Berliner Chaussee1 - 17235 Neustrelitz
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Wenn ein Koch mit gerade mal 25 Lenzen künftig in der mecklenburgischen Provinz im Wald das Küchenzepter schwingen will, dann muss er sich seiner Sache ziemlich sicher sein und allerhand vorhaben. Wenzel Pankratz hat diesen Schritt gewagt und Anfang dieses Jahres seinen Vater Hubert abgelöst, der bisher im Forsthaus Strelitz an der B 96 unweit der ehemaligen Residenzstadt gekocht hat. Wie das bei solchen Wachablösungen der Fall ist, stehen dann meist auch konzeptionelle und bauliche Veränderungen buchstäblich ins Haus.
Der kochende Filius hat, natürlich auch weiterhin mit Unterstützung des Vaters, dem Gasthaus ein neues Ambiente gegeben und auch die offene Küche mit dem holzbefeuerten Ofen nahezu optimal, aber vor allem pragmatisch einbezogen. Er will den Überblick haben, was im Gastraum los ist, verrät er augenzwinkernd. Das Restaurant ist schlicht eingerichtet. Ein echter Hingucker ist der große Lehmofen, an dem man sich auch die Seele wärmen kann.
Den Raum prägen naturbelassene Holztische und -stühle mit der Patina vergangener Zeiten. Die Tischdekoration, Geschirr und Gläser passen sich dem Flair geschmackvoll an. Man is(s)t schließlich im Wald. Und ein separater Raum mit einem riesigen runden Tisch lädt buchstäblich zu einem angeregten Abend in größerer Gesellschaft ein.
Zum Haus gehören zwei Zimmer und eine Ferienohnung. Auch hier wird sich auf das Notwendigste beschränkt. Kein Fernsehen, keine Technik, keine Schränke, dafür einfache, aber sehr anspruchsvolle Bettenqualität. Schnickschnack hat auch hier nichts zu suchen. Es wird sich auf das Wesentliche konzentriert. Also nichts für verwöhnte Komforturlauber, wohl aber für naturliebende Reisende mit dem Bedürfnis nach entspannender Ruhe und einem wohligen Nachtlager. Ist nicht jedermanns Sache, hat aber was... Und auf dem weitläufigen Anwesen gibt's von Federvieh, Pflanzen und Blumen bis hin zu dem Gemüsegarten allerlei zu entdecken. Empfehlenswert für Hobbyfotografen mit dem Blick für das schöne Motiv.
Der junge Koch ist ein Kerl wie ein Baum und ein kulinarischer Improvisationskünstler. Was er verarbeitet, entsteht oft erst kurz vor der Zubereitung zunächst in seinem Kopf, dann auf dem Herd. Sein Anspruch, man wird es kaum glauben, ist natürlicher Geschmack. Gekocht wird, was die Natur und die Speisekammer hergeben. Denn im Hause Pankratz wird das meiste selbst produziert, geschlachtet und weiterverarbeitet. Da bleibt nichts übrig, was nicht in Töpfe und Pfannen passt, verspricht der Küchenchef.
Er versteht aber keineswegs als norddeutsche Ausgabe des gegenwärtig angesagten und mittlerweile kulinarische berüchtigten Berliner Restaurants "Nobelhart & schmutzig". So ist der dort ausgegebene Slogan "Brutal lokal" ebenso nicht sein Ding wie das nahezu aufdringliche Klischee von regionaler und saisonaler Frischeküche.
Die Karte ist sprachlich-puristisch nahezu im Stenogrammstil gehalten. Jedes Gericht hat nicht mehr als drei Stichworte. Darauf muss man sich entweder einen geschmacklichen Reim machen, oder in kulinarischem Gottvertrauen darauf einlassen. Bis zu acht solcher Gerichte kann man zu (s)einer individuellen Speisenfolge zum sehr günstigen Preis zusammenstellen. Da kann es durchaus auch einmal vorkommen, dass Pankratz beim Beratungsgespräch etwas aus dem kulinarischen Hut zaubert, was die Karte eigentlich gar nicht parat hat. Man wird aber von seiner Kombinationsgabe für guten Geschmack nicht enttäuscht. Und darf sich demzufolge auch einmal erwartungsvoll von ihm überraschen lassen.
