Seiten-Blicke: Handwerk mit besonderem Duft

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Geschmackvoll: Würzige Verlockungen

Ich liebe Käse. Mir wird nachgesagt, dass ich schon im frühen Kindesalter nach Käse gelechzt habe. Der Geschmack hat sich im Laufe der Zeit zwar, nicht nur beim Käse, verändert. Die Liebe zum Objekt ist geblieben. Je mehr er "stinkt", nicht abwertend gemeint, umso besser. Manchmal zum Leidwesen meiner Frau, wenn ich gar zu deftig auftrage. Guter Harzer ist schließlich jede Sünde wert. Entscheidend ist aber natürlich der Geschmack, also das, was dem Käse innewohnt. Wenn ich einen "gut sortierten" Käseladen aufsuche, dann versuche ich immer wieder, neue Sorten zu entdecken und mit meinem ganz eigenen Geschmack an Essen und Trinken zu verbinden. Soll auch heißen, es reizt mich, den Käse mit allem möglichen festen und flüssigen Zutaten zu kombinieren. Sei es zum Überbacken von Fleisch, als würzige Ergänzung von Pasta, Pizza und Suppen. Und natürlich immer als ebenso anregende wie finale Nachspeise. In diesem Sinne kann ich Sie nur ermuntern, den Spruch "Das stinkt zum Himmel" nicht wörtlich ernst zu nehmen und schön neugierig zu bleiben, welchen Duft der Käse entwickelt.

Welzin. Im fast äußersten Osten der Insel Usedom ist sozusagen die Welt zu Ende. Wer hier ein Geschäft eröffnet, muss schon etwas zu bieten haben. Da aber an einem eher trüben Samstagnachmittag binnen einer knappen Stunde Kunden mit Autos aus Berlin, Stuttgart, Rügen, Neubrandenburg und Hagenow Heide vorfahren und kaufen möchten, muss das der Fall sein. Ganz humorig-pointiert ist auch diese Episode: Ein junger Mann in weißer Kleidung preist einer Kundin verschmitzt lachend an: "Nehmen Sie den Alten, dann haben Sie mehr Genuss." Worauf die ältere Dame aus Berlin schlagfertig kontert: "Wat anderet hab ick ooch nich vor. Icke stehe uff den Alten". Sagt's, bezahlt und steigt schmunzelnd ins wartende Auto mit dem Versprechen: "Ick komme wieda."

Der Verkäufer ist übrigens der Chef des Unternehmens persönlich. Steffen Schultze ist keine 40 Lenze alt und Käser von Beruf. Aus Achern im Schwarzwald stammend hat er sein Handwerk in der Schweiz gelernt und mit einem "schweizerisch-eidgenössischen  Fähigkeitszeugnis" abgeschlossen. Was ihn dann letztlich in den Nordosten nahe des Stettiner Haffs verschlagen hat, verwundert den Gesprächspartner schon ein wenig. "Im Süden hatte ich nicht die Milch, die ich für meinen Käse brauche. Die dort vorherrschenden Genossenschaften bieten meist keine Bio-Qualität und haben ihre Kontingente schon aufgeteilt. Mit Silage gefütterte Kühe kann ich aber meinen Rohmilchkäse nicht herstellen", erläutert Schultze.

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Also auf in den Norden und ran an den Käse, muss er sich gedacht haben. Auf einem alten Vierseiten-Hof hat er mit viel Kraft und Zeit eine eigene Käserei eröffnet. Biomilch-Zulieferer hat er auf der Insel in naher Nachbarschaft längst gefunden und ist begeistert von der Qualität der Milch. Die spezielle Vegetation auf den Usedomer Überschwemmungswiesen mit ganz besonderen Kräutern machen den unverwechselbaren Geschmack seiner Käsesorten aus. Er produziert drei Sorten Usedomer Käse, den jungen (drei Monate gereift), den mittleren (sechs)  und eben den "alten" (zwölf) wie eingangs bemerkt. Dazu kommen der milde und im Geschmack nussige Welziner Hartkäse sowie der Zigotter, ein aus Molke produzierter einweiß- und albuminreicher (Protein) Frischkäse.

Steffen Schultze: "Die Qualität meines Käse besteht im besten Sinne des Wortes in Hand-Arbeit." Die ist sehr aufwändig. Nicht nur, dass die Frischmilch in drei Stunden verarbeitet sein muss, er muss den werdenden Käse mit einer sogenannten Käseharfe bearbeiten und in kleine Klümpchen zerteilen. Dieser Käsebruch wird anschließend über einem Holzfeuer erhitzt, das Schultze unter dem großen Kupferkessel entfacht. Danach wird die Molke abgepresst und der Käse erhält seine typische Form von runden Laiben. Im Salzbad erhält der Käse seinen würzigen Geschmack und bildet durch den Entzug des Wassers Rinde. danach begeben sich die Laibe in ihren Reife-Schlaf und entwickeln, täglich bepinselt mit Salzlake, Wein oder Bier weiteren Geschmack. Das aber ist, meint Schultze, sein "Betriebsgeheimnis". Der Erfolg gibt ihm Recht. Immerhin wurde er 2011 als einer der besten Käseproduzenten Deutschlands ausgezeichnet.

Was isst oder trinkt man nun zum Käse, habe ich Steffen Schultze gefragt. Der Käser antwortet salomonisch: "Kommt ganz auf den Geschmack an. Ich kenne Leute, die essen den Käse mit Marmelade, andere wieder mit Gemüse oder Kräutern. Natürlich kann man ihn  auch in diversen Gerichten wie Suppen oder Spätzle verarbeiten. Und zu einer richtigen Brotzeit ist Käse natürlich ein Muss." Seinen Kunden empfiehlt er übrigens, auch und gerade mit Käse kulinarisch zu experimentieren. Das schafft, so Schultze lachend, gleichermaßen Gaumenfreuden wie Überraschungen.

Beim Trinken ist es ähnlich: Je nach Anlass und Mahlzeit empfehlen sich würzige Biere ebenso wie Weine aller Anbaugebiete. Für ihn ist es der Badische Wein. Genauso passend seine aber auch Weine aus Sachsen, von der Saale-Unstrut oder von Rattey, dem nördlichsten deutschen Weinbaugebiet. Schultze: "Auf jeden Fall muss der Wein charakterstark sein. Dann passt er auch zu meinem Wein." Sein Rat: Man sollte mit dem jungen Käse anfangen und ihn geschmacklich entdecken. So kann man sich über den mittleren langsam an den würzigen "Alten" heranpirschen, den die Berliner Dame so wertschätzt.

Diese Kolumne und dieser Beitrag erschienen im Rahmen der Seite
"Kochen & genießen" in der Schweriner Volkszeitung vom 1. April 2014.

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