Eigentlich hatte ich gedacht, das Erzgebirge wie meine Westentasche zu kennen. Der Traum ist längst ausgeträumt, denn da gibt es Ecken, die ich bis heute noch nicht richtig kenne. Mein Jagdrevier lag einst um Aue und reichte über Sosa und den Auersberg höchstens bis zum Fichtelberg. Aus die Maus. Neulich habe ich mich wieder mal ins Böhmische gewagt. Immer auf der Hut, vielleicht einen kulinarischen Geheimtipp zu entdecken.
In Steinbach nahe Jöhstadt „winkte“ ein malerisches Haus mit der Aufschrift „Raststätte Am Wildbach“. Runter vom Gas, rechts ran, Gang raus, anhalten. Drinnen eine kleine Gaststube mit rustikaler Einrichtung und fünf Tischen. Das erwartet man wohl in dieser Gegend. Die Speisekarte klein, aber oho. Ich habe sofort kulinarische Morgenluft gewittert. Im Angebot Wild, Fisch, Pilze und Gerichte mit verlockenden Namen. Beispiele gefällig: Arnsfelder Forelle in Haselnusskruste, Sattmacher "Mixed Grill" im Zwiebelbrottopf aus vier verschiedenen Sorten Fleisch, oder „Großes Fressen“ aus einer Schweinskeule im Ganzen mit Specksauerkraut und ofenfrischem Zwiebelbrot.
Mein lieber Scholli. Ich habe mich mit dem Wirt Mario Eberlein unterhalten, den dort wohl alle nur „Ebs“ nennen. Der verrät mir freimütig: „Unsere Karte richtet sich nach Lieferung und Angebot. Wenn nichts mehr da ist, dann ist das so. Das wissen auch unsere Stammgäste.“ Beim kürzlichen Ziegenfest, erklärte er schmunzelnd, wurde einem Gast auf Wunsch die Ziegenleber mit Pilzen angerichtet.
Da haben die anderen eben in lebertechnisch in die Röhre geguckt. Der kulinarische Anspruch seiner Küche ist ehrliche, authentische erzgebirgische Küche mit dem ergänzenden Blick ins Böhmische hinein. Die Grenze ist schließlich nur einen Steinwurf entfernt. Da werde ich hellhörig und frage ihn nach einem Klassiker. Der Wirt bietet mir einen „Blick nach Böhmen“ an, der aus dem hier dargestellten Rezept besteht. Jungbunzlau ist übrigens der deutsche Name für Mladá Boleslav.
Gefällt mir, da kommt (vielleicht) mein Auto her. Superb. Das Gericht ist gebont und war ein geschmackliches Gedicht. Zur Zubereitung der Puffer habe ich ihm ein paar Tricks entlockt. Um den originären böhmischen Geschmack zu erreichen, empfiehlt er wahrlich „viiiiel“ Knobi. Kenne ich, die böhmische Knoblauchsuppe treibt einem die Hitze ins Gesicht und entwickelt einen irren Duft.
Salz sollte wirklich erst zum Schluss eingesetzt werden, da das Sauerkraut auch genügend davon zu bieten hat. Ein Ei sei auch nicht notwendig. Als bissfeste Beilage nach Max‘ Geschmack rät er zu Geräuchertem oder Gepölkeltem wie Kassler oder auch Hirschknacker. Nicht so geeignet seien Geflügel oder Kalb. Einen Minuspunkt hat er übrigens von mir ob der Melonenscheibe auf den Kartoffelpuffern bekommen. Dazu Ebs‘ humorig-trockener Kommentar: „Erzgebirger sind sparsam. Die reichen die Melone als integriertes Dessert…“
Diese Kolumne erschien samt einem Rezept für Jungbunzlauer Kartoffelpuffer
am 17. August 2017 in der Sächsischen Zeitung und der Freien Presse.