, oder ein Christian Rach, der wohltuend wenig spektakulär agiert und trotzdem viel eigene Meinung rüberbringt. Nils Rupp fasst das so zusammen: " Für mich sollte eine Kochsendung zum einen natürlich fachlich richtig, somit auch bildend, aber in erster Linie auch unterhaltend sein, da es nun mal eine Show für das Publikum ist. Das soll auf unterhaltsame Weise angeregt werden, selbst zu kochen und oder essen zu gehen." Das sei für ihn, so Rupp, auch der Punkt gewesen, Koch zu werden: Die Möglichkeit zu haben, Menschen, mit dem was man tut, zu begeistern.

Klingt gut, meine ich. Denn es wägt die Mittel und deren Einsatz ab. So gar nicht mein Ding sind in diesem Zusammenhang süffisante Klaukschnacker wie Gastrokritiker Heinz Horrmann und Fußballschwergewicht Reiner Calmund. Bei denen klingt alles so gestelzt und oft eigentlich inhaltlos, frei nach dem Motto: "Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie es is(s)t." Horrmann beispielsweise stelzt sich meist so gequält und intellektuell aufgesetzt durch eine Sendung, dass mir oft die Haare zu Berge stehen. Und Calli zehrt auch größtenteils nur von seiner Bekanntheit als Fußballmanager und seiner bekannten Esslust. Dem schmeckt so ziemlich alles, wenn es nur genügend ist. Was nicht heißen soll, dass er keinen Geschmack hat. Aber in kulinarischer Hinsicht meine ich: Ziel verfehlt, geh in die Natur, Calli, das is(s)t dir dienlicher. ChefHeads-Präsident Guido Fritz meint dazu übrigens lapidar: "Für mich ist wichtig, dass der Koch kein Entertainer, sondern mehr Gastgeber sein sollte." Das trifft für mich auch auf die zu, die sich nur zu gern in Szene setzen und im Fernsehen so tun, als seien sie die Genuss-Profis vor dem Herrn.

Eine Frage besteht für mich außerdem darin, ob das Konzept des Showkochens nur mit Kochprofis oder dem mit ambitionierten Hobbyköchen den Rang abläuft. Nils Rupp beispielsweise findet Kochshows mit Laien sehr interessant. Rupp: "Das zeigt, wie fortgeschritten die Allgemeinbildung im Kochen sein kann und wozu Amateure im Stande sind. Aber es beweist auch, wie groß das Interesse an Lebensmitteln ist und sich das Kochen ändert, weil die Menschen bewusster damit umgehen." Peter Franke und Christoph Mezger dagegen plädieren für TV-Kochen mit und durch Profis. Mezger: "Wenn man wirklich etwas verstehen und lernen will, sollte man sich auch vom Profi etwas sagen lassen. Denn der hat deutlich mehr Erfahrung als der Hobbykoch. Gelernt ist eben gelernt." Guido Fritz beantwortet die Frage nach dem Kochen mit Laien sogar nur mit einem Wort: "Entertainment". Da hat er wohl nicht unrecht, wenn man an Sendungen wie "Das perfekte Dinner" oder auch die durchaus amüsante "Küchenschlacht" betrachtet. Das sind wohl eher die Quotenjäger für das breite Publikum. Dem gegenüber sind Sendungen wie "Lanz kocht" schon etwas anspruchsvoller und in gewissem Maße bildender. Da wird mit viel Humor, aber ohne jeden Klamauk, eine Menge erläutert. Das trifft auch eher meinen Geschmack.

Apropos Klamauk: Wann fängt der an? Für mich schon dann, wenn Horst Lichter mehr dampfplaudert als kocht. Aber den Spagat bekommt er ja meistens noch hin, den er ist ja zweifelsohne ein Könner seines Fachs. Das trifft auch auf Typen wie Tim Mälzer und den bereits genannten Rainer Sass, oder gar Sante de Santis und den von mir gleichermaßen geliebten und gehassten Ralf Zacherl zu. Letzterer ist ein so exzellenter Koch, macht aber für mich viel zu viel auf Show und Klamauk. Er war immerhin einmal Deutschlands jüngster Sternekoch. Dieser Mann mit einem anderen TV-Konzept könnte etwas ganz Besonderes über den Bildschirm flimmern lassen. In Sachen Klamauk driften meine Gesprächspartner weit auseinander. Für Mike Süsser beginnt der, wenn er sich, nicht ganz ernsthaft gemeint, beim Kochen ausziehen müsste. Süsser: "Und das bei meinem Körper. Ich würde da eher den Schuhbeck vorschlagen."

Nils Rupp findet gar, dass man momentan keine Kochsendung als Klamauk abtun kann und sieht zum Beispiel das Perfekte Dinner als "großartige Möglichkeit an, einen Blick in die Küchen Deutschlands zu werfen." Geschmacklosigkeit fängt bei ihm an, wenn man sich mit Speisen bewerfen oder bemalen würde. Rupp: "Wenn RTL 2 eine Kochsendung machen würde, würde es genau das werden..." Uuups, Herr Rupp, wohl noch nie die Kochprofis mit Mike Süsser, Frank Oehler und Co. gesehen. Das geht es zwar zur Sache, aber mit Niveau und Sachverstand. Die Jungs nehmen kein Blatt vor den Mund und weisen vermeintlichen Küchenchefs in die kulinarischen Schranken. Auch Rach verfolgt ein ähnliches Konzept. Das ist nun sicher kein Klamauk. Ich bin aber gespannt, was zum Beispiel aus der geplanten "Koch-Dating-Show" wird, die von einer Casting-Firma aus Hürth entwickelt wird. Hier sollen sich Verliebte in spe (Singles zwischen 30 und 55) sozusagen über die berühmte Liebe, die durch den Magen geht, kennenlernen. Mal sehen, wo das dann über den Bildschirm flimmert. Mir schwant dabei nichts wirklich Großes.

