Esenser Straße 299 - 26607 Aurich-Ogenbargen
www.landgasthof-alte-post.de
Ein alter Kalauer besagt, in Ostfriesland können die Leute Ostern schon sehen, wer Pfingsten zu Besuch kommt. Oder so ähnlich. Gemeint ist die weite, oft dünn besiedelte Landschaft entlang der Nordsee. Ich habe er"fahren" müssen: ganz so schlimm ist es nicht. Auf meiner Reise von Mecklenburg über Hamburg und Oldenburg nach Aurich-Ogenbargen gab's schon eine ganze Menge zu sehen an Land und Leuten. Zu verfehlen war mein Ziel, der Landgasthof "Alte Post" übrigens nicht, liegt der reetgedeckte Neubau doch unmittelbar an der Bundesstraße ins Zentrum nach Aurich.
Nobler Schuppen, musste ich denken, als ich die repräsentative Eingangshalle des 4-Sterne-Hotels betrat. Von "Schuppen" kann natürlich überhaupt keine Rede sein. Gediegene rote Couchmöbel und fein bezogene Rohrsessel laden dort zum ersten Verschnaufen und Verweilen ein. An der Wand hängt, indirekt angestrahlt, ein lebensgroßes Gemälde der Besitzer-Familie des Hotels. Man kann jedenfalls Ähnlichkeit mit den handelnden Personen erkennen, wie ich wenig später persönlich feststellen konnte. Solche Gemälde sind sicher nicht jedermanns Geschmacks. Auf jeden Fall zeugen Sie vom Engagement der Hotelbetreiber und ihrem Stolz auf das gemeinsam Erreichte. Ich konnte mich davon überzeugen, dass sie dazu allen Grund haben.
Erst einmal aber musste ich ins nahe gelegene Schwester-Hotel "Alte Schmiede". Dort fand ein exzellentes Gala-Essen mit mehreren Köchen der Region und darüber hinaus statt. Unter ihnen Sternekoch David Mottl, Küchenchef im Restaurant Marco Polo im Columbia Hotel Wilhelmshaven. War ein tolles kulinarisches Erlebnis. Das ist aber an dieser Stelle nicht mein Thema.
Am nächsten Tag hatte ich ausreichend Zeit, mir das Hotel anzuschauen und bin echt davon beeindruckt. Das Haus bietet in 56 Zimmern und fünf Suiten sehr anspruchsvolles Quartier. Die Zimmer sind in dezenten, warmen Pastelltönen gehalten und mit eleganter Einrichtung und hochwertigen Stoffen ausgestattet. Überraschend geräumig, elegant und nahezu luxuriös eingerichtet auch die Badezimmer der Suiten. Dem stehen aber auch die sanitären Einrichtungen und der Komfort in allen Zimmern in nichts nach.
Überragend einladend die sogenannte Hochzeits-Suite, die allein die Größe einer kleinen Wohnung aufweist und durch die Verbindung zu zwei weiteren Zimmern auf fast 120 Quadratmeter erweitert werden kann. Für jeden Geschmack von Verliebten also etwas: Für die Kuscheltypen ebenso wie für diejenigen, die ihrer Fantasie in jeder Beziehung freien Lauf lassen möchten.
Ganz den technisch-sportlichen Vorlieben des Hausherren geschuldet, haben einige Suiten auch vielsagende Namen: Liebherr-Suite (Baumaschinen), Ferrari-Suite (rassige Autos) oder Fußball-Suite. Auch das muss nicht jedermanns Geschmack sein. Originell ist es zumindest und mit einem exzellenten Komfort in jeder Beziehung verbunden. Ob ich meine Frau allerdings in die Fußball-Suite überreden könnte, wo sie auf einer Bettdecke mit Spielfeld und Elfmeterpunkt liegen und einen Straf- oder Freistoß befürchten müsste, wage ich zu bezweifeln. Angesichts der möglichen schönen Wortspiele wäre es aber eines Freundschafts-Testspiels wert...
Wer erholsame Stunden genießen möchte, kommt in dem großzügigen, im nordisch-maritimen Ambiente gestalteten Wellness-Bereich voll auf seine Kosten. Das ist echt ein Ort der entspannend-wohligen Superlative mit Schwimmbad, Erlebnisduschen, Whirlwannen und ein Harmoniewannenbad, einer Saunalandschaft, ein Rasulbad sowie ein Beauty-, Massage- und Fitnessbereich. Ganz zu schweigen von der tollen Kegel- und Bowlingbahn samt modernster Bahnpflege und liebevoll im Detail gestalteten Ambiente. Mehr als überrascht war ich auch von einem richtigen Hotel-Kino in tiefrotem Outfit.
Da hat die Familie Janssen als Inhaber Nägel mit richtig großen Köpfen gemacht. Inhaberin Olga Janssen bestätigt das, in dem sie sagt: "Wir setzen auf Komfort und Gediegenheit gleichermaßen. Unsere Gäste sollen sich in allen Bereichen wohl fühlen und auch die Möglichkeiten aktiver Betätigung oder Entspannung nutzen." Da mag man der Bescheidenheit halber gar nicht erwähnen, dass die Janssens neben der "Alten Post" und der "Alten Schmiede" noch ein modernes Sporthotel "Middelpunkt", das Fahrradhotel Schlichtmoor und die Ferienwohnung Benshöcht betreiben.
