Buntes Spektakel im Schlossgarten: Dagmar Frederic

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Über 100 Darsteller sangen, tanzten und spielten zu mitreißen Melodien von "Hello, Dolly!"

NEUSTRELITZ   Wer dieser Tage in Richtung Mecklenburgische Seenplatte reist, sieht nahezu allerorts Plakate mit einer einzelnen, prächtig aufgeputzten Dame. Die heißt Dolly Meyer und lädt zu den Festspielen im Neustrelitzer Schlossgarten ein, die in diesem Jahr zum 15. Mal stattfinden. Die attraktive Witwe ist die Hauptfigur der 1964 im New Yorker St. James Theatre uraufgeführten Musikalischen Komödie "Hello, Dolly!" von Jerry Herman.


Dass der Neustrelitzer Operndirektor Wolfgang Lachnitt das musikalisch wie darstellerische anspruchsvolle Musical inszeniert hat, ist seinen Worten zufolge den Umständen geschuldet, dass er ein tolles Ensemble und engagierte Mitarbeiter hinter sich  weiß, und dass er für die Titelrolle mit Dagmar Frederic eine Darstellerin gewinnen konnte, mit der er schon oft und erfolgreich zusammengearbeitet hat.


Sein Kommentar zu dieser Besetzung: "Für Frau Frederic ist das sozusagen eine Lebensrolle. Dolly Levi, verwitwete Meyer, und Dagmar Frederic - das ist zu 100 Prozent Deckungsgleichheit. Zwischen beide passt kein Blatt Papier."


Man kann es vorwegnehmen, die Premiere im sonnenüberfluteten Schlossgarten war ein Feuerwerk von Melodien, die ins Ohr gehen, und ein angesichts des prächtigen Bühnenbildes und der aufwändigen Choreografie ein visuelles Erlebnis der Extraklasse. Was das Gesangs-, Tanz- und Musikensemble an diesem Sommerabend abfackelte, nötigt höchsten Respekt ab.

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Die Frederic brillierte als Dolly mit großer Leichtigkeit in Gesang und Spiel. Sie hauchte damit der umtriebigen Heiratsvermittlerin im besten des Wortes Leben ein. Stimmlich setzte die bekannte Entertainerin ihre Rolle sehr facettenreich um. Sie sang sowohl in der vergleichbar lasziv-modänen Stimmlage einer Zarah Leander, freilich weicher, melodischer und im Detail romantischer, aber auch in der von ihr gewohnten spritzig-frechen Art Fredericscher Prägung. So gerieten die schon als Gassenhauer bekannten Lieder zu einem ebenso abwechslungs- wie mitreißenden Melodien-Potpourri.


Nicht minder exzellent ihre gesanglichen Partner: Bernd Könnes verlieh dem kauzigen Kaufmann Horace Vandergelder gleichermaßen skurile wie sympathische Züge. Alle Achtung, wie er den bekannten Titel "Man braucht ein Frauchen" szenisch und gesanglich umsetzte. Da lag wahrlich Musike drin. Dem standen auch Hardy Lang und Andrés Felipe Oroczo in nichts nach, die sich als Vandergelder Angestellte Cornelius Hackl und Barnaby Tucker aus dem eintönigen Yonkers ins große New York aufmachten, um dem Moment der großen Liebe zu erleben. Nicht ganz zufällig fanden sie die Damen ihres Herzens in  Gestalt der reizenden Irene Molloy und Minnie Fay, die von Lena Kutzner und Anna Maistriau mimisch, witzig, aber nie die Grenzen zur Übertreibung überschreitend und gesanglich fantastisch dargestellt wurden.


Zur Brillanz der Aufführung trugen darüber hinaus die Neubrandenburger Philharmonie unter Jörg Pitschmann, der Opern- und Extrachor des Landestheaters sowie dessen Statisterie, die fabelhaft agierende Deutsche Tanzkompanie und die Lychener Stadtmusikanten als Heilsarmee-Orchester bei. Was die über 100 Darsteller, Bühnenarbeiter, Tontechniker, Masken- und Kostümbildner (immerhin mussten über 250 verschiedene Kostüme entworfen und genäht werden) sowie alle anderen auf, vor und hinter den Kulissen für diese Inszenierung leisten, gebührt hoher Wertschätzung und tiefer Verbeugung, meinte Wolfgang Lachnitt auf der improvisierten Premierenfeier nach der Aufführung.


Er vergaß in seiner Dankesrede aber auch wirklich niemanden und meinte spitzbübisch: "Wir haben mit diesem Stück die Quadratur des Kreises geschafft. Aber das muss großes Theater eben können." Auf seine Hauptdarstellerin zurückkommend, sagte Lachnitt: "Die Qualität ihrer Rolle besteht auch darin, dass sie mit ihrer Arbeit ein Urvertrauen zum Ensemble schafft. Sie beherrscht es, nicht der Star, sondern  als Freundin gekommen zu sein, die sich ganz dem gemeinsamen Erfolg unterordnet." Die so Gelobte entgegnet in der ihr offenen Art freimütig: "Ich hatte angesichts dieser Traumrolle so viel Schiss in der Hose. Aber das Vertrauen aller hat mir sehr viel Kraft gegeben."


Fazit: Wer das Musical von anderen Inszenierungen her kennt, oder die Schallplatte mit Gisela May sein eigen nennt, sollte sich gedanklich von diesen Beispielen frei machen und sich dem hingeben, was Lachnitt & Co. in Szene gesetzt haben. Ganz in diesem Sinne sollte man, wie Dolly singt, die "Musik nicht vorbei lassen", sondern auf sich einwirken und sich überraschen lassen. Es lohnt sich.

Dieser Beitrag erschien am 6. Juli 2015 in der Schweriner Volkszeitung.

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