Mein Vater war von Haus aus Bäcker und Konditor aus Königsberg, danach Bergmann in Aue, aber kulinarisch gesehen wohl der ungekrönte Bratkartoffel-König des Erzgebirges. Für ihn war ein Leben ohne einen Teller deftiger Bratkartoffeln am Tag zwar möglich, aber sinnlos. Und wenn es mal ganz schnell gehen musste, wurden rohe Kartoffeln geschnitten, gewürzt, kross gebraten, ein Ei drüber: Fertsch, wie der „gemeine Ostpreuße“ sagt. Ich habe zwar ab und zu von den Bratkartoffeln partizipiert, meine Leib- und Magenspeise war das aber nicht. Denn ich war eher der geschmacklich-kombinatorische Tüftler. Es sei denn, die Tüften wurden an einem Paprika-Schnitzel aufgetischt.
Deshalb möchte ich Sie heute für einen französischen „Hachis Parmentier“ begeistern. Das heißt auf gut deutsch „Hirtenkuchen“ und ist ein deftiger Hackfleischauflauf. Die Franzosen kombinieren dafür Rinderhack mit Kartoffelstampf. Ich aber möchte Ihnen eine norddeutsche Variante mit Lammhack und Pellkartoffelscheiben auf den Tisch zaubern, die ich mir kürzlich in Mini-Format zubereitet habe. Die Hirten hüten schließlich die Schafe. Warum sollten sie also einem Lamm (Kinder und Vegetarier bitte Kopfkino ausschalten) nicht mal das Fell über die Ohren ziehen dürfen und das Fleisch zu deftigen Koteletts oder Hack verarbeiten.
Letzteres sollten Sie am besten selbst wolfen, für vier Personen gut ein Pfund davon mit grobem Salz und Pfeffer scharf in Rapsöl anbraten und später zwei fein gewürfelte Zwiebeln dazu geben. Alles schmoren und zum Schluss ein Bund fein gehackte Petersilie unterschwenken. Für die Kartoffeln kochen und schälen Sie etwa ein Kilo gleich großer Knollen, lassen sie etwas abkühlen und schneiden sie in dünne Scheiben à la Bratkartoffel. Die werden schließlich gesalzen und gepfeffert, wer mag, auch bereits leicht angebraten, zur Hälfte in eine gut gefettete Springform geschichtet und mit Muskatnuss überrieben. Darüber träufeln Sie die Hälfte einer Mischung aus 50 Milligramm lauwarmer Milch und 50 Gramm zerlassener Butter.
Über die Kartoffelschicht kommt nun das Lammhack und final der Rest vom Kartoffelschützenfest samt der übrig gebliebenen Milch-Butter-Mischung und vielleicht noch ein paar Butterflöckchen. Bekrönt und somit verdeckt wird der Hirtenkuchen mit gut 100 Gramm Reibekäse. Dafür schlage ich Ihnen grobgeriebenen mittelalten Gouda oder Pecorino vor, der sich von der Herkunft sicher mit dem Lamm verträgt. Nun kommt der deftig-würzige „Kuchen“ in den auf 180 Grad vorgeheizten Backofen und wird mit der Grillfunktion zehn Minuten goldbraun überkrustet und dann serviert. Wer es ganz nordisch-raffiniert mag, ersetzt das Lammhack mit Sauerkraut, feinen Schinkenspeckwürfeln und Filetstreifen vom Aalrauchmatjes. Das wird meine nächste „versteckend-kochende“ Übung sein.
Natürlich hat sich mit diesem Rezept die Palette „verdeckter“ Gerichte längst nicht erschöpft. Da habe ich in meiner virtuellen Rezeptsammlung noch eine Menge auf Lager und präsentierte Ihnen sogar eine süße Angeber-Variante mit gratinierten Orangen mit Campari-Eis und Schampus. Aber Sie kennen doch sicher das Motto: „Wer angibt, hat mehr vom Leben.“ Das halte ich für das Schlechteste nicht, solange mit Geschmack verbunden…
Diese Kolumne erschien 3.12.2020 in der Schweriner Volkszeitung, in der Neuen Osnabrücker Zeitung und Regionalausgaben des SHZ Verlags wie dem Flensburger Tageblatt.