Im Interview: Hans-Gerd Gerdes – ein Koch, den es nach Frankreich ziehen könnte, wenn…

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Hans-Gerd Gerdes

Jahrgang 1964, verheiratet, 2 Kinder.

Nach seiner Koch-Ausbildung 1981 im "Kröger's Hotel" in Esens führten ihn seine beruflichen Stationen unter anderem ins "Parkhotel" Bremen, das "Holiday Inn" München, das Hotel "Schweizer Hof" Luzern, das Hotel "Bayerischer Hof" München und das Romantik Hotel Jagdhaus Eiden in Bad Zwischenahn, darunter vielfach im Gourmet-Bereich. Später übernahm er selbstständig das Betriebsrestaurant eines großen Ölkonzerns.1989 hat er an der Hotelfachschule Heidelberg den Küchenmeister absolviert. Er ist seit 2006 Küchendirektor der 3 Hotels der Familie Janssen in Aurich-Ogenbargen und Aurich-Middels, darunter dem Hotel "Landgasthof Alte Post".

Wie kommt man(n) zum Beruf des Kochs?

Ich hatte schon immer Interesse am Kochen. Das hat auch etwas mit meiner Kindheit und Jugend zu tun. Ich musste mich oft um meine fünf Geschwister sorgen. Da ging es natürlich auch um das leibliche Wohl, zumal wir in der Familie auch Eigenanbau landwirtschaftlicher Produkte betrieben. Und über ein Praktikum bin ich dann eher zufällig zum Kochberuf gekommen.

Was ist für Sie kulinarischer Genuss im Allgemeinen und im Besonderen?

Das sehe ich nicht so eng. Genuss ist das, worauf jeder Lust hat, und demzufolge sehr unterschiedlich. Allgemein ist für mich Genuss, wenn ich abwechslungsreiche, gesunde Kost zu mir nehme. Wenn das alles nicht nur schmeckt, sondern auch noch für's Auge angerichtet ist, umso besser.

Wie würden Sie Ihre kulinarische "Philosophie" beschreiben?

Ich stehe für natürliche Produkte ohne alle Zusätze, die ich immer wieder neu und kreativ verarbeite.

Anders gefragt: Was ist Ihr Anspruch beim Kochen hinsichtlich Zutaten, Verarbeitung und Präsentation?

Ganz eindeutig, das Produkt steht im Vordergrund. Ich lege großen Wert auf hochwertige Produkte und Gewürze, die ich größtenteils auch selbst aussuche. Das Gericht muss letztendlich eine gelungenen Symbiose aus allen Faktoren sein. Da spielt, ich wiederhole mich, natürlich auch die optische Zubereitung eine große Rolle.


Beschreiben Sie kurz das kulinarische Angebot Ihrer Restaurants?

Regionale und saisonal geprägte Küche mit allem, was die Natur in unserem Landstrich hergibt. Das reicht von Fleisch und Fisch über Gemüse bis hin zu Wildspezialitäten.

Sie bieten wohl vor allem ländlich-deftige Küche. Wie verbinden Sie dabei deutsche und regionale Küche?

Das ist ganz einfach gesagt: wir schaffen eine kulinarische Verbindung zwischen beiden und kombinieren regionale Aspekte der Küche mit klassischen deutschen Gerichten. Da lassen wir uns immer wieder etwas einfallen. Der Gast schließlich entscheidet, ob uns das gelungen ist.

Gibt es auch Bezüge zur internationalen Küche?

Natürlich. Ich lasse auch Nuancen französischer oder holländischer Küche in unsere Angebote einfließen. Selbst vor der Zubereitung asiatischer Küche scheue ich nicht. Wohl wissend, dass man dabei manchmal auch ein Wagnis eingeht. Das gehört aber aus meiner Sicht zum Beruf.

Bieten Sie auch Gerichte oder Menüs im gehobenen kulinarischen und preislichem Segment an?

Wir verarbeiten hochwertigste Produkte bis hin zum exquisiten Dry Age. Hinzu kommt bei solchen Gerichten bzw. Menüs eine wesentlich aufwändigere Verarbeitung und Präsentation. Das hat natürlich seinen Preis.

Ist für Sie anspruchsvoll immer mit teuer gleichsetzen?

Das tangiert ja die vorherige Frage. Anspruchsvoll und teuer muss nicht zwingend sein. Aber jedes Produkt hat seinen Preis. Man kann und darf auch gerade in der Gastronomie nichts verschenken.


Ergänzend: Kann man bei Ihnen auch Menüs auf Wunsch bestellen?

Es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre. Der Gast ist König, heißt es doch. Also muss man sich den Wünschen der Gäste stellen. Ob Überraschungsmenü oder gezielt nach dem Wunsch des Gastes: Wir erfüllen im Rahmen unserer Möglichkeiten alle Wünsche. Wunder dauern hier etwas länger, und bei Sonderwünschen empfiehlt es sich schon, diese längerfristig zu bestellen. Außerdem haben wir ja oft auch ausländische Gäste, die bestimmte Produkte nicht mögen. Darauf muss man sich schon einstellen.

Nach welchen Kriterien  wie Saison, Preis, Produkte wählen Sie Ihre a la carte Angebote aus?

Meiner Meinung nach muss alles in die Jahreszeit passen. Also hat die Saison Priorität, natürlich auch in der Verbindung mit der Marktlage, dem Angebot und der Nachfrage. Ein ganz wichtiges Kriterium ist natürlich die Frische. Wir sind außerdem in der glücklichen Lage, das Fleisch von unseren Galoway-Rindern selbst zu verarbeiten, Wurst daraus zu machen und zu Räuchern.

