Boy-Nielsen-Straße 10 - 25980 Sylt OT Tinnum
www.landhaus-stricker.de
Auf der Landkarte angeschaut hat Sylt für mich einen Mittelpunkt. Der ist aber nicht etwa Westerland, sondern Tinnum. Das mag Zufall sein, aber nach meinem Besuch in dem kleinen Inselort bin ich davon überzeugt, dass hier zumindest "ein" Mittelpunkt der Insel ist. Gemeint ist das malerische Landhaus Stricker, dem man rein äußerlich die Fünf-Sterne-Superior Hotel-Kategorie nicht ansieht. Es schaut auf den ersten Blick einfach gut und einladend aus. Was schon einmal ein guter Einstieg ist, meine ich. Die gediegene Eleganz, gepaart mit höchstem Komfort und Individualität, erschließt sich dem Betrachter erst beim zweiten und allen weiteren Blicken. Und für mich wird schnell klar: Wer hier logiert, sucht nicht den Trubel mondänen Insellebens, sondern ein Refugium für sein Innenleben. Was nicht heißt, dass man deswegen auf Sylt nichts erleben darf.
Dass das Haus wahrlich zu den ersten Adressen der Insel gehört, hat aber vor allem etwas mit einem Mann zu tun, um den sich hier eigentlich alles dreht, dessen Name Programm und allgegenwärtig ist: Holger Bodendorf. Dass der nonchalante Gastgeber und Grand Chef sich trotzdem "nur" als Primus inter pares versteht, ist ganz der Bodenständigkeit und Ernsthaftigkeit seines Wesens geschuldet. Für ihn ist im Wortspiel, das wird auch im Interview mit dem Sternekoch schnell deutlich, Sylt weit mehr als eine Prise Meer. Es ist sein Leben zwischen Haus, Küche und Meer.
Zurück zum Patron, der dem Haus in allgegenwärtiger Weise seinen Stempel aufdrückt. Der weiß natürlich, was er verkörpert und was er kann. Ich habe ihn ein wenig provokant gefragt, wie sehr er mit seiner Ausstrahlung kokettiert, auf Fotos posiert und wie bodenständig Bodendorf nach innen und nach außen ist. Seine Antwort kam erwartungsgemäß wie aus der Pistole geschossen: "Die 'Marke' heißt: Holger Bodendorf 'persönlich'. Das ist mir ganz wichtig. Ich verstelle mich nicht. Das schafft auch Identität und Gästebindung." Er sei, so Holger Bodendorf weiter, norddeutsch, bodenständig und offen. Und er habe außerdem Leute um sich, die ihn auf dem Boden halten. Auch das ist, meine ich, ein Teil des Erfolgs, der sich nur über Teamarbeit einstellt.
Nun muss endlich auch die Küche des Hauses zur Sprache kommen. Leider war im Rahmen meines Besuches keine Zeit, mich einem Menü zu widmen. Das hole ich, man darf mich beim Wort nehmen, mit Sicherheit nach. Kennengelernt habe ich sein Können als Küchenchef aber bereits vor längerer Zeit bei einer Benefiz-Gala auf Sylt und vor allem auch in seinem zauberhaften Buch "Eine Prise Sylt", das ich ausführlich rezensiert habe.
Dort beschreibt er sein Haus mit einer fast demütigen Bescheidenheit auf gerade einmal einer Seite. Ohne jedoch darauf zu verzichten, seinen Anspruch an gehobene Gastlichkeit zu vermitteln. Der Schwerpunkt des Buches aber liegt, wie könnte es anders sein, in der breiten geschmacklichen Palette seiner Rezepte.
Seine Küche nennt er bescheiden-überzeugt "Vitalküche" und er erweist sich als ein grandioser Komponist und Arrangeur seiner Gerichte mit Kräutern aller Couleur. Die stehen, sagt er, im Mittelpunkt seiner Gerichte, ohne sie zu dominieren. Ich bin beeindruckt, wie er mit Rosmarin, Thymian, Basilikum & Co. nahezu spielerisch verliebt umgeht und doch genau weiß, welche Rolle sie im kulinarischen Potpourri spielen. Geschmacklich, versteht sich, aber auch für den Augenschmaus.
Sein Credo ist puristisch einfach: kreativ & ehrlich. Das bedeutet für ihn vor allem, dass er frische Produkte von bester Qualität sorgfältig und authentisch zubereitet. Gleichermaßen gehört dazu auch, so Bodendorf, Freude an der Weiterentwicklung der eigenen Arbeit. "Man muss deswegen nicht ständig neuen Trends hinterher jagen, sondern die einzelnen Substanzen so kombinieren, dass Genuss und Abwechslung sowie Spaß am Neuen vorhanden sind", so sein Kommentar. Sein Gourmet-Restaurant "Bodendorf's" ist übrigens nur dann geöffnet, wenn der Chef auch persönlich am Herd steht. So viel Zeit muss sein, meint der Sternekoch schmunzelnd.
Er kreiert in dem Restaurant eine feine, mediterran ausgerichtete französische Küche und setzt en Detail auf raffinierte Kombinationen beispielsweise mit asiatischen Aromen. Mir gefallen dabei besonders solche kulinarischen Ideen wie Périgord-Trüffel und Babyspinat: mild geräucherte Kartoffelravioli mit Parmaschinken-Fond, Spinatblättern und Trüffelschaum oder Kabeljau in Nussbuttermolke pochiert mit spanischen Mandeln: Brandade vom Kabeljau mit Tagliarini, Kapern und Kalbstafelspitz-Emulsion.
Als bekennender Fleischliebhaber wird's für mich bei Verlockungen wie LiVar Schwein und Petersilienwurzel interessant. Dazu gibt's chinesisches Dim Sum und krossen Coppa-Schinken. Auch die Tagliata vom Rehrücken und die Crepinette von der Rehschulter samt geschmorter Roter Bete würde ich nicht von der Tellerkante schubsen. Dazu empfiehlt der Küchenchef korrespondierende Weine, die meinen Gaumen allesamt recht erfreulich stimmen. Schön, dass er auch einen Silvaner von Saale-Unstrut anbietet. Neben den aufstrebenden sächsischen Weinen werden diese Weine immer noch unterschätzt.
Bodenständiger und regionaler, aber nicht minder anspruchsvoll geht es im teils trendig-modernen und teils rustikalen Ambiente des Restaurants Siebzehn84 zu, dessen Name auf das Baujahr des historischen Friesenhauses zurückzuführen ist. Hier werden leichte Vorspeisen und Hauptgerichte sowie verschiedene Steaks und Fischgerichte angeboten, kommen Spagetti und Gambas ebenso auf den Tisch wie speziell-kreierte Burger, tranchierte Gerichte, Hirschrücken mit Rotkohlstrudel, Maronen und Kräuterseitlingen und die Bauernente als Klassiker des Restaurants. Da wird die Wahl zur Qual, auch, wenn ich um meine Favoriten weiß. Ein Maine Lobster mit Estragonbutter, deftigem Brot samt einem kräftigen Rotwein wäre mit Sicherheit meiner...
Mein Fazit: Sylt kann, Bodendorf muss man erlebt haben, wenn man begreifen will, warum die Insel so einen (kulinarischen) Reiz ausstrahlt. Das schicke Landhaus ist in diesem Sinne eine Liebeserklärung der Gastgeber an diesen Landstrich im Meer und eine Ehrerbietung an und für die Gäste in jeder Beziehung.