Geschmackssache: Max is(s)t rot-rot …

fliegauf-menue02

Rot-rote Gerichte

In meinem Lebenstagebuch steht seit dem 13. November 2021: „Ich war dabei.“ Gemeint ist der Landesparteitag der Linken im Bürgerhaus in Güstrow. Nun war das sicher nicht der erste Parteitag aller Couleur, den ich als politisch denkender (und handelnder) Mann und/oder Journalist besucht und kommentiert habe. Aber Güstrow ist eine gesellschaftspolitische Zäsur für Mecklenburg-Vorpommern. Denn seit Anfang dieser Woche wird der Nordosten (wieder) rot-rot regiert.


Das mag einigen nicht schmecken, verleitet aber zu politisch-kulinarischen Vergleichen mit amüsanten Pointen, um die ich nie verlegen war und sein werde. Zur Erklärung: In der Barlachstadt diskutierten die Delegierten den mit der SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag. Und so richtig ein Wunder war es dann auch nicht, dass beide Koalitionäre (die Sozialdemokraten tagten zeitgleich in einer Markthalle in Wismar) nahezu einstimmig, also mit DDR-Wahlergebnissen, beschlossen, den „Aufbruch 2030“ mit „Verantwortung für heute und morgen“ gemeinsam anzupacken.

slider imageslider imageslider imageslider image

Der Vertrag wurde am Abend des gleichen Tages im Ruderclub Schwerin, vis-a-vis dem imposanten Schloss und Landtagssitz von den Spitzen beider Parteien unterzeichnet. Jetzt kann man trefflich darüber schmunzeln und parlieren, ob die Koalition nach den ersten beiden Versuchen als Prima-Klima-Club nun ein politischer Ruderclub sein wird. Immerhin: Rudern in einem Achter mit Steuermann erfordert viel koordinierte Kraft und Gefühl, damit der Kahn in der Spur bleibt. Dass im Schloss auch weiterhin einer Steuerfrau das Sagen hat, ist kein Makel an sich. Wird den Frauen doch allgemein viel taktisches Gefühl nachgesagt.


Aber ausschließlich politisch soll und darf es ja in meinen Kolumnen nicht zugehen. Also verbinden wir die Diskussion im übertragenen Sinne mal mit rot-rotem Ess-Geschmack und dem Thema „Koch oder Kellner“. Schließlich ist ja bekannt, dass die Köche eine gewisse Führungsrolle für sich in Anspruch nehmen. Ein guter Koch, respektive Küchenchef weiß aber auch, dass er ohne ein gut funktionierendes Team und exzellentem Service-Personal nicht viel ausrichten kann. In diesem Sinne glaube ich sogar, dass man das rot-rote Menü für die kommende Wahlperiode tatsächlich auf Augenhöhe mit einem weiblichen Primus inter pares ausgehandelt und verabschiedet hat.


Wer das Programm personalmäßig verantwortlich umsetzt, darüber wurde lange ein Mantel des Schweigens gehüllt. Fest standen nur die politische Küchenchefin und ihre Sous Chefin, wie in einer Küchenbrigade die Stellvertreterin genannt wird. Für die Chefin de Cuisine wird es zwar ein kleiner Wermutstropfen gewesen sein, dass ihr aus den koalitionären Reihen zwei Stimmen versagt geblieben sind. Vielleicht hat sie ja den einen oder anderen einmal (zu viel) auf den Schlips getreten oder in der politisch-küchentechnischen Aufstellung mehr oder weniger bewusst vergessen. Egal, meine Oma hätte gesagt: „Da back‘ ich mir ein Ei drauf …“ Und das wird die Landes-Küchenchefin auch gedacht haben. Es geht schließlich um mehr als um Befindlichkeiten Einzelner und es ergeben sich sicherlich noch Möglichkeiten, mit dem vergeltendem Kochlöffel zu schwingen. Und was die Opposition über das Personal denkt: Siehe meine Oma …


Kommen wir mal zum geschmacksanregenden und damit zum wesentlichen Teil meines rot-roten Geplänkels: Als Vorspeise könnte es Tatar auf Rote Bete Carpaccio  sein. Für das appetitanregende Tatar empfehle ich eine Ceviche-Variante aus Saibling und/oder Lachs. Die können Sie ziemlich Freistil zubereiten und da wird Ihnen auch keiner groß reinreden: Den Fisch, auch mit Stangensellerie kombiniert, klein würfeln, nach Geschmack würzen, Kräuter beigeben und mit einer leichten Zitrusnote marinieren. Für das Carpaccio lassen Sie eine Rote Bete-Knolle kochen. Das kann je nach Größe eine reichliche halbe Stunde dauern. Lässt sich das Ding mit der Gabel mühelos einstechen, ist es gar. Salzen sollte man erst kurz vor Ende der Garzeit, damit die leuchtend rote Farbe erhalten bleibt. Raus aus dem Topf, abpellen, erkalten lassen und hauchdünn schneiden.


