SCHWERIN Wenn Hermann Beste in seinem häuslichen Arbeitszimmer sitzt, spürt man, dass er sich dort im besten Sinnes des Worts zu Hause fühlt. Sein Schreibtisch wirkt nicht aufgeräumt, aber mit vielen Erinnerungsstücken irgendwie in sich geordnet. Die wandhohen Bücheregale sind bis in die letzte Ecke ausgefüllt und mit Fotos ausstaffiert. Beste schätzt offensichtlich die Erinnerung, macht aber auch keinen Hehl daraus, dass ihm mediale Aufmerksamkeit eher suspekt ist. Trotzdem sind seine Antworten klar und präzise. Der evangelische Theologe ist ein Mann des offenen Wortes.
Er erinnert sich an die Zeit, da er neben seiner Tätigkeit als Pastor in Kirch Grambow als Chefredakteur der wöchentlich erscheinenden Mecklenburgischen Kirchenzeitung arbeitete und sich ständig mit der Zensur der DDR-Behörden auseinandersetzen musste. Makaber aus seiner Sicht: Am Gründonnerstag 1988 wurde im Presseamt unmissverständlich gesagt: "Die Machtfrage ist entschieden. Versuchen Sie ja nicht, dagegen anzugehen." Es gab, so Beste, 1988 bei mindestens einem Drittel aller Ausgaben staatlichen Widerspruch, und drei Ausgaben erschienen gar nicht, weil man sich nicht einigen konnte. "
Seit Anfang 1989 aber gab es zu unserem Erstaunen keine Einsprüche mehr", so Hermann Beste. Was das zu diesem Zeitpunkt bedeutete, war noch relativ undurchsichtig. Bezeichnend in diesem Zusammenhang eine Aussage im September 1989 von ihm gegenüber westdeutschen Studenten, dass sich wohl an der weltpolitischen Lage so schnell nichts ändern würde.
Trotzdem konnte Beste dann im Verlauf des Wendeherbstes der Intention für einen "verbesserten Sozialismus" nie etwas abgewinnen, wie er eingesteht. Für ihn und viele seiner Weggefährten war klar, dass die deutsche Wiedervereinigung der einzig gangbare und sinnvolle Weg war. Er engagierte sich fortan im Rahmen der Proteste und Gespräche, die im Oktober 1989 in der Pokrenter Kirche begannen, und leitete bis März 1990 den Runden Tisch in Gadebusch.
Von 1993 bis 1996 als Superintendent im Kirchenkreis Rostock-Land tätig, wurde der heute knapp 75-Jährige schließlich als Landesbischof gewählt. Ein Amt, das bereits sein Vater Niklot Beste von 1946 bis 1971 ausübte. Die Überraschung für diese "Berufung" lag für ihn angesichts der Konstellation in der Landeskirche übrigens weniger in der Wahl selbst, als in der Tatsache, überhaupt gefragt worden zu sein. Hermann Beste: "Ein solches Amt kann man ohnehin nur annehmen, wenn man von vielen mitgetragen und begleitet wird." Die Amtsführung von seinem Vater und ihm zu vergleichen, lehnt er aber angesichts völlig unterschiedlichen historischen Bedingungen ab. Das Wort von Jeremia "Suchet der Stadt Bestes" interpretiert er für seine Amtszeit so, dass die Kirche sehr wohl hohe Verantwortung für die Entwicklung der Gesellschaft, der Welt überhaupt, hatte. "Deswegen haben wir uns 1989 schließlich auch engagiert", so sein Kommentar.
Dass Hermann Beste sein Amt als Landesbischof früher als nötig bereits 2007 zur Verfügung stellte, lag ausschließlich daran, dass er einem Nachfolger ermöglichen wollte, die geplante Fusion der Mecklenburgischen und Vorpommerschen Kirche von Anfang an zu begleiten. Die später in die Diskussion gekommene Nordkirche war zu diesem Zeitpunkt noch kein Thema. Er selbst hätte aber ein besseres Zusammenwirken der Mecklenburgischen und Vorpommerschen Kirche in Kooperation mit den Kirchen im Hamburg und Schleswig-Holstein favorisiert.
Danach gefragt, welchen Stellenwert Kirche heute hat, wird Beste nachdenklich. Gerade im Zusammenhang mit den aktuellen vielen Kirchenaustritten sei es wichtiger denn je, zu den Menschen zu gehen und sie zu begleiten. Beste: "Das Gebot der Stunde ist keine Veranstaltungskirche, sondern eine, die den Menschen hilft und die Probleme mit ihnen bespricht."
Als Landesbischof im Ruhestand hat Hermann Beste trotzdem keine Langeweile. Er übernimmt hin und wieder Gottesdienste und fühlt sich im Übrigen in seinem häuslichen Refugium sehr wohl. "Wenn es einmal mit Arbeit zu viel wird, wird mir das meine Frau schon sagen", schmunzelt er. Die so Angesprochene lächelt, als er sich dann doch noch einem Foto seines Gesprächspartners beugen muss.
Dieser Beitrag erschien am 28. Juli 2015 in der Schweriner Volkszeitung.