Was aber ist nun die  Crème de la Crème des TV-Fernsehens? Ganz einfach: Die einen sagen so, die anderen so. Mike Süsser schwört auf Alfred Biolek, weil es damals Rotweine gab. Ist auch weider ein Scherz vom Mike, er mag die Küchenschlacht und würde da auch gern mal mit mimen. Auch Trettl auf Reisen gefällt ihm, und der legendäre Anthony Bourdain. Nils Rupp spricht mir ein wenig aus dem Herzen, wenn er das Ass für "Lanz kocht" zieht. Obwohl der Lanz ja eigentlich gar nicht kocht, sondern plaudert. Mich überzeugt an diesem Konzept aber der seriöse Mehr-Wert. Und darauf weist Rupp hin, bei Lanz treten auch mal Köche auf die man nicht so oft im Fernsehen sieht, wie zum Beispiel Andreas Caminada, der nicht nur für ihn ein großartiger Koch ist. Peter Franke mag es lieber allgemein: "Die besten Kochsendungen sind die, die zum mitmachen anregen und solche, die aus einfachen Produkten eine Mahlzeit entwickeln, die sinnlichen Genuss bieten. Kreativität ist gefragt, der Zuschauer möchte Anregungen für die eigene Küche zu Hause." Dem entspricht auch Christoph Mezger, der Köche wie Jamie Oliver schätzt: "Bei ihm merkt man einfach die Liebe zum Kochen, und er kocht für alle - einfach und frisch." Das meint wohl auch Guido Fritz, der sich für regionales TV-Kochen stark macht. Dort werden Rezepte  der unmittelbaren Umgebung vorgestellt, das schaffe, so Fritz, eine Identifizierung mit der Heimat und ihren kulinarischen Köstlichkeiten.

Abschließend: Wie viel Entertainer muss heute in einem Koch stecken? Guido Fritz hat das schon klar beantwortet. Trotzdem meine ich, dass das Geschäft einfach auch Entertainment verlangt. Und Mike Süsser antwortet ganz anders, aber aus meiner Sicht nicht konträr zum ChefHeads-Präsident: "Im Restaurant wie im Fernsehen wollen die Menschen den koch erleben, sehen und fühlen. Ich finde es gut, dass wir uns nicht mehr in der Küche verstecken müssen." Unisono sein Kollege Nils Rupp: "Charme und Eloquenz des Küchenchefs stimmen auch nicht unwesentlich über den Erfolg oder Misserfolg eines Restaurants ab. Aus meiner Erfahrung kommen viele Gäste allein schon, um den Koch zu erleben. Dieses Potenzial muss man nutzen. Der Kochberuf gilt durch Typen wie zum Beispiel Steffen Henssler als 'cool'. Das bringt ihn von seinem Image weg, nur in dunklen Küchen zu stehen, wo der Küchenchef seine Mitarbeiter anschreit." Soll wohl heißen, wie Christoph Mezger (der meint pointiert: ' man muss geil sein auf Kochen') und Peter Franke, ich übrigens auch, sagen, man muss dem Koch die Leidenschaft ansehen, mit der er sein Produkt nicht nur herstellt, sondern auch (sprachlich) verkauft.

Fazit: Alles klar, was die Fernsehnation in Sachen Küche und Genuss braucht? Die Meinungen dazu sind erwartungsgemäß vielseitig. Das geht bis zu Meinungen wie der von Heinrich Schmitz aus Euskirchen, der Kochsendungen für reichlich entbehrlich hält. Schmitz: "Wenn es denn eine sein muss, sollte sie mir was neues bringen und nicht zum hundertsten Mal den Hinweis, dass Nudeln al dente gekocht werden oder dass man ein scharfes Messer braucht und Salat nicht schneidet...." Ebenso Tjalf Boris Prößdorf aus Kehl am Rhein, der zwar keinen Fernseher aber den Anspruch hat, dass solche Sendungen "bildend, Handgriffe zeigend, Abläufe erläuternd sein müssen, an denen man als Laie tagelang wurschteln würde, bis man sie reproduzieren kann." Auf jeden Fall, und da stimme ich ihm guten Gewissens zu, ist es wenig ergötzlich, wenn irgendwelche E-Promis wortgewaltig und doch nichtssagend zeigen, wie man irgendeine Trivialität zubereitet. Für mich ist zwar die Vielfalt der Kochsendungen kein Makel an sich. Der Anspruch an deren Qualität sehr wohl eine Bedingung. Quotenhascherei ist mir gerade in diesem Zusammenhang ein Gräuel. Dann stelle ich mich lieber selber in die Küche und probiere aus. Ich mag es an sich lieber seriöser, kann aber auch über eine gelungene Pointe a la Lichter herzlich lachen und bin fasziniert, wenn Köche wie Sante de Santis sprachliche Salti wagen und ebenso gekonnt mit ihrem Handwerkszeug umgehen. Da schaue ich mir sehr gern in der einen und der anderen Hinsicht Tricks ab. Das werde ich auch, wenn ich sehr bald dem von mir sehr geschätzten Spreewald- und Kräuterkoch Peter Franke in seinem Revier besuche.

johann-lafer10

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