Nun kann schon angerichtet und möglichst geschlossen serviert werden. Das Carpaccio auf dem Teller verteilen, nach Gusto salzen und pfeffern sowie mit Zitronengras oder Chiliflocken würzen und etwas mit Olivenöl beträufeln. Darauf setzen Sie in einem Ring das Fischtatar. Leicht andrücken, Ring frei und mit Petersilie, Kresse oder anderem Grünzeug garnieren. Wenn Sie auf Fisch verzichten möchten, eignet sich auch Ziegenkäse und Rucola als treffliche Kombination mit dem Carpaccio. Eine weitere Alternative, man muss ja auch in einem politisch-ambitionierten Küchenteam nicht immer den gleichen Geschmack zelebrieren, wäre ein Rote Bete Gazpacho, also eine kalte Suppe. Ein Rezept dafür und andere Ideen für tiefrote Geschmacklichkeiten gibt’s in meiner internetten Rezeptothek.


Für einen Hauptgang bietet sich beispielweise Lammrücken an. Der soll allerdings nicht mehr dunkelrot sein, sondern zartrosa zubereitet werden. Das geht natürlich auch mit diversem Wild, das beispielsweise der Landes-Till als Oberjäger und -landwirt kochtechnisch verantwortet. Der hat schließlich schon manchen Bock geschossen. Aber für den wird ja, glaubt man der Gerüchteküche, vielleicht auch aus diesem Grund noch ein größenmäßig passendes Pferd gezüchtet, mit dem er eventuell gen Berlin reiten könnte.  Zur kochenden Sache: Würzen Sie das Fleisch mit Salz und Pfeffer und bestreichen Sie die Oberfläche mit einer Paste aus feingehackter Petersilie und ebenso fein zerkleinerten Rosmarinnadeln, Butter, Paniermehl, etwas Senf sowie Salz und Pfeffer. Nun kommt der Braten in den auf 230 Grad vorgeheizten Backofen und sollte bei einer Kerntemperatur knapp unter 60 Grad noch schön rosa sein.


Raus aus dem Ofen, kurz setzen lassen, damit sich der Fleischsaft verteilen kann, portionsgerecht aufschneiden, sofort anrichten und mit einreduzierter Soße aus Fleischfond oder Bouillon und Rotwein umgießen, die leicht mit Butter aufgekocht und mit Salz, Pfeffer und weiterem fein gehacktem Rosmarin gewürzt ist. Dazu kann man als farblich-geschmacklichen Kontrast Rote Bete Spaghetti reichen. Zubereitung: Sie wissen schon … Oder fragen Sie auch den zuständigen kulinarischen Minister oder seinen Küchensekretär.

Davon gibt’s ja auch diesmal im Küchenkabinett eine ganze Menge. Einige davon haben durchaus Potenzial, in künftigen Küchenriegen für höhere Weihen vorgesehen zu werden. Man muss schließlich nicht immer von Vorpommern aus regieren, wie das aktuelle Beispiel zeigt … Auch kleine Kartoffeltaler sind eine schmackhafte Ergänzung. Lassen Sie Ihrer Kombinationslust freien Lauf. Im politisch-kulinarischen Schwerin gibt es ja künftig einen (neuen) Kümmerer, der als Restaurantleiter in der Staatskanzlei an der Seite der Küchenchefin aufpasst und die Marschrichtung vorgibt, dass keiner politisch-geschmacklich zu sehr aus der Reihe tanzt.


In diesem Sinne können Sie auch auf mannigfaltige rot-rote Dessert-Vorschläge gespannt sein, die ich Ihnen unterbreite. Die eher ebenso einfache wie deftige Variante dafür ist würziger Rotschimmelkäse mit roten und ausnahmsweise auch grünen Weintrauben. Dazu ein Glas trockenen Rotwein. Was sonst … Denn wie im Leben ist es wohl auch in der Politik so, dass die Realität manchmal nur mit einem guten Tropfen zu genießen ist. Das wusste weiland sogar der von mir sehr geachtete und geschätzte Harald Ringstorff, der vom Himmel sicher wohlwollend und mit einem flotten Spruch auf den Lippen die landespolitische Speisekarte begutachtet.

Diese Kolumne erschien am 18.11.2021 in allen Ausgaben der Schweriner Volkszeitung, den Norddeutschen Neuesten Nachrichten, der Neuen Osnabrücker Zeitung und ihren Partnermedien sowie dem Beig Verlag Pinneberg und in Ausgaben des SH:Z Verlages.

Das könnte Sie auch interessieren

Hier finden Sie ein paar Vorschläge zum Weiterlesen.