Kommentiert: Spitzenkoch bleibt auch ohne Sterne dem Rheingau treu…

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Hotelier Jan Bolland hat Nils Henkel für sein neues Hotel verpflichtet

Die Medien haben es bereits facettenreich gemeldet: Zwei-Sterne-Koch Nils Henkel musste sein Gourmet-Restaurant im Hotel Burg Schwarzenstein in Johannisberg im Rheingau verlassen, weil das Restaurantkonzept mit mangelnder Wirtschaftlichkeit verbunden und somit Sparzwängen unterworfen war, die sich mit der Corona-Krise noch verschärft hatten.


Henkel, der zu den besten deutschen Köchen zählt, hat jedoch recht schnell ein neues Angebot bekommen, das ihn von seiner einstigen Wirkungsstätte sozusagen nur einen Steinwurf trennt. Er wurde von seinem Freund Jan Bolland, dem Geschäftsführer der gleichnamigen Hotelgruppe, für den F&B-Bereich des Hotels "Papa Rhein" in Bingen verpflichtet. Das mit dem Tourismuspreis des Landes Rheinland-Pfalz als "Innovation des Jahres 2019" ausgezeichnete Hotel-Projekt soll ab Juli 2020 starten. Es soll den Aussagen von Jan Bolland zufolge ein "junges, etwas schräges, aber herzliches Wohlfühl-Design direkt am Rhein" verkörpern.


Dem wird sich auch die Küche des Hauses unterordnen, die Nils Henkel maßgeblich prägen wird. Gemeinam mit Bolland will er ein "trendiges Kleinod im Mittelrheintal schaffen. Grund genug, zu hinterfragen, was es mit diesem Anspruch auf sich hat. Beide standen mir ausführlich Rede und Antwort. Dafür gebührt ihnen mein Dank.

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Wie kommt man auf die Idee, einen Zwei-Sterne-Koch, in ein neues Hotel ohne Sterneambitionen, wie Sie selbst gesagt haben (sollen), zu engagieren?

Jan Bolland: Ich hatte ein französisches Modell als Beispiel: Dort gibt es ein neuartiges Designhotelkonzept für junge Gäste und hier steht ein bekannter Sternekoch als Patron für den gastronomischen Part zur Seite. Ich dachte mir, das muss den Zeitgeist treffen! Wir alle suchen nach innovativer Gestaltung und nach besonderen Erlebnissen in der Hotellerie, und das wollen wir auch auf die Küche übertragen. Insofern konnte uns nichts Besseres passieren.


Von den Höhen des Rheingau in die Niederungen des Rheins: Ist das, bildlich gesprochen, ein Abstieg für Sie?

Nils Henkel: Nein, überhaupt nicht. Ich denke, die Zeiten sind alles andere als einfach und von daher habe ich mich über das Angebot von Jan Bolland, die Verantwortung für die Kulinarik im "Papa Rhein" zu übernehmen, sehr gefreut. Ich sehe das als spannende Herausforderung und freue mich auf die Aufgabe. Außerdem ist der Blick von Bingen ein Traum!


Wie wird die Gastronomie des Hotels „Papa Rhein“ ausgestaltet sein? Sehen Sie Nils Henkel als eine Art Küchendirektor mit weitreichendem kreativem Gestaltungsspielraum?

Jan Bolland: In unserem „Bootshaus“ bieten wir ab Juli eine leichte, maritime Küche in hippem Vintage-Interior und mit tollem Rheinblick. Darüber hinaus wird es eine außergewöhnliche Rooftop-Bar geben, die wir „Ankerplatz“ nennen. Nils ist selbstverständlich ganz und gar für den F&B Bereich  eigenverantwortlich und wird diesen entsprechend unserer Zielgruppen ausrichten.


Auf welche Zielgruppen beziehen Sie das?

Jan Bolland: Diese sind ja höchst unterschiedlich – da wird es sicher einige Foodies geben, die ihn als treue Begleiter auch in Bingen besuchen wollen. Aber auch Spa-Gäste, Wanderer, Biker und Familien sind bei uns besonders willkommen. Eine spannende Mischung!

Ist die neue Aufgabe für Sie ein Abschied von der Spitzengastronomie? Wie viel Gourmet und in welcher Ausprägung wird „Papa Rhein“ unter Ihrer Leitung bieten?

Nils Henkel: Ich sehe das nicht als Abschied von der Spitzengastronomie. Wir verfolgen zwar keine Sterneambitionen, aber das heißt ja nicht, dass wir auf einen hohen Anspruch an die Qualität verzichten wollen. Wir haben einige frühere Mitarbeiter im Team und es werden auch Gerichte aus Fauna & Flora in vereinfachter Version auf die Karte kommen.


Ihre gemeinsame Vision ist ein „lässiges“ Gastronomiekonzept als „trendiges“  Kleinod am Mittelrhein. Worin, erklären Sie mir das bitte, soll der lässige Trend bestehen?

Jan Bolland:  Wir verzichten ganz bewusst auf die Klischees der deutschen Ferienhotellerie, obwohl wir uns ob der vielen sportiven Angebote und des recht großzügigen Spabereichs auch als ein kleines Resorthotel verstehen. Bei uns trifft urbaner Chic auf Unkompliziertheit. Originell ist aber nicht nur das Interior, sondern auch z.B. die Teamkleidung. Ganz locker in Jeans und Sportschuhen. Entspannt ist folglich auch der Umgang mit dem Gast.  


