Geschmackssache: Max is(s)t kommentiert …

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Kommentiert: Sterneküche

Bei der diesjährigen Sternevergabe sind die Restaurants aus dem Nordosten wieder gut bedacht worden. Diesbezüglich wird mir oft die Frage gestellt, wie zeitgemäß Sterneküche angesichts der Krisen in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen ist. Und man muss sich auch fragen lassen, ob Gourmetküche nicht nur ein Privileg für wohlhabende Touristen und eine reiche Genuss-Elite ist. Otto-Normal-Esser dagegen können sich die Nobel-Schuppen nicht leisten und wenden sich empört ab.


So legitim solche Fragen sind, so aus dem Zusammenhang gerissen sind sie auch. Ich meine, vordergründige Diskussionen unter der Losung: Gourmet ist teures kulinarisches Schickimicki, das die Welt nicht braucht, ist ein typischer Fall von „denkste“. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass man gutem Essen mehr Bedeutung zukommen lassen und sich nicht in kruden Denkmustern oder der Devise „Geiz ist geil“ verlieren sollte.

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Johann Lafer hat mir mal in einem Interview verraten, dass für ihn Gourmet schon bei einem Wiener Schnitzel beginnt, wie es seine Mutter oft zubereitet hat. Genau das ist des kochenden Pudels Kern: Hochwertige Produkte geschmacklich-kombinatorisch und handwerklich „sauber“ in Szene zu setzen.


Das ist gelebte Ess-Kultur, auf die wir nicht verzichten sollten. Es beginnt bei einem vorzüglichen Gemüseeintopf zu Hause und reicht über ein deftiges Bauernfrühstück aus frischen Produkten in einem Landgasthof bis zum aufwändigen 5-Gänge-Menü in einem Spitzenrestaurant. So etwas sollte man kennen, beurteilen und einordnen können. Einfach nur ahnungslosen „blauen Dunst“ abzulassen, ist immer ein Irrweg.


Ich kenne Restaurants aller Couleur und weiß, mit welchem Aufwand Spitzenköche ihr Handwerk nahezu zelebrieren. Dass das „eine Mark“ mehr kostet, muss jedem bewusst sein. Hochwertiges Fleisch von regionalen Erzeugern hat eben einen anderen Preis als Billigfleisch aus dem Supermarkt. Hinzu kommt oft eine kreative Kombination mit eher ungewöhnlichen Zutaten und einer sehenswerten „Anrichte“ als optischem Appetit-Macher. Es gilt das Motto: Genuss beginnt im Auge des Essenden. Was nicht heißt, dass ich ein Freund übertriebener Verspieltheit auf dem Teller bin. Das Produkt, da sind sich die Köche einig, muss der Star bleiben.


Um auf den Punkt zu kommen: Sterneküche ist nicht der Nabel der kulinarischen Welt und rettet die Welt auch nicht. Aber sie ist dazu angetan, kochende Meisterschaft kennen- und schätzenzulernen. So etwas sollten wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten auch hin und wieder gönnen und unserem Umfeld vermitteln. Für den Einstieg in diese kulinarische Welt sind auch die, (noch)  „unbesternten“ Restaurants aus der „zweiten Reihe“ sehr empfehlenswert.


Und wenn Sie diesmal ein Rezept vermissen, schicke ich Sie in meine virtuelle Rezeptothek. Dort gibt’s sterneverdächtige karamellisierte Schwarzwurzel mit Früchten. Die bereite ich mir in Verbindung mit einem Stück guten Fleisches aber erst nach Ostern zu. Das nennt man dann Vorfreude. Mahlzeit und frohes Eiersuchen.


Das Kolumnen-Titelfoto für den Monat April zeigt ein Gericht von Küchenchef Sebastian Rauer im Restaurant "Fackelgarten" in Plau am See: Zanderfilet & Grüne Kräuter, gebraten auf Estragonkarotten mit geschäumter Beurre Blanc und Liebstöckelöl

Diese  Kolumne erschien am 5.4.2023 in allen Ausgaben der Schweriner Volkszeitung sowie der Norddeutschen Neuesten Nachrichten.

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