Geschmackssache: Max is(s)t züngelnd …

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Pikante Zunge

Es gibt Speisen, die haben geschmackliche Langzeitwirkung. Bevor man sie sich jedoch einmal selbst zubereitet, vergeht oft viel Zeit. Das hat meist mit der eigenen Bequemlichkeit und/oder mit dem damit verbundenen Zeitaufwand zu tun. Für mich waren und sind das vor allem Innereien. Ein Hochgenuss sind diesbezüglich stets gut zubereitete pikante Nierchen, saure Flecke oder Lungenhaschee. Während meine Altersgefährten bei solchem Essen eher das Weite suchten, war ich immer für einen Nachschlag gut. Und eine nahezu fürstliche Speise war für mich stets Zunge. Die musste endlich mal wieder zur geschmacklichen Entfaltung kommen. Lange geplant und noch länger vor mir hergeschoben, habe ich eine stattliche Rinderzunge vom Fleischer meines Vertrauens erworben. Die können Sie nun ganz nach Gusto variantenreich in Szene setzen.


Dazu müssen Sie die Zunge (wahlweise vom Rind, Kalb oder Schwein) in Wasser einlegen, gern auch zusätzlich mit etwa 200 Millilitern trockenem Weißwein, sodass sie gut bedeckt ist. Sodann das Fleisch langsam zum Kochen bringen und mit grob gewürfeltem Gemüse wie Zwiebeln, Porree, Knoblauchzehe(n), Karotten, Sellerie sowie Lorbeerblättern, Pfeffer- und Pimentkörnern gut zweieinhalb Stunden leicht köchelnd garen. Ist die Zunge nicht gepökelt, sollte man das Wasser auch mit etwas Salz anreichern. Bei einer Garprobe mit einer Fleischgabel muss sich diese nach dem Einstechen leicht aus dem Fleisch herausziehen lassen.

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Dann wird die Zunge in kaltem Wasser abgeschreckt und die Haut mit einem scharfen Küchenmesser vorsichtig abgelöst. Man kann das Teil danach auch in dem vom Gemüse getrennten Sud eine Nacht durchziehen lassen und daraus eine pikante Soße zaubern. Diesbezüglich gibt es eine Menge Zubereitungsmöglichkeiten mit Meerrettich oder Senf, Weiß- oder Rotwein (verkosten nicht vergessen) und/oder fruchtige Soßen-Variationen. Auch überbackene Zunge, wie sie mein Großvater Max gern gegessen hat, ist ein Hochgenuss. Einige züngelnde Soßen-Ideen finden Sie in meiner virtuellen Rezeptothek.


Mich hat es aber wieder einmal nach Zunge pur gelüstet. Soll heißen: Das gegarte Fleisch wird final „nur“ in Scheiben aufgeschnitten und mit reichlich zerlassener Butter ohne weitere Soße übergossen. Dazu gibt es butterzarte Erbsen oder Möhrchen und kleine, in Butter geschwenkte abgepellte gekochte Kartoffeln. Die dürfen gern auch einen Hauch von Röstfarbe haben. Ich weiß, das Ganze mutet sicher etwas buttrig-fett an. Aber man will ja schließlich nicht vom Fleisch fallen. Deswegen spare ich bei dem Gericht auch eher an den Kartoffeln als an der Zunge. Dass damit ein trockener Rotwein trefflich „korrespondiert“, brauche ich sicherlich nicht zu betonen.


Dank weiser Voraussicht hatte ich sogar noch genügend Zunge übrig, die ich mir dünn aufgeschnitten auf Brot und mit Senf oder Meerrettich einverleibe. Dann kann auch ein Köm ins Spiel kommen und später (vielleicht) final gezüngelt werden. Sie wissen doch um das Erlebnis, wenn Zunge zu Zunge findet … Mahlzeit.


Das Kolumnen-Titelfoto für den Monat April zeigt ein Gericht von Küchenchef Sebastian Rauer im Restaurant "Fackelgarten" in Plau am See: Zanderfilet & Grüne Kräuter, gebraten auf Estragonkarotten mit geschäumter Beurre Blanc und Liebstöckelöl

Diese  Kolumne erschien am 12.4.2023 in allen Ausgaben der Schweriner Volkszeitung sowie der Norddeutschen Neuesten Nachrichten.

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