Kommentiert: Kruzitürken – Der Typ garantiert Genuss

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Metin Calis erfüllte sich den Wunsch nach einer großen kulinarischen Veranstaltung

Den "Typ" kenne ich schon seit einigen Jahren. Wenn er lacht, bekommen seine Ohren Besuch. Wenn er redet, denkt man, da spricht ein Mann aus Baden, der ein halbes Jahr in der Türkei gelebt hat. Und wenn er kocht, dann sind bereits seine Menüankündigungen ein kulinarischer Vorbeimarsch.


Und dass er sich nicht ohne den für ihn typischen Dreitagebart auf die Straße oder an den Herd traut, ist neben seiner bekannten Herzlichkeit längst zu seinem Markenzeichen geworden. Spätestens an dieser Stelle nicken Insider und andere Genussmenschen vielsagend mit dem Kopf: Das ist Metin Calis, ein 1971 in Heidelberg geborener Koch mit türkischen Wurzeln.

Das erste Mal erlebte ich seine Kochkünste in einem Hotel auf der Insel Rügen. Da tingelte er mit einer kochverrückten Truppe irrer (sympathischer) Typen durch die Lande, die glaubten, anspruchsvoll kochen und die Welt mit Genuss zu missionieren zu können. Einen humorig-launigen Kulinarischen Kommentar, in dem auch der "Quotentürke" vorkommt, kann  man hier nachlesen. Aber bitte immer daran denken: Das ist kulinarische Satire. Und die ist zumindest in Deutschland erlaubt.


Metin, der längst mein Freund geworden ist und auf dumme Fragen eines einzelnen Journalisten immer geduldig und fachkundig eine Antwort auf Lager hat, sagt im Übrigen von sich: "Meine Heimat ist Heidelberg. Deutschland. Meine Nationalität ist Mensch. Mein Land ist die Welt." Ganz ehrlich: Bei diesen Worten musste ich mit einer Träne im Knopfloch kämpfen.

Aber nun genug der Vorrede. Es geht hier schließlich um eine Veranstaltung, die sozusagen auf Calis' Mist gewachsen ist und mit der er sich wohl einen lange gehegten Wunsch erfüllt hat. Hat man mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit verraten. Also behalte ich es wunschgemäß für mich. Eingeladen hat Metin Calis zu einer "Sofra del Sol". Das heißt auf badisch oder deutsch wohl "Sonnentafel", die er mit einem engagierten Team von Freunden in der "Mint Dine & Bar" in Walldorf aufgebaut hat. Man weiß schon, das ist der Ort, wo die berühmt-berüchtigte SAP-Software-Schmiede steht, aus der Männer wie Dietmar Hopp ihre Millionen für das Fußball-Hobby generieren. Aber auch das nur am Rande.

Anliegen des umtriebigen Metin war es, mit der Sonnentafel auf die Vielseitigkeit der türkisch-orientalischen Küche hinzuweisen, die geschmackliche Raffinessen unterschiedlicher Kulturen miteinander verbindet. In diesem Sinne will er auch eine Brücke zur deutsch-europäischen Küche schlagen. Sein Anspruch war simpel und schwer zugleich: Er wollte eben diese Vielfalt gleichermaßen einfach und harmonisch in einen neuen geschmacklichen Kontext setzen. Wie ihm das an Hand seines Fünf-Gänge-Menüs gelungen ist, will ich entsprechend meiner sehr persönlichen Empfindungen und Erlebnisse beschreiben.

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Als geschmackliches Entrèe gab es pikante Kleinigkeiten aus gegrillter Melone, Tomaten und grünen Peperoni oder Geflügel. Ganz nach dem würzigen Geschmack meines Vaters Sohn. Ich habe mir erlaubt, zwei, drei von diesen appetitanregenden Köstlichkeiten zu verdrücken. War ja auch heiß genug auf der festlich eingedeckten Sonnenterrasse, von der man übrigens einen guten Ausblick auf reizvolle Badenixen hatte. Das war sozusagen das visuelle Nebenprogramm.

