Kommentiert: Genuss mit Widersprüchen…

ggp-1809

Der angeblich 20. Große Gourmet Preis MV offenbarte große konzeptionelle Reserven

HEILIGENDAMM   Der Große Gourmet Preis (GGP) Mecklenburg-Vorpommern 2018 ist Geschichte. Knapp 200 erwartungsvolle Gäste erlebten im Grand Hotel Heiligendamm eine kulinarisch genussvolle Gala mit einem 6-Gang-Menü der Spitzenklasse. In diesem Sinne stimmte auch MdL Wolfgang Waldmüller, als oberster Touristiker des Landes angekündigt, ein. Er freue sich, so der CDU-Politiker, auf einen Spitzenabend an einem Spitzenort mit Spitzenunterhaltung, Spitzenküche und natürlich Spitzenköchen und Spitzhengästen.  


Als Gastköche waren diesmal Drei-Sterne-Koch Thomas Bühner, ehemals Restaurant „La Vie“ in Osnabrück, und Zwei-Sterne-Koch Hendrik Otto vom Restaurant „Lorenz Adlon Esszimmer“ im Berliner Hotel Adlon mit von der Partie. Beide lieferten nicht nur einen exzellenten Fisch-Gang ab, sondern unterstützten ihre Kollegen aus dem Nordosten auch nach besten Kräften, waren sich selbst nicht für küchentechnische Hilfsarbeiten nicht zu schade.

slider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider image

Aus MV selbst waren jedoch nur zwei der acht Sterneköche anwesend. Darunter natürlich Ronny Siewert aus dem gastgebenden Haus und Tom Wickboldt vom Restaurant „The O’Room“ im Marc O’Polo Strandcasino in Heringsdorf. Nicht persönlich anwesend war Pierre Nippkow vom Restaurant „Ostseelounge“ im Strandhotel Fischland in Dierhagen. Er steuerte aber einen fantastisch in Szene gesetzten Hummer-Gang bei, den einer seiner Mitarbeiter mit dem Küchenteam des Grand Hotels anrichtete.


Auch Daniel Schmidthaler vom Restaurant „Klassenzimmer“ im Hotel Alte Schule in Fürstenhagen lieferte seine Zuarbeit für die Amuse Bouches am Vormittag nur ab und verschwand wieder in Richtung Heimat. Volles Haus, so sein Kommentar. Das war es aber auch schon in Sachen Spitzenköche aus dem Land, die schließlich an diesem Abend gleichermaßen Akteure und Geehrte sein sollten.

Die Mehrzahl der anderen Sterneköche hat schlicht abgesagt, weil sie erstens lieber ihr eigenes Haus bekochen und zweitens dem Konzept des Abends eher kritisch gegenüber stehen.  Dazu muss man wissen, dass der Große Gourmet Preis kein klassischer Kochwettbewerb ist, sondern auf der Grundlage der in der Branche nicht unumstrittenen Volkenborn-Liste die besten Köche des Landes auszeichnet und nicht wählt, wie der NDR nicht korrekt meldete.


Dass das immer mehr  zu einer willkürlichen Auslegung führte, ist seit Jahren bekannt. Die Reihenfolge ist egal. Wer teilnimmt, bekommt eine Urkunde. Also eine Art Goldene Ananas. Was nichts an der Leistung von Sternekoch Ronny Siewert schmälert, der nun schon zum neunten Mal in Folge unangefochten die Riege der besten Köche des Landes anführt und einen grandiosen Hauptgang auftischte.

Andere Köche wie Raik Zeigner als dienstältester Sternekoch des Landes, oder André Münch und Ralf Haug winkten von vorn herein ab. Zeigner, der diesmal  eigentlich teilnehmen wollte, zog seine Bereitschaft zurück, nachdem er darüber informiert wurde, dass die Gala als 20. Großer Gourmet Preis durchgeführt werden sollte.


