Dieser Tage brachte uns die Post ein Päckchen, das ich erst meiner Frau zuordnete. Der Inhalt aber entpuppte sich als liebevoll zusammengestellter Gruß meiner Freunde Petra und Bert aus Marlow. Mit denen habe ich dieses Jahr auf einer Show-Bühne in Barth gekocht. Und die liebe Petra hat uns neben einem Glas selbst erzeugtem Honig auch ein Gläschen mit zunächst undefinierbarem Inhalt geschickt.
Der stellte sich als Pilz namens Judasohr heraus. Hätten Sie gewusst, dass es solche Dinger gibt, die auch als Holunderpilz oder-schwamm, Ohrlappen- oder Wolkenohrenpilz bezeichnet werden? Ich jedenfalls fiel aus allen Wolken und war ganz wild, daraus etwas zuzubereiten. Der Name geht übrigens auf den Judas zurück. Sie wissen schon, das ist der Apostel, der Jesus mit einem Kuss verräterisch in die Pfanne gehauen und für ein kleines Handgeld der Gerichtsbarkeit ausgeliefert hat. Der Legende nach soll sich Judas nach der Verurteilung von Jesus Christus an einem Holunderbaum erhängt haben. Der markante Baumpilz, den man auch hierzulande finden kann, trägt seinen heutigen deutschen Namen.
Mit diesen Pilzen kann man beispielsweise eine süß-saure, aber sehr scharfe Suppe aus der chinesischen Küche zubereiten. Dafür bringt man für zwei Personen einen Liter Brühe zu Kochen. Die kann man sozusagen „frei Schnauze“ aus angebratenen Lauchzwiebeln, Möhren und Sellerie sowie etwas Hühnerfond ganz nach Geschmack herstellen. Das Gemüse kann man übrigens drin lassen. Aber wer etwas auf seine Brühe hält, der nimmt es heraus. Max jedenfalls macht es so.
Dazu gibt man eine Handvoll frischer oder etwa 10 bis 15 Minuten in mehrfach abgegossenem lauwarmen Wasser eingeweichter getrockneter ganzer oder in Streifen geschnittener Judasohren, etwa ebenso viele Bambussprossen und 50 Gramm Glasnudeln hinzu, die auch bereits vorgekocht sein können. In der asiatischen Küche werden die Pilze übrigens Mu-Err-Pilze genannt, die nach dem Einweichen zu ganz schön großen Schlappohren mutieren können. Also aufpassen, damit man sich in der Menge nicht verschätzt und einem die Ohren nicht überquellen.
Damit man auch etwas zu kauen hat, kommen noch 200 Gramm in Streifen geschnittenes, gut angebratenes Schweinefleisch dazu. Das Ganze lässt man fünf Minuten kochen. Danach nimmt man die Suppe vom Herd und gibt unter schnellem Umrühren eine Mischung aus je zwei Esslöffeln Essig oder Zitrone, Sojasoße und Speisestärke hinzu. Sodann wird die Suppe mit ein bis zwei Esslöffeln Zucker und je nach Lust auf Schärfe mit reichlich Sambal Oelek oder Pfeffer abgeschmeckt. Nun kommen noch flugs zwei Eier in eine mit Öl heiß gemachte Pfanne. Alles gut verrühren, die Eier zerrupfen und rein in die Suppe. Die schmeckt richtig heiß serviert sehr pikant und heizt gar trefflich ein. Versprochen. Das birgt weiteres Genuss-Potenzial danach.
Ich habe mich übrigens schlau gemacht: Die Judasohren lassen sich küchentechnisch vielfach kombinieren. Eine kulinarische Trilogie aus den schwarzen Pilzen hat mir besonders gut gefallen. Die stelle ich Ihnen auch in meiner virtuellen Sammlung vor. Also halten Sie schön die Augen und Ohren offen.
Und was hat das nun alles mit Verrat zu tun? Der fränkische Ritter Wolfram von Eschenbach sagte einmal vor vielen hundert Jahren: „Die Tafelrunde ist entehrt, wenn ihr ein Falscher angehört.“ Passen Sie also auf, mit wem Sie sich an einem Tisch setzen. Zum Essen und Trinken gehören schließlich gutmütige Leute.
Diese Kolumne erschien am 8. November 2016 in der Schweriner Volkszeitung.