Woher beziehen Sie Ihre Produkte und Zutaten, wenn man davon ausgeht, dass bei Ihnen Convenience- Produkte weitgehend nicht zum Einsatz kommen?

Ich würde lügen, wenn ich sage, dass es ohne geht. Das ist bei der Größe mancher Veranstaltungen in unserem Haus schlicht nicht möglich. Das trifft etwa auf TK-Gemüse und andere Zutaten zu, die in großen Mengen verarbeitet werden müssen. Grundsätzlich aber gilt, dass wir soweit wie möglich ohne Convenience auskommen wollen. Deshalb kommt der Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern eine überragende Bedeutung zu. Grundlegende Dinge wie Saucen usw. setzen wir aber selbstverständlich selbst an.

Wie kann man als Küchendirektor in Häusern wie den Ihren seine kreative Ader als Koch ausleben? Gibt es dabei Beschränkungen?

In dieser Hinsicht lässt mir die Geschäftsleitung freie Wahl. Man kennt sich schon lange und hat Vertrauen in meine Arbeit. Aber ich muss natürlich auch für alles gerade stehen. Meine Kreativität wird auf jeden Fall nicht reglementiert. Dass ich neue Ideen auch ökonomisch einordnen muss, versteht sich von selbst.

Wie meistern Sie den Spagat zwischen dem Anspruch der meisten Gäste "viel und preisgünstig" zu essen und Ihrem eigenen Anspruch, niveauvolle Küche abseits voller Teller zu bieten?

Man kann guten Gewissens davon ausgehen, dass unsere Gerichte ebenso schmackhaft wie reichhaltig sind. Das hat aber nicht mit übervollen Tellern zu tun. Es ist also für den kleinen und großen Hunger alles auf der Karte.

Wo liegt für Sie der sogenannte goldene Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmetküche?

Ich meine, dass wir genau diesen Mittelweg bieten. Soll auch heißen, unsere Küche kann sich sehen lassen und ist ansprechend, aber eben dem Charakter unseres Hauses entsprechend authentisch, nicht abgehoben. Der Dreiklang von Produkt, Verarbeitung und Präsentation überzeugt. Das bestätigen unsere Gäste immer wieder.

Was halten Sie von Sterneküche allgemein?

Nicht nur für mich, sondern auch für meine Frau ist diese Küche faszinierend. Das beziehen wir vor allem auf die kreative Seite der Sterneküche, die immer eine Herausforderung, oft auch ein Wagnis ist. Wer in dieser Liga arbeitet, dem gebührt höchster Respekt.

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Ist Sterneküche für Sie mehr als "künstlerisches Kochen" auf hohem Preisniveau?

Es ist auf jeden Fall Kochkunst der Extraklasse. Und die ist ihren Preis auch wert. Wobei Preisniveau ein dehnbarer Begriff ist. Ich kenne viele Sternehäuser, die durchaus in einem vergleichbar günstigem preislichen Rahmen arbeiten.

Wäre das für Sie einmal eine neue berufliche Herausforderung, auch Gourmetküche anzubieten?

Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn schon in verschiedensten Gourmetrestaurants gearbeitet. Und ich versuche immer wieder, die Erfahrungen daraus auch in unserem Restaurant umzusetzen und Gerichte mit Gourmet-Niveau anzubieten.

Welche der bekannten Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?

Ich schätze beispielsweise Thomas Bühner aus Osnabrück sehr. Er ist ein exzellenter Koch und ein sehr angenehmer Kollege. Aber es gibt auch eine Menge verheißungsvoller Newcomer in der Branche, wie der Wettbewerb "Koch des Jahres" eindrucksvoll beweist. Leute wie Christian Sturm-Willms aus Bonn entwickeln sich prächtig und machen dem Berufsstand alle Ehre.

Mit wem würden Sie gern einmal gemeinsam in der Küche stehen?

Mit dem Franzosen Marc Veyrat, der für mich der beste Koch der Welt ist. Über ihn wurde mal geschrieben, dass sein Essen ein Vorgeschmack auf morgen sei. Er ist also sozusagen ein kulinarischer Visionär.

...und, gibt es auch berühmte Kollegen, mit denen man nicht so kann?

Da fällt mir spontan keiner ein. Mit denen ich zu tun habe, komme ich gut aus. Das sind zum Teil langjährige Freunde geworden, die ich mehr oder weniger ja selbst ausgesucht habe.

Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Eigentlich habe ich mir die meisten beruflichen Wünsche schon erfüllt. Aber mal ein halbes Jahr in Frankreich bei Veyrat wohnen und mit ihm arbeiten. Das wäre schon was. Auch Asien würde mich küchentechnisch sehr reizen.

Was essen Sie selbst am liebsten und welche Gerichte bereiten Ihnen als Koch die meiste Freude?

Alles, was ich selbst anbaue und dann ganz nach dem Geschmack der Familie verarbeiten kann.

Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Es darf nicht klinisch tot sein, wie man manchmal sagt. Es muss eine gemütliche Atmosphäre und eine gewisse Wärme ausstrahlen.

Wie viel bedeutet Ihnen eine funktionierenden Küchen-Crew?

Die Struktur in der Küche muss passen. Die Mitarbeiter müssen miteinander harmonieren. Keiner darf machen, was er will, sondern was der Küchen-Gemeinschaft nutzt. Und jeder muss bereit sein, sich ständig weiterzubilden.

Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik auch in der Freizeit eine Rolle?

Man(n) sucht nahezu zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort nach neuen Ideen für die eigene Arbeit. Aber ich schalte auch beim Sport ab, den ich zum Teil aktiv, aber auch passiv betreibe.

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