Hecht, Kartoffel und Fassbutter beispielsweise verarbeitet Pankratz zu einem verblüffend einfachen, gut gewürzten Gericht. Dazu wird der Hecht in Butter gebraten, mit einem köstlichen Kartoffelpüree sowie der aufgeschäumten Molke geklärter Butter serviert. Er traut sich auch, in einer Holzschale Salatherzen in einer einfachen, dunkel angerösteten Gemüsebrühe auf den Tisch zu bringen. Geschmacklich sehr überraschend auch sein Sanddorn-Granité mit kandiertem Majoran.
Die kulinarischen Feinheiten des ambitionierten Küchenchefs liegen vor allem auch in der unkomplizierten, scheinbar ungewöhnlichen, aber geschmacklich sehr gut aufeinander abgestimmten Umsetzung und Kombination von Gemüse wie Gurken, Zuccini oder Roter Bete. Mitunter spielt Pankratz allerdings ein wenig zu sehr mit Grünzeug aller Art. Was zwar dem Geschmack nicht schadet, aber dem Überblick nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenkt. Begeistert wird man dagegen von seiner Fähigkeit sein, Fleisch wie Rind, Rehniere, Taube oder Lamm auf den Punkt gegart und raffiniert kombiniert auf den Tisch zu bringen.
Sympathisch auch das offensichtliche Stehvermögen des Wenzel Pankratz, seine kulinarische Linie durchzuziehen und nur wenige oder gar keine Kompromisse einzugehen. Man muss schließlich seinen Geschmack nicht bis ins Detail teilen. Aber darauf einlassen sollte man sich, wenn sich eine Art Genuss neuen Typus einstellen sollen.
Ich jedenfalls habe gemeinsam mit meiner Frau die gesamte Palette des Speisenangebots probiert. Wir waren begeistert. So "natürlich" haben wir lange nicht gegessen. Das regt auch die Fantasie für Eigenkreationen mit Produkten aus dem heimischen Garten und am heimischen Herd an. Bleibt abzuwarten, von welchen Kreationen sich Wenzel Pankratz demnächst inspirieren lässt. Seine Ideen scheinen unerschöpflich, seine Kochkunst hat auf jeden Fall Potenzial für höhere kulinarische Weihen. Immerhin ist Pankratz schon zum zweiten Mal als "Berliner Meisterkoch der Region" nominiert. Das dürfte ihn motivieren.
Die Weinkarte ist übersichtlich, passt aber trefflich zu den Gerichten. Die Weine bezieht Pankratz vom Berliner Weinhändler Holger Schwarz, der als Trüffelschwein in der Branche gilt und exzellente Naturweine im Angebot hat. Wer allerdings wie ich ein Bier zum bodenständigen Essen schätzt, wird etwas enttäuscht sein. Diesbezüglich bietet das Forsthaus "nur" eine Art Bier an, das ich immer als Kunstbier bezeichne. Soll auch heißen: Ein würziges Bier a la Wernesgrüner, Köstritzer oder Hasseröder passt aus meiner Sicht besser zu den Speisen im Hause Pankratz.
Mein Fazit: Der Mann hat Zukunft. Kulinarisch gesehen, versteht sich. Ich würde mir auf seinen Tellern noch einen Hauch mehr an "künstlerischer" Kreativität wünschen. Geschmacklich hat er die Probe längst bestanden. Und die Internet-Präsenz hat noch erhebliche Reserven, denn sie verrät nicht im Ansatz, was den kulinarisch geneigten Gast im Forsthaus Strelitz erwartet. So viel Purismus muss nun doch nicht sein.
Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept
Kategorie: Restaurants