Als Amuse Gueule machte eine Kombination aus Ayran, Tomate, Gurke und Petersilie ihrem Ruf als Gaumenfreude alle Ehre. Da lag viel würzige Frische drin. Das Ayran will ich mal laienhaft als eine Art Schaumspeise beschreiben, die wohl mit Jogurt, klarem Tomatenfond und sowie Aromen und Gewürzen zubereitet wird. Dazu die Frische von Gurke und Tomate, das passte zu Sommer und Sonne. Gern hätte ich auch mal von dem Appetizer gekostet, mit dem das Service-Team bei Laune gehalten wurde. Das haben die mir glatt verweigert. Ich habe aber auch nicht danach gefragt. Metin hätte sicher eine solche Rolle für mich locker gemacht.

Den ersten Gang definierte der kulinarische Spiritus rector als Kombination von Sellerie, Wachtelei, Deluxe-Kartoffel, Blattspinat und Isot. Letzteres ist ein typisch türkisches Gewürz aus gerösteten und geschroteten, auch fermentierten Paprikaschoten. Trotz dieses Gewürzes muss ich sagen, dass die Umsetzung dieses Gerichts für mich vor allem beim Sellerie und dem Spinat ziemlich geschmacksneutral war. Da fehlte mir bei allem Genuss das würzende Feuer, das ich mir von türkischer Speise verspreche. Die Kombination mit Wachtelei hat gepasst. Die Kartoffeln waren offenbar eine deutsch-türkische Variante marinierter Kartoffelwürfel mit frittierter Schale. Ich hätte auch ohne diese frittierte Machart, dafür mit mehr purer Marinade leben können. Meine Wertung: 8 auf der Skala bis 10.

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Gang zwei legte einen nach: Auf den Teller kam eine Liaison von Köfte, Limone, Zwiebel und einer BBQ-Sauce. Das hatte etwas für den verwöhnten Gaumen. Die gerösteten und rohen  Zwiebeln in Verbindung mit dem Limonen-Aroma gab der Frikadelle, wie der gemeine Deutsche sagen würde, eine ganz besondere geschmackliche Note. Die vorzüglich gewürzten Köfte-Klopse haben übrigens eine vergleichbar festere Konsistenz als ihre deutschen Pendants. Des visuellen Bildes halber hätte es den Dingern aber gut zu Gesicht gestanden, wenn man sie in Scheiben geschnitten auf dem Teller angerichtet hätte. Schon allein, um böswillige Vergleiche zu verhindern. Spaß am Rande. Gelungen war hier auch ein klassisches Fladenbrot, das allerdings wegen der Miniaturausgabe eher knackig und im Inneren nicht so weich rüberkam. Meine Wertung: 8,5 auf der Skala bis 10.

Ich habe es bereits angesichts der bebilderten Menü-Karte geahnt: Gang Drei wurde meiner Ahnung als geschmacklicher Favorit gerecht. Das Kochteam um Metin Calis zauberte eine genial zubereite Makrele mit Vinaigrette, Kichererbsen, Minze und Bulgur auf den Tisch. Alles war meisterhaft und ganz meinem gewürztechnischen Faible abgestimmt. Davon hätte es getrost drei Gänge geben können. Auch der Bulgur, also eine Art Weizengrütze, den ich bisher noch nicht gegessen hatte, schmeckte köstlich. In Verbindung mit den anderen Zutaten war dieser Gang ein echter Höhepunkt des Abends, obwohl sicher nicht als Hauptgang ausgelegt. Meine Wertung: 9,5 auf der Skala bis 10.

Der Hauptgang stand seinem Vorgänger aber in nichts nach. Zu einem perfekt gegarten und noch leicht rosa Lammrücken kombinierte Metin Calis Langoustino in einer Hülle aus Panko und Piment d' Espelette sowie mit einer Paprikacreme und Aprikosenkompott samt einer fantastischen Gremolata als anregende Kräuter-Würzmischung. Auf diese Kombination muss man erst einmal kommen. Da hat der ideengebende Koch seine kulinarischen Karten voll ausgereizt. Allein die Obstmischung aus Aprikose und Granatapfel gab dem Ganzen eine ausgesprochen raffiniert-pikante Note, die trefflich zum Fleisch passte. Meine Wertung: 9,5 auf der Skala bis 10.

