Wenn ich in kulinarischer Mission unterwegs bin, frage ich Köche oft, wie weit ihr geschmacklich-kombinatorischer Mut reicht. Die Palette der Antworten reicht von „grenzenlos“ bis „sehr eng“. Nahezu unisono erklären sie aber, dem Gast nur das anzubieten, wie sie sich selbst zumuten würden. Soll heißen: Sie kochen weitestgehend das, was auch ihnen schmeckt.
Für einige ist beispielsweise Fleisch im Dessert ein „no go“. Andere hinterfragen sich sinnigeweise, ob der Gast zu viel artifizielles Anrichten überhaupt braucht. Und manch einer meint, sein diesbezüglicher Mut beginne dort, wo er Produkte einsetzt, die der Gast in dieser Kombination nicht erwartet. Spitzenkoch Johann Lafer schließlich lacht, wenn ich ihn gelegentlich darauf anspreche: „Das Produkt ist und bleibt der Star. Die Kombination ist wesentlich von der Erfahrung geprägt. Wo nichts Gutes reinkommt, kann nichts Gutes rauskommen. Mit der Präsentation darf man den Gast auch visuell nicht überfordern.“
An diese und ähnliche Meinungen musste ich denken, als ich kürzlich elbaufwärts durch Pirna fuhr und ein Restaurant entdeckte, dessen Karte mich verführerisch lockte. Das trägt den bezeichnenden Namen „Genusswerk“ und war auch vom Ambiente das, was mir gefällt: Hell, gediegene Eleganz, schon viel visueller Geschmack vorweg. Dem steht das kulinarische Angebot in nichts nach. Eine vergleichsweise kleine, aber feine Karte. Man ahnt, dass der Küchenchef weiß, was Geschmack ausmacht und wie er seine Produkte in Szene setzt. Dass er auf seiner Karte „mein kulinarisches Unwort: lecker“ verwendet, habe ich ihm „gnädig“ verziehen.
Der Mann heißt Marcel Bark und ist einer, der ein Faible für raffinierte Kombinationen regionaler Produkte beispielsweise mit französischer oder asiatischer Note hat. Das gefiel mir außerordentlich. Demzufolge fiel mir die Wahl meines Gerichtes ziemlich schwer.
Dass ich mich für eine Fisch-Variante entschieden habe, lag eben an der Kombination mit den deftigen Krapfen, die im heutigen Rezept vorgestellt werden. Das vollständige Rezept gibt’s wie immer an bekannter Stelle im Internet. Als Vorspeise habe ich mir eine Trilogie vom Offiziersbarsch gegönnt. Alter Falter, das hatte was und war eine treffliche Einstimmung auf das effektvoll in Szene gesetzte Störfilet. Das muss man gestalterisch nicht 1:1 nachmachen, hat aber viel Spielraum für eigene Kreativität.
Gefallen hat mir auch die Einstellung des Küchenchefs, dass er mit seinen Gerichten jene erreichen will, die Anspruch an gute, kreative Küche haben. Also nicht 0815, sondern Genuss mit Pfiff. Dass das honoriert wird, beweist die Tatsache, dass das „Genusswerk“ vor wenigen Tagen erstmals den „Bib Gourmand“, das ist der kleine Bruder des Michelin-Sterns, für ein hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis erhalten hat.
Diese Kolumne erschien samt einem Rezept für Kartoffel-Blutwurst-Krapfen
am 1. Dezember 2017 in der Sächsischen Zeitung und am 29.11.2017 in der Freien Presse.