Seiten-Blicke: Lafer kam, sah und lachte

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Geschmackvoll: Der Blick über den Tellerrand

Deutschland hat von der Ostsee bis ins Allgäu, von der Saar bis an die Oder nicht nur herrliche Landschaften zu bieten, sondern auch eine abwechslungsreiche regionale Küche. Deshalb soll es künftig einmal im Monat im Rahmen der Rubrik "kochen & genießen" auch den Blick über den Tellerrand des kulinarischen Nordostens geben. Auf meinen Entdeckungen habe ich sehr sympathische Menschen, wunderbare Gastgeber und kulinarische Kreationen erleben dürfen, die eine Region über den Geschmackssinn erkunden lassen. Und ich verspreche Ihnen, liebe Leser, dass ich meine Entdeckungen immer in eine kleine Geschichte "verpacken" werde, damit Sie Lust auf Reisen und kulinarischen Genuss bekommen. Schließlich versteht es sich ja von selbst, dass man in einem reizvollen, historisch gewachsenen Umfeld mit einzigartigen Sehenswürdigkeiten besonders gut genießen kann. Und wenn Sie dort vielleicht sogar für die Küche des Nordostens werben, dann dürfte der Zweck des Blickes über den Tellerrand erfüllt sein. Seien Sie also neugierig, wohin ich Sie demnächst im besten Sinne des Wortes verführen werde.

Friedersdorf. Dass die Spree durch den Spreewald fließt, ist einigermaßen logisch. Und dass sie Berlin den Beinamen "Spreeathen" gab, weiß auch (fast) jeder. Dass der bekannte Fluss aber in der tiefsten Oberlausitz entspringt, drei Quellen hat und sogar einige hundert Meter durch Tschechien fließt, das weiß sicher nicht jeder.

In Ebersbach in Sachsen aber, das ist dort, wo die Lausitzer das "r" besonders gut rollen, ist die Spree sozusagen schon ein vereinigtes Flüsschen. Ein Fluss wird sie erst weiter unten, wie der Sachse sagen würde. Wäre die Spree hier schon schiffbar, könnte man etwa drei Kilometer abwärts der "Grenzschänke" in Friedersdorf einen Besuch abstatten. Glaubt man der Historie, bildete die Gastwirtschaft bis 1934 tatsächlich die Grenze zwischen Ober- und Niederfriedersdorf. Der Wirt bediente im Oberdorf die Gäste, die Wirtin bereitete im Niederdorf die Speisen zu. Diese Episode erzählen die heutigen Wirtsleute, Heike und Frank Brendel, ihren Gästen sehr gern. Damit erschöpft sich das historische Repertoire der "Grenzschänke" aber noch längst nicht. Denn alles in dem fast 250 Jahre alten Umgebindehaus strahlt historische Originalität aus. 

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Die zu erhalten haben die Brendels ein wahrhaft goldenes Händchen bewiesen. Die Wände zieren, sehenswert  ungeordnet angeordnet, viele historische Foto aus der wechselhaften Grenzschänkenzeit sowie eine große Anzahl passender Accessoires wie Bücher, humorige Sprüchen, Gemälde und neckisch bestickte Kissen. Ganz zu schweigen davon, dass sich der Wirt als amüsant-eloquentes Original entpuppt und den Gästen die Lachtränen in die Augen treibt. Wer möchte, bekommt von ihm natürlich auch etwas Trinkbares eingeschänkt.

Auch zur Küche der "Grenzschänke" gibt's eine kleine Episode: Angeregt durch meinen Bildband "Kulinarische Entdeckungsreise durch Sachsen", in dem ich auf 272 Seiten das Land kulinarisch bereist habe, kam auch Sternekoch Johann Lafer mit seiner Sendereihe "So köstlich isst der Osten" in das kleine Dorf an der Spree. In die Küche von Heike Brendel gekommen, sah Lafer, staunte und lachte. Offensichtlich konnte er sich angesichts der kleinen Küche mit dem uralten Kohle-Herd nicht vorstellen, dass hier ernsthaft gekocht wird. Das stellte sich schnell als erfreulicher Irrtum heraus. Der Spitzenkoch lobte die hausgemachte, bodenständige Küche, wie sie Heike Brendel selbst definiert, über alle Maßen und adelte damit Küche und Chefin gleichermaßen.

Ich habe es genossen, nach einige Jahren diese Küche wieder einmal zu erleben. Heike Brendel schwört auf frische, hochwertige Zutaten. Sie experimentiert gern mit Gewürzen wie Kardamon, Anis und Fenchel, um alle Geschmacksnerven anzusprechen. Und sie scheut sich auch nicht, richtig deftig zu kochen. Ihre Knoblauchsuppe ist ein Gaumenschmaus, den man drei Meilen gegen den Wind riecht. Ihre Wildsülze ist jede Sünde wert, und der Grenzschänkenspieß ist längst weit spreeabwärts bekannt und beliebt.

Im sprichwörtliche Sinne Schützenhilfe erhält sie dafür durch ihren Mann Frank, der als passionierter Jäger Wild selbst erlegt, fachgerecht zerlegt und weiterverarbeitet. Zur kulinarischen Gaudi werden hier auch die von den Wirtsleuten angebotenen Essen vom heißen Stein, die Fondue-Abende, oder das rustikale Essen aus dem Trog. Hier wird Luther kulinarisch lebendig. Ich habe mich trotz des verlockenden Angebots an Fleisch- und Fischgerichten sowie deftigen Brotzeiten mir frisch gebackenem Brot für die Knobisuppe und Pellkartoffeln mit Leinöl entschieden. Geile kulinarische Nummer, kann ich versichern.

Kurzum: Ein Besuch in der Oberlausitz ohne Einkehr in der Grenzschänke, ist für mich nicht denkbar. Hier hat Essen wirklich etwas mit Erleben und Genießen zu tun. Zeit für innere Entschleunigung sollte man sich also nehmen. Und wer Glück hat, kommt vielleicht sogar in den Genuss einer der von Frank Brendel organisierten und als musikalischer Geheimtipp gehandelten Bluesveranstaltungen in der urigen Kneipe an der Spree, auf der man hier sogar schon Kahn fahren kann.


Diese Kolumne und dieser Beitrag erschienen im Rahmen der Seite "Kochen & genießen" in der Schweriner Volkszeitung vom 13. Mai 2014.

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