So wurde die Veranstaltung anfangs auch vollmundig beworben und dann sukzessive zurückgefahren. Zuletzt war nur noch von den „wichtigsten Sterneköchen“ des Landes die Rede. Moderator Andreas Dietz wollte sich erst gar nicht zu Details der GGP-Geschichte äußern, ruderte aber am Gala-Abend zurück: „Wir begehen dieses Jahr sozusagen den 20. Jahrestag der Ideenfindung für den GGP, der in den Anfangsjahren noch Köche-Oskar genannt wurde.“


Fakt ist: Der 1. Köche-Oskar wurde am 25. März 2000 im Hotel Sonne in Rostock vergeben. Wer zählen kann, ist also im Vorteil und weiß, dass 2018 die Glocke nur 19 geschlagen hat. Das und andere (hier nicht angesprochene) Dinge am Rande sind kleine Mogeleien, die zwar den kulinarischen Wert der Gala nicht minderten, aber hinsichtlich des in die Jahre gekommenen Konzepts zu denken geben sollte. Selbst Prof. Dr. Horst Klinkmann, der als Gast an der Gala teilnahm, lächelte nur milde ob der Tatsache, wie zahlreich die Köche des Landes vertreten waren.


DEHOGA-Präsident Lars Schwarz dagegen war (verständlicherweise) voll des Lobes: „Tolles Essen, tolle Stimmung. Was will man mehr.“  Und er freute sich, dass er mit Maxi Mauderer die beste Auszubildende  des Landes in den gastgewerblichen Grundberufen auszeichnen konnte. Die junge Köchin nahm freudestrahlend den Azubi-Award und einen Gutschein für einen Aufenthalt im Strandhotel Fischland entgegen. Das war aber der einzige wirkliche Preis des Abends, der mit stimmungsvoller Musik ausklang und so manchen Gast dazu verführte, auch einmal das Tanzbein zu schwingen. 


Nicht vergessen werden darf jedoch die Leistung des gesamten Teams des Grand Hotels Heiligendamm, das in der Küche und im Service Großes leistete und den Gästen damit einen stimmungs- und genussvollen Abend bereitete.

Kommentiert

Ich habe es bereits im Vorjahr kritisiert: Der Große Gourmet Preis als Veranstaltungskonzept ist ein Auslaufmodell, in vielerlei Hinsicht eine Mogelpackung und dient eigentlich nur noch der Selbstdarstellung eines einzelnen Herrn, dessen stereotype Moderation manchmal schon zur Zumutung wird. Keine Frage, bei der jährlichen Gala wird exzellente Kochkunst zelebriert. Aber wenn MV drauf steht, muss auch MV drin sein.


Soll heißen, die besten Köche des Landes müssen auch anwesend und „heiß auf den Preis“ sein. Der ist aber eigentlich gar keiner, sondern nur an eine Liste angelehnt, die Widersprüche in sich birgt und von den Kochprofis nicht für voll genommen wird. Und wenn dann noch der Preis mit merkwürdigen Argumenten für Taschenspielertricks genutzt wird, um die Veranstaltung  überhaupt durchzuführen, dann ist, um im Küchenjargon zu bleiben, die Butter braun.

Denn die Gala fand 2018 nur statt, weil dem früheren Hoteldirektor buchstäblich ein Ohr abgekaut wurde, da es doch die 20. Jubiläumsgala sei. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Dass das kulinarische geneigte Publikum einen genussvollen Abend erlebt, ist aber an keine Rangliste gebunden.