Zurück zur "Alten Post", die natürlich auch ein Restaurant und eine Bar hat. Für die Küche von Post und Schmiede ist Hans-Gerd Gerdes zuständig, den ich nicht nur in Aurich als exzellenten, detailverliebten und von seinem Beruf besessenen, sympathischen Mann kennenlernen konnte. Seine Devise: "Geht nicht, gibt's nicht." Das war mir angesichts der Köche-Gala am Vorabend ohnehin schon klar. Ein Blick in die Speisekarte beweist seine kulinarische Vielseitigkeit ebenso wie seinen Anspruch, den Gästen die Region Ostfriesland schmackhaft zu machen.
Wie wer seinen Beruf und Kochen versteht, kann man in meinem Interview mit ihm nachlesen...
Dementsprechend nordisch-maritim angehaucht auch das Angebot. Viel Fisch und Meeresfrüchte in vielen Varianten. Ich bin nicht unbedingt ein Freund von Scholle. Wer aber auf diesen Fisch steht, kann diesen in Eihülle, mit Speck-Zwiebeldipp oder in Zitronenbutter gebraten genießen. Nicht zu vergessen Krabben, auch nicht so mein Ding, veredelt Gerdes in (fast hätte ich gesagt: leckere) geschmackliche Kombinationen mit Zwiebeln, Tomaten, Pilzen, frischen Gartenkräutern und friesischem Distel-Öl oder mit Kräuterrührei.
Bestellt habe ich mir schließlich als Vorspeise zum Frühstück am frühen Mittag eine kleine Portion Matjes mit Gurke, Zwiebeln, Boskop in Sahnetunke, aber in weiser Voraussicht einer weiteren Speise ohne Bratkartoffeln, nur mit einer Scheibe Bauernbrot. Lecker. Nein. Pikant und schmackhaft, wollte ich sagen. Gradmesser für gute Küche in vergleichbaren Restaurants sind für mich übrigens immer Bratkartoffeln. Die müssen frisch und hell, aber schön goldbraun gebraten sein. Alles, was an dunkelrote Kartoffelpampe erinnert ist ein Ausschlusskriterium für mich, solchen Orts wieder zu essen. Die Bratkartoffeln jedenfalls, die mein Gegenüber mit Wohlbehagen gegessen hat, waren ein Gedicht in gold, gelb und braun.
Damit mein Essen nicht zu einseitig war, hat mir Hans-Gerd Gerdes noch einen Überraschungsteller, ich habe extra "klein" gesagt, serviert. Darauf waren, der Teller war trotzdem zu groß, eine mit Sanddorn-Honig lackierte Scheibe Maispoulardenbrust mit feinem Olivenöl, Rosmarin, Fruchtkonfit und indischem Curry sowie eine Scheibe rosa gebratenes Filet vom Wiesenferkel in Schalottenschmelze und Ruccolagnochetti. Leute: Ein Gedicht kann ich euch sagen. Ich fürchte mich nahezu vor der Qual der Wahl, wenn ich dort einmal länger logieren werde. Kleine Episode am Rande: Zum Glück habe ich mich von Junior-Chef Udo Janssen nicht dazu überreden lassen, eine ostfriesische Bohnensuppe zu essen. Denn erstens hat er mir zu verräterisch gegrient, und zweitens wusste ich aus der Speisekarte vorab, dass die Suppe nur zum trinken ist und aus Branntwein mit Rosinen besteht.
Udo Janssen gehört übrigens auch zur Küchencrew von Hans-Gerd Gerdes, ist ein passionierter Jäger und Fleischkenner par excellence. Er ist maßgeblich für die Zucht der hauseigenen Galloway-Rinder, die zu schmackhaften Steaks verarbeitet werden. Angeboten wird auf der Karte beispielsweise ein 300-Gramm-Rumpsteak in Trauben-Balsamico-Schmelze und Saltimbocca von der Kleikartoffel. Junge, Junge, das ist ein kulinarischer Hammer. Auch geschmacklich sehr verlockend klingt der in einer Marinade aus ostfriesischem Tee und Ingwer gebeizte Fjordlachs. Dazu Preiselbeer-Sahnemeerrettich und Röstbrot. Vielleicht danach noch ein strammer Köm, dann ist die Welt in Ordnung.
Neben recht vielseitigen, vermeintlichen kleinen Gerichten gibt's in der Post natürlich auch Hausmannskost in Form von Schnitzelvariationen, spezielle Steakteller oder eine Postkutschenplatte für zwei Personen. Ich ahne, dass die sehr herzhaft zubereitet und anspruchsvoll angerichtet ist, aber für eine mittlere Familie ausreicht. Warum man in Norddeutschland allerdings "Brotzeit" anbietet, erschließt sich mir nicht wirklich. Damit meine ich nicht die kulinarische Vielfalt solcher Vespern, sondern das Wort an sich. Da würde mir sogar der norddeutsche Begriff "Fofftein" besser gefallen, der umgangssprachlich Pause bedeutet.
Alles in allem: In der "Alten Post" geht in jeder Hinsicht die Post ab. Hier kann man entspannen, erleben und genießen. Verbunden mit den natürlichen Reizen der Region ist das nahezu ein Garant für einen erlebnisreichen Aufenthalt.
Mich verwundert aber bei der Professionalität der Angebote in Hotellerie und Gastronomie, dass der Internet-Auftritt bescheiden und im Detail mit Reserven, um es einmal im Zeugnis-Jargon zu beschreiben, behaftet ist. Das kann und muss besser strukturiert, übersichtlicher, dezenter und eleganter rüberkommen. Das gilt auch für das gesamtredaktionelle, sprachliche Konzept. Da wären ein wenig mehr persönliche Ansprache und ostfriesisches Flair nicht übel.
Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept
Kategorie: Restaurants