Ein wenig habe ich mein Herz an Wismar verloren. Neben der Altstadt mit vielen historischen Gebäuden und Sehenswürdigkeiten ist es vor allem der Hafen, der es mir angetan hat. Und natürlich die nahe Ostsee, die verträumten Winkel auf der Insel Poel oder die Seebrücke im Wismarer Stadtteil Wendorf. Hinzu kommt, dass Wismar und Umgebung auch kulinarisch für jeden Geschmack und Anspruch eine Menge zu bieten hat. Wenn mir dann der Sinn nach einem frischen Bier, deftigem Genuss und einem flotten Schnack steht, kehre ich im Nikolaiblick gegenüber der gleichnamigen Kirche ein. Das ist auch der Ort, an dem vor zehn Jahren meine erste kulinarische Kolumne entstand.
Dort steht heute Slobodan Djurdjic als Gastgeber am Tresen, der auch bei vollem Haus den Laden souverän rockt und auftischt, was seine Geschäftspartnerin in der Küche zubereitet. Ganz dem maritimen Umfeld der Kneipe geschuldet, stehen auch jede Menge Fischgerichte auf der Karte. Die Hauptzutaten holt der gebürtige Kroate persönlich von Wismarer Fischern. Dazu gehört auch Hering, der bodenständig-einfach gebraten und mit Bratkartoffeln und Salat serviert wird.
Das brachte mich auf die Idee, Hering geschmacklich-kombinatorisch mal etwas anders in Szene zu setzen. Ich wollte zu dem Fisch schwarze Linsen mit Aprikosen in verschiedenen Variationen anbieten. Schiete, sprach Fiete: Etwas Ähnliches hatte ich schon im Angebot. Aber konsequent wie ich nun mal bin, bleibt es beim Hering. Basta.
Den bereite ich als pikantes Tatar zu, wie es der Sylter Spitzenkoch Johannes King empfiehlt. Dazu filetieren, entgräten und häuten Sie den Fisch. Oder Sie kaufen die Filets schon küchenfertig und schneiden sie in kleine Würfel. Die vermengen Sie vorsichtig mit feinen Würfeln geschälter Salatgurke und blanchierter Schalotte sowie fein geschnittenem Schnittlauch. Abgeschmeckt wird mit etwas Öl (King verwendet eine Mischung aus Sonnenblumen-, Rapskern- und Traubenkernöl), Meersalz, gemörsertem Pfeffer sowie Zitronensaft. Das Ganze stellen Sie nun kalt und bereiten eine Masse aus Crème fraîche, Sahne und fein geriebenem Meerrettich zu, die Sie mit Pfeffer und Zitronensaft abschmecken. Als dritte Komponente entsteht ein würziger Kartoffelstampf. Der kann gern etwas stückig sein und wird mit Meersalz, weißem Pfeffer, Weißweinessig und etwas von der weiter oben empfohlenen Ölmischung abgeschmeckt. Um die gewünscht-sämige Konsistenz zu erreichen, können Sie Gemüsefond einsetzen.
Nun beginnt die künstlerische Phase für das Fischtatar. Füllen Sie einen Anrichte-Ring etwa zwei bis drei Zentimeter hoch mit dem Stampf, dann in gleicher Dimension mit dem Fisch. Abschließend bestreichen Sie alles daumendick mit der Meerrettichcreme. Dann wird der Ring vorsichtig abgestrichen und das Tatar mit einer pikanten Vinaigrette umgossen, deren Zubereitung ich in meiner Rezeptothek erkläre. Die sollten Sie sich konsequenterweise ebenfalls antun. Dazu passt ein Baguette. Ohne die Soße machen Sie auch mit Bratkartoffeln nichts falsch. Mahlzeit.
Das Kolumnen-Titelfoto für den Monat Februar zeigt ein Gericht von Küchenchef Marco Brauch aus dem Restaurant "Küche im Keller" in Gera: Skrei | Frühlingslauch | Miso | Panko-Brösel | Lauchpuder
Diese Kolumne erschien am 14.2.2024 in allen Ausgaben der Schweriner Volkszeitung sowie der Norddeutschen Neuesten Nachrichten.