Und dass gemeinschaftliches Kochen anders und zeitgemäßer geht, beweisen längst Formate wie die „Küchenheiligen“ , „Siewert & Friends“ oder das grandiose Outdoor-Gourmet-Festival „Burme“ auf der Burg Penzlin. Ein Moderatoren-Zitat hat mich zum Schmunzeln gebracht: Der sprach tatsächlich von einer Kombination aus Zukunft und Hoffnung. Wie auch immer er das meinte: Bitte, bitte in Zukunft keinen GGP in diesem Format mehr. Das ist mein Appell an potenzielle Gastgeber solcher Galas. Und auch einer an die Köche, sich lieber zwanglos und ohne Rangfolge dem Genuss für die Gäste zu widmen.

knobloch-ggp

Am Rande notiert:

Der Große Gourmet Preis geht auf den sogenannten Köche-Oskar zurück, der 2000 erstmals in Rostock durchgeführt wurde. Organisiert wurde er seinerzeit vom Verein „Festtafel MV“ (ursprünglich: Verbund der qualitätsorientierten Köche MV), die 1996 erstmals auftischte. Gekocht wurde damals ohne Wertung und Rangfolge abwechselnd in den Restaurants der Vereinsmitglieder. Mit der Vergabe des Köche-Oskars, der mit einer Rangfolge (wohl ab 2003 nach der Volkenborn-Liste) verbunden war, änderte sich jedoch Motivation für die Köche.


Peter Knobloch (Foto), einer der Köche der ersten Stunde meint, dass damit ein Wettbewerbsdenken entwickelt wurde, das dem gemeinschaftlichen Kochen nicht wirklich gut zu Gesicht gestanden hat. Preisträger des Köche-Oskars und ab 2006 des Großen Gourmet Preises waren u.a. Michael Laumen, Stefan Frank, Franco Bertoldi, Tillmann Hahn und ab 2010 Ronny Siewert.

Das Menü beim Großen Gourmet Preis MV 2018

Daniel Schmidthaler* und Team Grand Hotel Heiligendamm: Amuse Bouches


Pierre Nippkow*: Hummer in Vanilleöl gebraten | Kürbiscrema | Kokosmilch | Kernöl


Thomas Bühner***: Lofoten Kabeljau | Australisches Wagyu Filet | Kabeljau Consommè | Safran


Hendrik Otto**: Norwegischer Lachs | Rapssaat | Szechuan Pfeffer | Amaranth Tannenhonig


Tom Wickboldt*:  Müritz-Lamm | Karamellisierte Karotte | Paprika, leicht geräuchert


Ronny Siewert*: Black Angus Flank | Gemüsecreme | Gebackenes Ragout vom Shortrib | Grüner Spargel | Borretane Zwiebel | Sauce Pèriegourdine


Steffen Duckhorn & Team (Kurhaus Restaurant Grand Hotel Heiligendamm): Dessertbuffet

slider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider image

Die 10 besten Köche des Landes MV (Punkte nach der aktuellen Volkenborn-Liste)

Ronny Siewert,  Restaurant "Friedrich Franz"* Grand Hotel Heiligendamm, 102,60
Pierre Nippkow, Restaurant "Ostseelounge"* Strandhotel Fischland, Dierhagen, 99,20
André Münch, Restaurant "Der Butt"* Yachthafenresidenz Hohe Düne, Warnemünde. 97,80
Ralf Haug, Restaurant "freustil"*, Binz, 96,00
Daniel Schmidthaler, Restaurant "Klassenzimmer"* Hotel Alte Schule, Fürstenhagen, 95,10

Raik Zeigner , Hotel und Restaurant "Ich weiß ein Haus am See"*, Krakow am See, 94,20
Tom Wickboldt, Restaurant "The O'Room "* im Marc O'Polo Strandcasino , Heringsdorf, 94,10
Björn Kapelke, Restaurant "Gutsherrenküche"* im Hotel Gutshaus Stolpe, 93,20
Alexander Ramm, Restaurant im Jagdhaus Heiligendamm, 79,4
Ines Büttner, Restaurant Büttner's, Greifswald, 77,7

Der Hauptbeitrag dieses Eintrags erschien in gekürzter Fassung
am 1. Oktober 2018 in der Schweriner Volkszeitung.

Das könnte Sie auch interessieren

Hier finden Sie ein paar Vorschläge zum Weiterlesen.