Kennen Sie Sass? Rainer Sass? Das ist der mit der Lizenz zum Kochen. Zumindest beim NDR. Der Typ beindruckt durch seine sprachliche und mimische Eloquenz. Wenn er über (s)ein Essen parliert, gibt’s nur zwei Möglichkeiten: Entweder man is(s)t sofort pappensatt, oder man kann es gar nicht abwarten, sich selbst an den Herd zustellen. Natürlich kokettiert der Selfmade-Koch mit dieser Gabe. Wohl wissend, dass die meisten auf seine Art von Geschmack und seine so gar nicht maulfaule, norddeutsche Sprechweise abfahren.
Kürzlich hat er Spitzkohl-Rouladen vorgestellt, die mit Hühnerfleisch gefüllt waren. Abgelehnt, Sass. Das ist nicht Max‘ Geschmack. Ich wünsche mir etwas Besonderes und biete eine Spitzkohl-Variante à la Max an. Aber der Reihe nach: Für sechs Personen werden aus einem mittelgroßen Spitzkohl die Blätter herausgelöst und etwa eine Minute in kochendem Wasser blanchiert. Raus aus dem Wasser, abschrecken (nicht nur dumm angucken) und gut abtrocknen. Dann die Blätter so übereinanderlegen, dass eine passende Größe zum Füllen erreicht wird.
Jetzt kommt Max‘ pikante Füllungs-Kür mit einer Art Fisch-Tatar. Dagegen ist nichts einzuwenden, meint mein kulinarischer Berater Holger Gniffke aus Penzlin. Etwa Hecht, Zander, Saibling oder auch Forelle bieten sich an. Ich entscheide mich spontan für Zander von der Müritz. Der Koch und Lebensmitteltechnologe empfiehlt mir eine Kombination aus püriertem Fisch mit groben Fisch-Würfeln. Das wird saftiger, meint Gniffke. Er rät, den Fisch so kalt wie möglich mit süßer Sahne zu pürieren, so dass sich eine gute Emulsion aufbaut. Dazu kommen die rohen Fischwürfel.
Als Würze passt ganz nach meinem Geschmack eine asiatische Variante. Für die röstet man etwas gelbe Currypaste und Zwiebelwürfel an, ohne dass diese Farbe annehmen. Die Paste enthält übrigens alles, was ich sonst noch schätze: Chili, Knoblauch, Garnelenpaste und diverse Gewürze. Die Fischmasse abkühlen lassen und klein geschnittene rohe, rote Paprikawürfel und Frühlingszwiebeln unterheben und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Das i-Tüpfelchen sind ein, zwei klein gehackte Kaffirlimettenblätter, die es tiefgekühlt im Asialaden gibt. Die geben dem Ganzen eine schöne zitronige Note, ohne sauer zu sein.
Alles rein in die Spitzkohl-Blätter, die Rouladen schön verschließen und in einer Soße aus einem Zehntel Liter Weißwein, der doppelten Menge Wasser, zwei Esslöffeln Butter und etwa 50 Gramm Ziegenfrischkäse bei geringer Hitze etwa eine Viertelstunde garen. Dabei die Rouladen mehrfach wenden. Angerichtet wird mit einem groben (!) Kartoffel-Möhren-Stampf, der mit Salz, Pfeffer, Muskat und Olivenöl gewürzt ist.
Nun muss der Bogen wieder zum Sass kommen. Der Mann scheint wirklich so zu sein, wie er sich medial gibt. Ein Koch aus MV meint, dass Rainer Sass in jeder Beziehung „volle Kanne“ reinkracht. Vor allem aber ist er mit der norddeutschen Region verbunden und kocht in seinen Sendungen wirklich für die Menschen, ohne Chichi. Authentisch, direkt, manchmal schrill, auch ein wenig eitel. Wie Max auch. Das macht nicht nur mir den Mann irgendwie sympathisch. Und mal ehrlich: Irgendwie sind wir doch alle ein bisschen „Sass“.
Diese Kolumne erschien am 7. November 2017 in der Schweriner Volkszeitung.