Kommentiert: Von Typen, die denken, sie können kochen

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Vorspiel (on): Da flatterte mir neulich ein virtuelle Einladung auf den PC: Wir kochen auf Rügen, komme doch mal hin. "Ach du leiwe Tied", war mein erster Gedanke. Was soll ich am kulinarischen Arsch der Welt in einem drittklassigen Hotel inmitten vorpommerscher Pampa mit acht irren Köchen anfangen, die denken, sie sind was ganz Besonderes. Allein schon wie die aussehen: Zum Teil bis unter die Achselhöhlen tätowiert. Weiße Kochkleidung können sie sich offenbar nicht leisten. Aber einen Tross samt Kamerateam, damit geben sie an wie Bolle. Einer von denen hat einen Bart, der jeden Ziegenbock erblassen lässt, und eine große Klappe, um die ihn Peter Frankenfeld beneiden würde. Wie soll der den Unterschied cross und gar kennen?  

Einen richtigen Boss, der den Hut auf hat, haben sie auch nicht. Der vom Habitus dazu taugen würde, erinnert mit schlappen 190 Kilogramm als "schlanker Viertonner" an eine leichtfüßige Elfe. Wie soll der einen Kochlöffel halten, geschweige denn etwas Essbares fabrizieren können? Und keiner wäre da, der ihm die Schweißperlen von der Stirn tupft. Bei diesem Mann liegt für mich der Verdacht nah, dass er den Gäste eher was weg isst, als dass er es serviert. Ganz zu schweigen von einem in Deutschland gebürtigen Türken, der sich auch in diese Runde wagt und anspruchsvoll kochen wollte. Das geht ja gar nicht. Türken und Kochen ist ja ohnehin ein Widerspruch in sich. Außerdem: Können sich deutsche Köche nicht einen deutschen Koch leisten, der deutsche Gäste mit deutschen Gerichten verwöhnt. Schön viel, aber nichts Extravagantes. Letzteres verstehen die Deutschen nämlich nicht. Aber sie wissen, was gut ist, wenn es viel is(s)t. Vorspiel: (off)

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Wer spätestens jetzt wähnt, der MHR hat einen an der Waffel, den will ich insofern eines Besseren belehren, dass ich an dieser Stelle meinen Gag-Status auf "offline" setze und zur eigentlichen Sache komme: Einem kulinarischen Highlight an der Ostsee auf der wundervollen Insel Rügen, ganz nah bei der berühmten Insel Hiddensee, deren weithin sichtbaren Leuchtturm man fast schon greifen kann. Sozusagen Tatort einer exzellent vorbereiteten Küchenparty war das Lindner Hotel & Spa Rügen**** in Trent.

Dort fackelten die sogenannten "Cooking Aces" ein brillantes kulinarisches Feuerwerk ab. Es lohnt sich in jedem Fall, ihre Namen zu nennen. Denn wo die künftig auftauchen, sollte man nicht seines Weges ziehen, sonders sich erwartungsfroh an einen Tisch setzen. Mit von der kulinarischen Küchenparty waren: Bernd Zehner, Stefan Madeheim, Rene Kalobius, Metin Calis, Gregor Raimann, Sebastian Franke (immerhin der Gusto Newcomer des Jahres) und Ronny Marzin.


Wenn in meinem provokanten Einstieg etwas wahr war, dann ist das höchstens die Tatsache, dass die "kochenden Asse" eine wirklich bunte Truppe aus sehr sympathischen und authentischen Köchen  sind, die ihr Handwerk aus dem ff. beherrschen. Was die kreieren, hat nicht nur geschmacklich Hand und Fuß, sondern kann sich im besten Sinne des Wortes auch sehen lassen.

Soll auch heißen, alle Gänge der Küchenparty war Einladungen zum Augenschmaus ebenso wie zum Gaumenkitzel. Damit führten Sie die erwartungsvollen Gäste nahezu spielerisch an extravagante Kreationen heran, ohne ins kulinarisch Übertriebene abzuheben. Alles war geschmacklich nachzuvollziehen, man wurde als Gast nicht überfordert und konnte zudem im Gespräch mit den in anthraziter Koch-Kleidung agierenden Köchen vieles erfragen und damit lernen.

Wer sich Zeit genommen hat, was man zum Essen ohnehin immer sollte, konnte sich jedenfalls mit den einzelnen Gängen sehr kontrastreiche Geschmackserlebnisse schaffen. Ich sage es gleich vorab: Meine Favoriten waren diesmal ausnahmsweise nicht nur Fleischeslust, sondern auch maritim angelehnte Köstlichkeiten. Exzellent die pochierte Auster mit Beurre blanc, Fenchel und Brunnenkresse. Dem in nichts nach stand der in Gewürzolivenöl konfierte Sous-Vide Kabeljau mit Artischocken und Bärlauch. Auch wenn sonst Geflügelfleisch nicht so mein Ding ist: die zart rosè Ente mit Essigrosinen und Spinattextur war ein geschmacklicher Hammer. Und meiner Frau hat naturgemäß das Nitrobaiser aus Holundersirup und Wassermelone vorzüglich gemundet, das vor Kälte dampfend angerichtet wurde.

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Den Cooking Aces standen darüber hinaus auch einheimische Köche zur Seite, die die regionale kulinarische Komponente ins Spiel brachten. Dazu gehörten Axel Diembeck vom Gutshaus Kuppelow, Mathias Schilling von Schillings Gasthof auf der Insel Öhe, und Heiko Triller, Küchenchef vom Lindner Hotel Rügen, das spätestens an dieser Stelle ins Spiel gebracht werden muss. Das Vier-Sterne-Haus an der Ostsee hat keine Mühen gescheut, die Veranstaltung zu einem besonderen Erlebnis werden zu lassen. Unter Leitung und Organisation von Küchenchef Heiko Triller hat das Team des Hauses das Restaurant und die anderen Diner-Räume festlich-dezent ausgestaltet und wartete mit einem ebenso freundlichen wie kompetenten Service auf.

Auch hier war meine Frau erwartungsgemäß von dem Mousse mit ersten Erdbeeren, geliertem Rhabarber in grüner Schokolade begeistert, lobte aber auch den gebeizten Ostseelachs mit Orange und Fenchel in höchsten Tönen. Mein regionaler Favorit war der Pommersche Rinderrücken vom heißen Salzstein und das Tatar auf Poseritzer Buttermilchbrot. Leider verpasst habe ich den Bisdamitzer Boddenkäse. Vielleicht kann man(n) das einmal nachholen. Diese regionale Komponente war nicht der geschmackliche Nachweis hoher handwerklicher Fertigkeiten der einheimischen Köche, sondern auch ein facettenreicher Kontrapunkt zu den Gerichten der Cooking Aces.

Mein Fazit: Das Land braucht solche koch-verrückten Macher. Die strahlen nicht nur eine ganz eigene Art von Cuisine Philosophie aus, sondern machen auf ihre Art Küche noch transparenter und verständlicher. In diesem Sinne sind auch solche Küchenpartys dazu angetan, Lust auf ambitionierte Küche zu wecken und Feinheiten des Kochens besser zu verstehen. Ganz zu schweigen davon, dass diese jungen Koch-Haudegen durchweg richtig gute Kumpels sind, mit denen man sich auf Anhieb gut versteht. Chapeau, und Hut ab, Jungs...

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