Sie wollen also vor allem eine junge Klientel ansprechen?

Diesbezüglich schränken wir nicht ein. Unsere Gäste sollen sich wie zu Hause fühlen und richtig loslassen können. Gerade junge Leute aber suchen ausgefallene, unkonventionelle Domizile fern eines „Hotelprodukts von der Stange“. Mit vielen Activities bieten wir dazu ein abwechslungsreiches Rundum-Programm: Live DJs am Wochenende, unsere Kletterwand, Bikeverleih, Yoga, geführte Wein- und Trekkingtage, aber auch besondere Treatments im Spa. Alles soll ungezwungen sein und die Preise sind zivil.

Ihr gastronomisches Konzept soll auf authentische und gesunde Küche nach bestem Handwerk ausgerichtet sein. Das wollen viele Ihrer Kollegen. Wie wollen Sie sich von diesem etwas klischeebehafteten Bild abheben?

Nils Henkel: Wir werden eine gute Küche mit nachhaltig erzeugten und auch regionalen Produkten anbieten, auch Gemüse wird eine wichtige Rolle spielen. Ich werde mir in den wesentlichen Punkten treu bleiben und vor allem eine handgemachte Küche anbieten, wie ich sie selbst gerne esse.


Zum zweiten Teil des selbst gestellten Anspruchs: In welcher Weise wollen Sie neben dem „besten“ Handwerk auch dem künstlerischen Aspekt entsprechen? Wie viel „Kunst“ auf dem Teller wollen/werden Sie den Gästen des Hauses anbieten/zumuten?

Nils Henkel: Für mich ist Kochen in erster Linie Handwerk  und das war es auch immer. Eine schöne Optik gehört für mich dazu, das macht Freude und muss aber ja nicht immer aufwändig sein.

Ist der deklarierte Verzicht auf „Gourmet“ im neuen Haus am Rhein auf Ewigkeit in Stein gemeißelt, oder halten Sie sich diesbezüglich Optionen offen nach dem Grundsatz: Was stört mich meine Geschwätz von gestern?

Jan Bolland: Jetzt bringen wir das Papa Rhein mal auf Fahrt. Da erwartet unsere Gäste schon einiges! Was dann sein könnte, wenn uns mal langweilig wird, das sehen wir noch.

Ich gehe davon aus, dass Sie künftig nicht weniger ambitioniert oder gar schlechter zu kochen gedenken. Deshalb ein Wort zum Begriff „Gourmet“: Kommt es aus Ihrer Sicht eventuell „nur“ darauf an, ihn neu zu definieren?

Nils Henkel: Wir werden mit weniger Aufwand kochen, aber sicher nicht schlechter und vor allen Dingen für eine größere Zahl von Gästen. Allein deshalb müssen die Abläufe einfacher werden. Für mich ist der Begriff Gourmet abgedroschen und schwer vermittelbar für ein jüngeres Publikum. Das ist ja auch der Grund, warum es immer mehr anspruchsvolle, moderne Konzepte gibt.


Erklären Sie bitte kurz die geplante Symbiose ihrer Küche aus regionalen und weltläufigen Begriffen. Was bietet die Region, das Sie mit dem Geschmack der weiten Welt verbinden wollen? Bleiben Sie Ihrem Faible für Flora & Fauna treu?

Nils Henkel: Ich habe immer Wert darauf gelegt, die regionalen Produkte in meine Küche zu integrieren, das habe ich auch in Zukunft vor. Aber wir werden hier keine reine Regionalküche anbieten, sondern durchaus Gerichte, die von Gewürzen und Aromen der Welt geprägt sind, ebenso wie mediterrane Fischgerichte und auch vegetarische Gerichte. Damit haben Fauna & Flora nach wie vor Bestand, aber eben nicht in festen Menüfolgen. Der Gast wählt aus, wie er es gern hat.


Ohne das aktuelle C-Wort in den Mund zu nehmen: Ist die gegenwärtige Situation eventuell schon eine gastronomisch-konzeptionelle Ausrichtung für die Zukunft? Soll auch heißen: Ist (nicht nur) die Spitzengastronomie dazu aufgerufen, neue Wege zu gehen, um Katastrophen aller Art zu trotzen?

Jan Bolland: Was bleibt ist der Fachkräftemangel. Darauf muss man sich weiter einstellen. Und unser Konzept spricht junge Nachwuchskräfte der Hotellerie und Gastronomie enorm an. Wir haben derzeit den Luxus, dass wir ganz viele Initiativbewerbungen erhalten, ohne direkte Werbung für unsere Arbeitsplätze zu machen. Wir wollen unsere Crew auf Augenhöhe mit dem Gast bringen und schaffen ein lockeres Mindset, das unsere Branche dringend braucht.


Einigen Sie sich bitte auf die Vervollständigung des Satzes: Das Hotel „Papa Rhein“ wird seinen Gästen … bieten. Superlative werden aber gestrichen… 😉

Jan Bolland und Nils Henkel: Papa Rhein wird seinen Gästen ein innovatives, anspruchsvolles und entspanntes Genusserlebnis bieten.

 

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