Als Dessert wurde schließlich eine Grießschnitte mit Himbeere, Tahini und Mandel in Szene gesetzt. Das habe auch ich nicht links liegen gelassen. In der fluffigen Grießschnitte wähnte ich türkischen Honig. Das war aber auch nur der Vater des Gedankens. Pustekuchen, sie war mit Rosenwasser aromatisiertem Läuterzucker getränkt. Dazu passte eine dunkle Crunch-Mischung aus Karamell von Schokolade und gerösteten Kaffeebohnen ebenso vorzüglich wie die Tahini- und die geschmacklich angenehm-korrespondierende Mokkacreme. Meine Wertung: 9 auf der Skala bis 10.

Mein kulinarisches Fazit, ohne an dieser Stelle auf das Thema Getränke einzugehen: Metin Calis hat eine Sonnentafel zum Verlieben entwickelt und servieren lassen. Sein Menü besticht in geschmacklicher Vielfalt ebenso wie in der kreativen Umsetzung der verschiedensten Komponenten türkischer und orientalischer Küche. Das macht Lust darauf, sich einmal mehr mit dieser Art Küche zu beschäftigen und sich auszuprobieren. Von der Präsentation blieb der Koch seiner einfachen Linie treu.

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Er setzte bodenständig und artifiziell so gar nicht übertrieben in Szene. Hier liegen gleichermaßen die Vorzüge wie die Reserven seines Anrichtens. Ich tendiere aber mehr zu der von ihm praktizierten Art und Weise ohne die mittlerweile oft schon nervenden und langweiligen Pünktchen und Klecksen auf den Tellern.


Gewürztechnisch hätte er sich für mich noch mehr trauen können, die von mir gedanklich assoziierte türkische Schärfe ins Spiel zu bringen. Aber da bin ich sicher kein Maßstab, werde ich doch allenthalben als der "scharfe Max" (bitte: nur geschmackstechnisch) bezeichnet. Aber das, was er mit den Gewürzen angestellt hat, war ein Genuss besonderer Art.

Nicht zu vergessen sei an dieser Stelle auch das Rahmenprogramm, bei dem sich Metin Calis neben einer Reihe von Sponsoren auch der tätigen Unterstützung von türkischen Freunden, darunter Spitzenköche wie Serkan Güzelkoban aus Künzelsau, versichern konnte. Das war eine richtig runde Sache, die allen Beteiligten sichtlich Freude und den Gästen der Sonnentafel vorzüglichen Genuss beschert hat.

Für mich beeindruckend und eine Bestätigung meiner eigenen Wahrnehmung zu Metin Calis als Koch und Mensch, war auch die kleine Rede seines langjährigen Mentors Stefan Marquard (Titelfoto links). Der skizzierte Metin als kulinarisch ewig Suchenden sowie als ausgesprochen herzlichen, großzügigen und gutmütigen Mann, der für seine Sache brennt, manchmal aber auch von seiner kreativen Ungeduld übermannt wird. Mehr Gelassenheit, so Marquard, sei im Detail wünschenswert. Aber nicht wirklich zu erwarten, ergänzte er schmunzelnd. Dafür sei Metin Calis zu sehr ein kulinarischer Heißsporn.

Angesichts des kulinarischen "Rundumschlags" durch die türkisch-orientalische Küche zeigten sich auch die anwesenden Sterneköche Tristan Brandt aus Mannheim und Robert Rädel aus Leimen sehr angetan von dem kulinarischen Abend. Brandt prägte einen für mich nahezu visionären Satz, in dem er seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, dass es Zeit wäre, eben dieser Küche auch in einem Restaurant gehobenen Stil eine Plattform zu verleihen. Meine Meinung: Das war ein Wink mit dem Kochlöffel, lieber Metin. An Gästen würde es dir sicher nicht mangeln.

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