Der "Bettelstudent" is(s)t in Sachen Kohl mangels Masse in der Kasse kulinarisch eher einfältig, musikalisch aber durchaus spritzig. Das zeigt aber nicht im Ansatz die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten von Fleisch und Kohl. Auf der Suche nach neuen geschmacklichen Ideen für meine Rezeptesammlung habe ich beim NDR gebratene Poulardenkeulen mit zweierlei Spitzkohl entdeckt.
Bei mir heißen die Poularden aber Hühnchen. Denn das sind sie ja auch. Also frisch ans Werk: Man löst dazu die Mittelknochen von vier Hühnerkeulen aus und fixiert das Fleisch jeweils mit zwei Spießen. Die Keulen werden mit einer Mischung aus edelsüßem Paprikapulver und Öl eingestrichen, gesalzen und im vorgeheizten Backofen bei 200 Grad etwa 35 Minuten kross gegart. Sodann wird Speck in Würfel geschnitten, etwa 3 Esslöffel davon reichen. 100 Gramm Schalotten werden ebenfalls in feine Würfel geschnitten. Nun werden 600 Gramm Spitzkohl gewaschen, abgetrocknet, vom Strunk befreit und in feine Streifen geschnitten. Die helleren Teile des Kohls zurücklegen. Von dem Spitzkohl und den Schalotten jeweils ein Drittel mit einem Senf-Dressing marinieren.
Für das Dressing werden 3 Esslöffel Olivenöl, 2 Esslöffel Essig, 30 Gramm Zucker und 2 Esslöffel Senf gut verrührt und alles mit Salz und Pfeffer aus der Mühle abgeschmeckt. Den Salat 15 Minuten ziehen lassen. Dann wird der Speck mit 4 Esslöffel Sonnenblumenöl in einer Pfanne kross gebraten. Dazu kommt der hellere Spitzkohl, der kurz gegart wird. Zum Schluss die restlichen Schalotten und einen halben Teelöffel Kümmel hinzugeben und ebenfalls kurz mitgaren.
Zum Thema Kohl habe ich mich übrigens mit Sebastian Rauer, Inhaber und Küchenchef im Strandhotel Goldberg unterhalten. Der meint, dass in Sachen kulinarischer Herbst dem Kohl, allem voran dem Grünkohl, eine besondere Rolle zukommt. Rauer: "Kohl entwickelt seinen spezifischen Geschmack beim Garen und Anbraten. Weißkohl beispielweise benötigt Röstaromen und schmeckt auch dann erst richtig gut." Soll wohl heißen: Kohlrouladen oder Schmorkohl sind angesagt. Dabei ist der Kohl auch Träger der Sauce, die ich so sehr liebe.
Allerdings kann er auch als roh marinierter Salat eine Köstlichkeit sein und braucht somit keine intensive Sauce. Hier entwickelt sich der Geschmack besonders gut durch vorheriges Würzen des geschnittenen Kohls, und dann sollte man Ihn ordentlich "kneten". Dieser Vorgang treibt die Senföle aus dem Kohl und holt frische Geschmacksnoten aus dem Gemüse. Beim Rosenkohl sollte man allerdings darauf achten, dass dieser gut gegart ist. Hier können die Senföle eher unangenehm wirken. Zu Wild-, Geflügel- oder kurzgebratenem Wildfleisch aber passen die Rosenkohlblätter trefflich: Sie werden einfach mit fein geschnittenen Speck -und Zwiebelwürfeln angeschwitzt und mit frischer Sahne eingekocht.
Einig war ich mir mit dem Küchenchef auch darin, dass Fleisch und Kohl kulinarisch sozusagen verheiratet sind und einfach zueinander gehören. Man muss ja nicht gerade ein Rinderfilet mit Rotkohl kombinieren. Da bieten sich Sorten wie Wirsing oder Spitzkohl an. Vor allem aber darf man sich in Sachen Gewürze getrost etwas trauen: Die Leichtigkeit des Sommers kann abgelegt werden, schwere Saucen zu gutem Braten, deftige Gewürze wie Kümmel, Muskat oder Kardamom oder auch Sternanis und Zimt dürfen wohldosiert eingesetzt werden und stimmen auf die kalte Jahreszeit ein.
Diese Kolumne erschien am 6. Oktober 2015 in der Schweriner Volkszeitung.